1. Position und Einfluss der Herrschergemahlinnen
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Schwester der Kaiserin besetzt, was zugleich die lokale Stellung der Familie
gestärkt haben dürfte. In Ludwigs Reich lag denn auch der später ausmachbare
Schwerpunkt der Besitzungen Konrads, wobei nicht ganz klar ist, was hier Ur-
sache und was Wirkung ist, zumal Welf ja bereits aus dieser Region stammte.58
Angesichts dieser Indizien erscheint es durchaus wahrscheinlich, dass auch
Konrad und Rudolf als Folge der prominenten Heiraten ihrer Schwestern am
Aachener Kaiserhof ein- und ausgingen. Allerdings ist ein konkreter Einfluss auf
Ludwig den Frommen selbst, wie gesagt, nicht fassbar. Vielmehr könnte die
Tatsache, dass Judiths Geschwister nicht nur zahlreich, sondern zudem unver-
heiratet waren, dem Kaiser selbst zusätzliche Optionen eröffnet haben, ,Hei-
ratspolitik' unter seinen Großen zu betreiben.59 Wenn Nithard aus der Rück-
schau der 840er Jahre die Rückkehr der Brüder aus ihrer aquitanischen Klos-
terhaft, in die sie im Zuge der Rebellion von 830 geraten waren, dahingehend
kommentiert, dass der Kaiser die beiden „zurück erhalten" habe,60 dürfte das
jedenfalls weniger ihre tatsächliche Bedeutung als einflussreiche Ratgeber zum
Ausdruck bringen als vielmehr die allgemeine Frontstellung der späten 820er
und schließlich auch der 830er Jahre.
Ähnliches gilt für Radberts Klagen über die Günstlingswirtschaft, die Judith
am Kaiserhof betrieben habe, wenn sich dieser Vorwurf sogar nicht lediglich auf
ihr gutes Verhältnis zu Bernhard von Barcelona - den sie demnach bevorzugt
und beim Kaiser protegiert hätte - bezieht. Da jedoch keine weiteren Hinweise
dafür vorhanden sind, dass es Judith selbst war, die Bernhards Ernennung zum
Kämmerer 829 bei ihrem Mann durchsetzte,61 lässt sich ihr oftbeschworener
Einfluss auf Ludwig den Frommen höchstens indirekt durch dessen Förderung
Hemmas und Heilwigs und insbesondere durch seine Maßnahmen zu Gunsten
Karls des Kahlen konkretisieren. Judiths mögliche Einwirkung auf eine Aus-
stattung ihres Sohnes ist bereits oben ausführlich diskutiert worden. Zwar ist
eine derartige Einflussnahme nicht konkret nachzuweisen, allerdings stimmte
die von Ludwig betriebene Politik in diesem Punkt sicherlich eng mit den
Wünschen seiner Frau überein. Darüber hinaus machen die Brief- und Ge-
dichtzeugnisse eines Ermoldus Nigellus, Walahfrid Strabo, Hrabanus Maurus
oder Frechulf deutlich, dass Zeitgenossen in der Tat davon ausgingen, dass Ju-
dith über so viel Gewicht am Hofe Ludwigs des Frommen verfügte, dass es sich
lohnte, um ihre Gunst zu werben.
Dabei gilt es zu betonen, dass Judith keineswegs als eine Marionette ,welfi-
scher' Familienpolitik agiert zu haben scheint, sondern wohl eher ihre Ver-
wandten von ihrer Stellung profitierten. Im Hinblick auf die Zukunft Karls des
Kahlen hingegen lässt sich schwerlich entscheiden, welche Maßnahmen Ludwig
58 Zur Debatte um den Herrschaftsschwerpunkt der frühen Welfen vgL oben Kap. B.I.
59 Zur Heirat Konrads mit Adelheid von Tours vgl. oben Anm. 51; zu Rudolfs Heirat mit Roduna
vgl. grundlegend Tellenbach, Exkurs, S. 335-340, bes. S. 335 f.; jetzt ein Überblick bei Hlawi-
tschka, Die Ahnen, Bd. 1/2, S. 7-10.
60 Nithard, Historiae, ed. Lauer, I, c. 3, S. 12: conventuque condicto regina et fratres ejus eidem [d. i.
Ludwig] restituuntur [...].
