438 C.I. Von starken Ehefrauen und schwachen Herrschern? - Personelle Strukturen im Vergleich
Insgesamt lässt sich das Spektrum derer, die als Akteure und Betreiber in den
Unzuchtsskandalen der Karolinger in Erscheinung treten, in zwei Kategorien
einteilen: 1. führende Große des Reiches, die den Anspruch erhoben, ihrem je-
weiligen Herrscher mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, die aber befürchteten,
diese Stellung zu verlieren oder sie bereits verloren hatten, sowie 2. Herrscher-
söhne, und zwar solche aus einer früheren Verbindung des Herrschers, die mit
den Nachkommen der des Ehebruchs verdächtigten Stiefmutter konkurrierten,
bzw. im Fall Karls von Niederlothringen um den um eine eigene Herrschaft
kämpfenden jüngeren Bruder des Königs. Neben dem erwähnten Beispiel
Zwentibolds, der allerdings nicht explizit als Initiator der Vorwürfe gegen die
Gemahlin seines Vaters identifiziert werden konnte, wurde vor allem der Auf-
stand von 830 im weiteren Verlauf maßgeblich von den Kaisersöhnen Lothar und
Pippin getragen. Hierbei passt insbesondere Lothar ebenfalls ins Muster des
zurückgesetzten ,Ratgebers', hatte er doch als Mitkaiser bis 829 eine ganz
außerordentliche Stellung an der Seite seines Vaters inne, bis es - höchstwahr-
scheinlich ausgelöst durch die Ausstattung seines Stiefbruders Karl - zum Bruch
zwischen Kaiser und Mitkaiser kam. Wenig später setzte sich Lothar an die
Spitze der Unzufriedenen, die ein ehebrecherisches Verhältnis der Kaiserin Ju-
dith mit dem neuen ersten Ratgeber Ludwigs des Frommen, Bernhard, als Ur-
sache der Missstände im Reich anführten.
5. Fazit
Wenn es sich bei den Unzuchtsvorwürfen gegen Gemahlinnen der Karolinger
um ein Instrument gehandelt haben soll, den wachsenden Einfluss der Königin
zu beschneiden, müssten sich die beschuldigten Frauen entsprechend als be-
sonders einflussreiche Persönlichkeiten erweisen. Gleiches gilt für die These vom
übermächtigen Ratgeber, der durch den Vorwurf des Ehebruchs mit der Königin
zu Fall gebracht werden sollte. Im Gegenzug stellt sich die Frage, inwiefern die
Beschuldigungen insbesondere unter schwachen oder kranken Herrschern auf-
kamen bzw. ob erkennbar ist, dass diese durch den Eheskandal an Autorität
verloren. Diese in der Forschung immer wieder vertretenen Thesen galt es, an
den konkreten Fällen zu prüfen. Es sollte aber noch ein weiterer Faktor unter-
sucht werden, der bislang nicht zur Erklärung des Gesamtphänomens heran-
gezogen worden ist, nämlich die Stellung derjenigen Personen, die als Betreiber
der Beschuldigungen bzw. konkret als Ankläger identifiziert werden konnten,
um so den politischen Kontext der Vorfälle möglichst umfassend zu beleuchten.
Durch diese vergleichende Analyse der sozio-politischen Strukturen konnte der
Frage nachgegangen werden, ob die Vorwürfe gegen die Gemahlinnen der Ka-
rolinger immer wieder in ähnlichen Situationen aufkamen, insbesondere wenn
der ,Weg zum Ohr des Herrschers' blockiert war.
Im Vergleich zeigte sich deutlich, dass sich die politische Stellung der je-
weiligen in den Verdacht der Unzucht geratenen Königinnen durchaus sehr
unterschiedlich darstellte. Insbesondere Judith gilt als nahezu übermächtige
Insgesamt lässt sich das Spektrum derer, die als Akteure und Betreiber in den
Unzuchtsskandalen der Karolinger in Erscheinung treten, in zwei Kategorien
einteilen: 1. führende Große des Reiches, die den Anspruch erhoben, ihrem je-
weiligen Herrscher mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, die aber befürchteten,
diese Stellung zu verlieren oder sie bereits verloren hatten, sowie 2. Herrscher-
söhne, und zwar solche aus einer früheren Verbindung des Herrschers, die mit
den Nachkommen der des Ehebruchs verdächtigten Stiefmutter konkurrierten,
bzw. im Fall Karls von Niederlothringen um den um eine eigene Herrschaft
kämpfenden jüngeren Bruder des Königs. Neben dem erwähnten Beispiel
Zwentibolds, der allerdings nicht explizit als Initiator der Vorwürfe gegen die
Gemahlin seines Vaters identifiziert werden konnte, wurde vor allem der Auf-
stand von 830 im weiteren Verlauf maßgeblich von den Kaisersöhnen Lothar und
Pippin getragen. Hierbei passt insbesondere Lothar ebenfalls ins Muster des
zurückgesetzten ,Ratgebers', hatte er doch als Mitkaiser bis 829 eine ganz
außerordentliche Stellung an der Seite seines Vaters inne, bis es - höchstwahr-
scheinlich ausgelöst durch die Ausstattung seines Stiefbruders Karl - zum Bruch
zwischen Kaiser und Mitkaiser kam. Wenig später setzte sich Lothar an die
Spitze der Unzufriedenen, die ein ehebrecherisches Verhältnis der Kaiserin Ju-
dith mit dem neuen ersten Ratgeber Ludwigs des Frommen, Bernhard, als Ur-
sache der Missstände im Reich anführten.
5. Fazit
Wenn es sich bei den Unzuchtsvorwürfen gegen Gemahlinnen der Karolinger
um ein Instrument gehandelt haben soll, den wachsenden Einfluss der Königin
zu beschneiden, müssten sich die beschuldigten Frauen entsprechend als be-
sonders einflussreiche Persönlichkeiten erweisen. Gleiches gilt für die These vom
übermächtigen Ratgeber, der durch den Vorwurf des Ehebruchs mit der Königin
zu Fall gebracht werden sollte. Im Gegenzug stellt sich die Frage, inwiefern die
Beschuldigungen insbesondere unter schwachen oder kranken Herrschern auf-
kamen bzw. ob erkennbar ist, dass diese durch den Eheskandal an Autorität
verloren. Diese in der Forschung immer wieder vertretenen Thesen galt es, an
den konkreten Fällen zu prüfen. Es sollte aber noch ein weiterer Faktor unter-
sucht werden, der bislang nicht zur Erklärung des Gesamtphänomens heran-
gezogen worden ist, nämlich die Stellung derjenigen Personen, die als Betreiber
der Beschuldigungen bzw. konkret als Ankläger identifiziert werden konnten,
um so den politischen Kontext der Vorfälle möglichst umfassend zu beleuchten.
Durch diese vergleichende Analyse der sozio-politischen Strukturen konnte der
Frage nachgegangen werden, ob die Vorwürfe gegen die Gemahlinnen der Ka-
rolinger immer wieder in ähnlichen Situationen aufkamen, insbesondere wenn
der ,Weg zum Ohr des Herrschers' blockiert war.
Im Vergleich zeigte sich deutlich, dass sich die politische Stellung der je-
weiligen in den Verdacht der Unzucht geratenen Königinnen durchaus sehr
unterschiedlich darstellte. Insbesondere Judith gilt als nahezu übermächtige



