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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0246

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6.14. Schlussfolgerungen

245

sich hingegen die Schilderungen von Geschwüren und gar einem gebrochenen
Herzen, das im Leichnam Heinrichs VII. gefunden worden sein soll, als Stili-
sierungen einordnen.
In den Überlieferungen zu den Toden Heinrichs VI., Friedrichs II., besonders
stark jedoch bei Konrad IV, Heinrich VII. und Günther von Schwarzburg stehen
neben den Krankheitszuschreibungen auch Giftmordvorwürfe. Es zeigt sich,
dass Krankheit und Gift als Todesursache eines Königs für mittelalterliche
Schreiber nahe beieinander lagen. Beide konnten als Zuschreibung dieselben
Umstände erklären: Egal ob kurzes oder langes Siechtum, sichtbare Merkmale
oder innere Schmerzen, nahezu jedes Anzeichen konnte sowohl auf eine
Krankheit als auch auf eine Vergiftung zurückgeführt werden. Der Unterschied
zwischen Krankheit und Giftmord lag in der Konnotation: Eine Krankheit
konnte auch als göttliche Strafe gesehen werden, ein Tod durch Krankheit somit
als schlechter Tod.1420 Der Tod durch Gift hingegen ist ein Tod durch Fremd-
einwirkung, bei dem sich der moralische Fokus vom Verstorbenen auf den für
den Tod Verantwortlichen überträgt.1421 Die negativen Implikationen werden
somit nicht mehr auf den Verstorbenen bezogen, vielmehr werden diese meist
durch ihre Rolle als Opfer positiv konnotiert.1422 Somit lassen sich durch diese
Zuschreibung Wut und Unzufriedenheit über die nach dem Tod des Herrschers
eingetretenen Umstände mittels narrativer Strategien auf eine zu diffamierende
Person(-engruppe) lenken. Der Mord durch Gift wurde dabei als besonders
heimtückisch angesehen.1423
Im Falle der hier vorgestellten Tode kam diese Verschiebung durch die
Kontexte gelegen und es kann gefragt werden, ob sie nicht absichtlich konstruiert
wurde: Im Falle Konrads IV. um einen Vorwurf gegen seinen Bruder oder den
Papst zu erheben, in den Fällen Heinrichs VII. und Günthers von Schwarzburg
um die negativen Umstände nicht auf den Verstorbenen beziehen zu müssen
beziehungsweise um einen Schuldigen für die Folgen des Todes zu haben. Da
keine Spuren von Gewaltanwendung sichtbar waren, bot Gift eine willkommene
Gelegenheit, einen passenden Tod durch Fremdeinwirkung zu konstruieren.
Als Giftmörder werden mit Ärzten und Beichtvätern stets Personen prä-
sentiert, die einen privilegierten Zugang zum Kranken oder Sterbenden haben
und auch legitimiert sind, ihm Substanzen zu verabreichen. Hierin manifestierte
sich ein Interesse am Tathergang, das zu der beim Tod durch Gewalteinwirkung
gewöhnlichen höheren Detailfülle führte. Die Details um Vorkoster und zur
genauen Methode der Giftverabreichung zeigen, dass hier auch die Frage der

1420 Siehe Kapitel 4.3.3., Abschnitt „Das schlechte Sterben".

1421 Hierbei handelt es sich um die Ergebnisse des Kapitels 7.

1422 Collard, Crime, S. 2-6 übersieht dies bei seinen Ausführungen zu Giftmorderzählungen bei
Chronisten. - Gift wurde als willkommenes Erklärungsmodell bereits oft angeführt: Schneid-
müller, Weifentode, S. 17; Graus, Herrschersagen, S. 85; Rogge, Attentate, S. 48; Hack, Alter,
S. 374; Fürstenmorde, S. 382; Grabmeyer, Diesseits und Jenseits, S. 127; aufgearbeitet wurde dies
jedoch bislang nicht.

1423 Collard, Crime, S. 132-34. Eindrücklich auf Grundlage französischer Quellen aus dem 14. Jahr-
hundert diskutiert bei Mauntel, Gewalt, S. 310-312.
 
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