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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.4244#0032
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DIE GRAPHISCHE KUNST IN DEN NIEDER-
LANDEN IM JAHRE 1899.

Auf Vollständigkeit können die folgenden Mit-
theilungen deshalb keinen Anspruch erheben, weil mil-
der Gedanke, in einer Art von Rückblick ein Gesammt-
bild des graphischen Schaffens in den Niederlanden
während des vorigen Jahres zu geben von der Redaction
dieser Zeitschrift erst zu einer Zeit nahe gelegt wurde,
als bereits die Ausstellungssaison verflossen war. Vermag
ich also nicht dem Leser über die paar Gesammt-
Ausstellungen der Schwarz- Weiss-Kunst, die regelmässig
zu Anfang jedes Jahres im Haag und in Amsterdam
stattfinden, genaue Auskunft zu geben, so bin ich doch
genügend mit dem Schaffen der bedeutendsten Künstler
vertraut, um wenigstens das wichtigste, das sie im
Jahre 1899 vollendet, oder erst veröffentlicht haben,
hervorheben zu können.
In erster Reihe soll hier von Bauer die Rede sein,
von einem Künstler, der, obgleich noch in gewissem Sinne
zu den Jüngeren gehörend, schon seit fünf bis sechs
Jahren an der Spitze der graphischen Künstler Nord-
Niederlands steht und als Radirer einer der besten Meister
dieser Zeit genannt werden darf. Von einer längeren
Reise in Asien brachte er nebst vielen höchst originellen
Gemälden eine Menge Zeichnungen und Radirungen mit,
in denen er uns das rege Treiben der orientalischen
Strassen, Bazare, Tempel und Bäder vor Augen führt,
nicht mit der oft prosaischen Genauigkeit der Wirklich-
keit, sondern in der mysteriösen Poesie eines Traum-
gesichtes (Ein egyptischerBazar, A uf den Treppen

eines Hindu-Tempels u. s. w.). Vielleicht geschah es
auch ein wenig auf meinen schon vor sechs Jahren in
einem ihm gewidmeten Aufsatz ausgesprochenen Wunsch,
dass Bauer jetzt in Radirungen von sehr grossen Dimen-
sionen mehrere Scenen aus Tausend und einer Nacht
behandelte. Niemand verstand jemals diese orientalischen
Märchen so wie er! Niemand fühlte so wie er die
poetische und pittoreske Originalität dieser schönsten
aller Märchen. Leider können nur Museen und sehr
reiche Sammler diese herrlichen Radirungen ankaufen.
Zu Ende 1898 erschien bei Scheltema und Holkema
in Amsterdam die französische Uebersetzung eines
rumänischen Märchens, »La Jeunesse inalterable«, von
William Ritter, wozu Bauer eine Reihe von kleinen
Radirungen ausgeführt hat, die zu dem Vollkommensten
gehören, was ich von einem modernen Radirer oder
Stecher gesehen habe. Der Künstler gibt Visionen einer
ganzen, vollständigen Scene und strebt nicht nach Einzel-
heiten.
Eine neue Art der Radirkunst erfand ein anderer
hervorragender Nord-Niederländer, Jan Toorop. Er voll-
endete in den letzten Monaten des Jahres 1898 und zu
Anfang 1899 mehrere farbige Radirungen nach einem
neuen Verfahren. Mit wenig mehr als Umrissen und kaum
angedeuteter Beschattung erreicht Toorop in den mir vor-
liegenden zehn bis zwölf Versuchen wirklich überraschende
Wirkungen. Unter mehreren, in Hinsicht derCharakteristik
prächtigen Porträten von Dichtern, Malern, Gelehrten nenne
 
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