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Dohmen, Linda; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn [Editor]; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Ursache allen Übels: Untersuchungen zu den Unzuchtsvorwürfen gegen die Gemahlinnen der Karolinger — Mittelalter-Forschungen, Band 53: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51256#0482

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I. Rückblick

Die Erträge der vorliegenden Untersuchung lassen sich zunächst den zwei
Hauptteilen der Arbeit zuordnen. So hat die genaue Analyse einzelner Un-
zuchtsskandale diese überhaupt erst systematisch erschlossen und durch ihre
Kontextualisierung einen neuen Zugang zum Verständnis der mit ihnen ver-
bundenen politischen Auseinandersetzungen eröffnet. Diese Einzelergebnisse,
die sich mitunter auch auf Aspekte beziehen, die nicht in direktem Zusam-
menhang zur Fragestellung dieser Arbeit stehen, sind oben bereits ausführlich
herausgearbeitet worden. Sie sollen daher hier nur insofern noch einmal referiert
werden, als sie die Grundlage für den zweiten Teil der Arbeit bilden, etwa be-
züglich der Identifizierung der Ankläger und ihrer Motive. Im systematisch-
analytischen Teil der Arbeit sind sodann, ausgehend von den in der Forschung
diskutierten Thesen zur Erklärung des Phänomens der karolingischen Un-
zuchtsskandale, die Einzelfälle in Hinblick auf die ihnen zugrunde liegenden
sozio-politischen Strukturen, also die Ursachen der Konflikte, sowie anschlie-
ßend die Lösungen dieser Konflikte miteinander verglichen worden.
Hier konnte gezeigt werden, dass die Thesen vom Bedeutungsgewinn der
Königin sowie vom übermächtigen Ratgeber als alleinige Erklärung des Phä-
nomens nicht tragen. Gerade in Bezug auf die Stellung der Königin findet sich
unter den angeklagten Frauen das gesamte Spektrum von Zuschreibungen po-
litischen Einflusses. Im Hinblick auf die Person des vermeintlichen oder tat-
sächlichen Liebhabers der Königin ergibt sich zunächst ein einheitlicheres Bild:
Wenn der entsprechende Mann namentlich bekannt ist, handelt es sich tat-
sächlich stets um eine prominente Persönlichkeit des jeweiligen Reiches - und
nicht etwa, wie ebenfalls gut vorstellbar wäre, um einen ,einfachen' Diener des
königlichen Haushaltes.1 Im Unzuchtsskandal um Uta ist der Liebhaber na-
mentlich nicht überliefert. Hier ist die genannte Alternative also zumindest
denkbar. In Bezug auf die prominenten männlichen Mitverdächtigten lässt sich
allerdings nicht festmachen, dass sie tatsächlich einen so überragenden Einfluss
auf die jeweiligen Herrscher ausübten, wie ihre Gegner zumindest im Fall
Bernhards von Barcelona und Liutwards von Vercelli behaupteten.
Überhaupt scheinen die Thesen vom zu starken Einfluss der Königin und/
oder eines Ratgebers an Hand der überlieferten Vorwürfe gegen Judith und
Bernhard sowie in abgeschwächter Form auch gegen Richgard und Liutward
entwickelt worden zu sein. Auffällig ist in diesen Fällen das gleichzeitige Vor-
kommen von Unzuchtsvorwürfen und solchen verderblichen Einflusses bzw.
schlechter Ratgeberschaft. Sowohl in Bezug auf Judith als auch auf Bernhard

1 Erinnert sei hier an den sogenannten Skandal um den Tour de Nesle 1314, als die zwei
Schwiegertöchter des französischen Königs Philipp IV., Margarete, Gemahlin des Thronfolgers
Ludwig (X.), und Blanka, Gemahlin Karls (später IV.), des Ehebruchs mit zwei Rittern, Philippe
und Gautier d'Aunay - gewissermaßen gehobenen ,Dienern' -, bezichtigt wurden. Die zwei
Männer wurden hingerichtet, Margarete erdrosselt aufgefunden, Blanka verblieb in Haft. Zu
den möglichen politischen Umständen vgL Adams, Between History and Fiction.
 
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