61 Vgl. dazu oben Kap. B.I.
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Schwester der Kaiserin besetzt, was zugleich die lokale Stellung der Familie
gestärkt haben dürfte. In Ludwigs Reich lag denn auch der später ausmachbare
Schwerpunkt der Besitzungen Konrads, wobei nicht ganz klar ist, was hier Ur-
sache und was Wirkung ist, zumal Welf ja bereits aus dieser Region stammte.58
Angesichts dieser Indizien erscheint es durchaus wahrscheinlich, dass auch
Konrad und Rudolf als Folge der prominenten Heiraten ihrer Schwestern am
Aachener Kaiserhof ein- und ausgingen. Allerdings ist ein konkreter Einfluss auf
Ludwig den Frommen selbst, wie gesagt, nicht fassbar. Vielmehr könnte die
Tatsache, dass Judiths Geschwister nicht nur zahlreich, sondern zudem unver-
heiratet waren, dem Kaiser selbst zusätzliche Optionen eröffnet haben, ,Hei-
ratspolitik' unter seinen Großen zu betreiben.59 Wenn Nithard aus der Rück-
schau der 840er Jahre die Rückkehr der Brüder aus ihrer aquitanischen Klos-
terhaft, in die sie im Zuge der Rebellion von 830 geraten waren, dahingehend
kommentiert, dass der Kaiser die beiden „zurück erhalten" habe,60 dürfte das
jedenfalls weniger ihre tatsächliche Bedeutung als einflussreiche Ratgeber zum
Ausdruck bringen als vielmehr die allgemeine Frontstellung der späten 820er
und schließlich auch der 830er Jahre.
Ähnliches gilt für Radberts Klagen über die Günstlingswirtschaft, die Judith
am Kaiserhof betrieben habe, wenn sich dieser Vorwurf sogar nicht lediglich auf
ihr gutes Verhältnis zu Bernhard von Barcelona - den sie demnach bevorzugt
und beim Kaiser protegiert hätte - bezieht. Da jedoch keine weiteren Hinweise
dafür vorhanden sind, dass es Judith selbst war, die Bernhards Ernennung zum
Kämmerer 829 bei ihrem Mann durchsetzte,61 lässt sich ihr oftbeschworener
Einfluss auf Ludwig den Frommen höchstens indirekt durch dessen Förderung
Hemmas und Heilwigs und insbesondere durch seine Maßnahmen zu Gunsten
Karls des Kahlen konkretisieren. Judiths mögliche Einwirkung auf eine Aus-
stattung ihres Sohnes ist bereits oben ausführlich diskutiert worden. Zwar ist
eine derartige Einflussnahme nicht konkret nachzuweisen, allerdings stimmte
die von Ludwig betriebene Politik in diesem Punkt sicherlich eng mit den
Wünschen seiner Frau überein. Darüber hinaus machen die Brief- und Ge-
dichtzeugnisse eines Ermoldus Nigellus, Walahfrid Strabo, Hrabanus Maurus
oder Frechulf deutlich, dass Zeitgenossen in der Tat davon ausgingen, dass Ju-
dith über so viel Gewicht am Hofe Ludwigs des Frommen verfügte, dass es sich
lohnte, um ihre Gunst zu werben.
Dabei gilt es zu betonen, dass Judith keineswegs als eine Marionette ,welfi-
scher' Familienpolitik agiert zu haben scheint, sondern wohl eher ihre Ver-
wandten von ihrer Stellung profitierten. Im Hinblick auf die Zukunft Karls des
Kahlen hingegen lässt sich schwerlich entscheiden, welche Maßnahmen Ludwig
58 Zur Debatte um den Herrschaftsschwerpunkt der frühen Welfen vgL oben Kap. B.I.
59 Zur Heirat Konrads mit Adelheid von Tours vgl. oben Anm. 51; zu Rudolfs Heirat mit Roduna
vgl. grundlegend Tellenbach, Exkurs, S. 335-340, bes. S. 335 f.; jetzt ein Überblick bei Hlawi-
tschka, Die Ahnen, Bd. 1/2, S. 7-10.
60 Nithard, Historiae, ed. Lauer, I, c. 3, S. 12: conventuque condicto regina et fratres ejus eidem [d. i.
Ludwig] restituuntur [...].
61 Vgl. dazu oben Kap. B.I.