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Kamenzin, Manuel; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0398

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9.3. Folgenreiche Impulse bis 1349

397

Die mit Abstand größte Aufmerksamkeit unter den hier behandelten spät-
mittelalterlichen Herrschertoden kam dem Ableben Heinrichs VII. 1313 zu.
Wiederum zeigen sich regionale Unterschiede, denn während die Schreiber
südlich der Alpen dem Kaiser einen Tod durch Krankheit zuschrieben, erhoben
die nördlichen Schreiber nachdrücklich einen Giftmordvorwurf. Wohl aufgrund
des Details, dass er besonders schändlich durch das Abendmahl vergiftet wor-
den sein soll, erfuhr dieser Vorwurf breite Rezeption und führte zu großer Ent-
rüstung. Die beschuldigten Dominikaner versuchten mehrfach mittels ver-
schiedenster Briefe die Vorwürfe zu entkräften, mussten aber dennoch unter
Nachstellungen leiden. Es handelt sich bei diesen Zuschreibungen um den
meistüberlieferten und folgenreichsten Vorwurf in dieser Untersuchung. Es
lassen sich Änderungen in mehreren Hofzeremoniellen auf die hierdurch be-
feuerte Angst vor einer Vergiftung durch die Hostie zurückführen und jeder
folgende Herrschertod wurde ebenfalls mit Gift in Verbindung gebracht.
Dies erfolgte auch beim Tod Friedrichs des Schönen 1330. Mit dem Vergif-
tungsmotiv findet sich ein Bezug zum Tod Heinrichs VII. in der überschaubaren
Überlieferung, die dem Habsburger einen schlechten Tod durch die Würmer-/
Läusekrankheit zuschreibt. Dies stellte die umfangreichste Rezeption dieser
Todesart im Untersuchungszeitraum dar. Die Begründungen für diesen
schlechten Tod geben dabei Aufschluss über die Sicht auf das Doppelkönigtum
Friedrichs des Schönen und Ludwigs IV: Einige Schreiber negierten den Mün-
chener Vertrag und gaben an, Friedrich habe Ludwig auf eine gemeinsam
empfangene Eucharistie geschworen, den Königstitel nicht mehr zu führen. Als
er diesen Eid gebrochen habe, sei er von Gott durch einen Tod an der Würmer-/
Läusekrankheit gestraft worden. Andere Chronisten begründeten dies jedoch
auch mit einem Nonnenraub. Dem Habsburger zugeneigte Chronisten ver-
suchten diese Vorwürfe zu entkräften und führten im Fahrwasser der vom Tod
Heinrichs VII. ausgehenden Tradition die Krankheit auf eine Vergiftung zurück.
Der Giftmordvorwurf war somit zu einer Möglichkeit geworden, unliebsame
Deutungen zu entkräften.
Dies kann auch beim Tod Ludwigs IV. beobachtet werden. Der Kaiser ver-
starb 1347 überraschend, als sich eine militärische Konfrontation mit dem gegen
ihn erhobenen Karl IV. anbahnte. In einigen Briefen deutete der Luxemburger
den Tod seines Rivalen als Eingreifen Gottes, der unnötiges Blutvergießen habe
vermeiden wollen. Dies wurde noch verstärkt durch die symbolträchtige Zu-
schreibung, der Kaiser sei bei einem Sturz vom Pferd gestorben. Neben anderen
narrativen Strategien, wie dem besonderen Ausgestalten des Sterbens nach
christlichen Vorstellungen, wählten einige Chronisten wiederum das Gift-
mordmotiv, um den Tod positiv auf den Verstorbenen deuten zu können: Eine
adlige Dame habe Ludwig IV. vergiftet, daher sei er später bei der Jagd vom Pferd
gefallen. Wie bereits der Tod Friedrichs des Schönen zeigt sich auch der Tod
Ludwigs IV. von der Überlieferung zu Heinrich VII. geprägt und weist den
Giftmordvorwurf als Strategie zur Abwendung negativer Deutungen auf.
Auch der Tod des letzten untersuchten Herrschers, des gegen Karl IV. er-
hobenen Günthers von Schwarzburg, zeigt diese Beeinflussung. Nachdem er
von Karl IV. militärisch geschlagen worden war, verzichtete Günther von
 
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