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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.4238#0053
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— 49 —

Torte und des schönsten Schaukelpferds. Nun gar erst
in der Schule! Ich erlaubte mir auch schon an anderer
Stelle darauf hinzuweisen, daß sie es lieben, gute Musik
zu hören, süßen Blumenduft zu riechen, von gesunden
Speisen sich zu nähren, ohne dem Musikanten, dem lieben
Gott und der Köchin ihre Anerkennung auszusprechen.
Wenn sie nun — wie viele überhaupt zum erstenmale
in ihrem Leben — ein schönes Bild vor sich sehen, ist es
nur zu begreiflich, wenn sie nicht gleich mit altklugen
Fragen losstürmen, sondern viel erfreulicher, daß sie das
Neue schweigend, sich selbst unbewußt, wie die Schön-
heit des Frühlings und den heitern Sonnenschein in sich
aufnehmen.

Zwangloser Genuß! Das ist das Ziel des künstle-
rischen Schulschmuckes, durch dessen Gewährung
Österreich mit gutem Beispiel vorangeht und damit den
Schwachherzigen, die zu keiner neuen Tat den Mut
finden, den Kaltherzigen, denen schließlich alles gleich-
giltig und die Kunst am überflüssigsten erscheint, und
den Überklugen, die das Bessere zum Feind des Guten
machen, die Wege weist.

Denn es hat nicht an Stimmen gefehlt, denen der
bisherige Vorrat an solchen Werken noch nicht reif
genug war, die noch immer größere Künstler abwarten
wollen und damit das ganze junge Unternehmen ernstlich
gefährden. Es braucht nicht versichert zu werden, daß
nicht jedes der empfohlenen Bilder den höchsten Anforde-
rungen entspricht. Weil man vielen gefallen wollte — aus
verlagstechnischen Gründen wohl auch mußte — gefällt
man allzu vielen und oft gerade jenen am wenigsten, die
es am ernstesten meinen. Aber es wäre doch verkehrt,
die geringen Ansätze einer jungen Saat zu vernichten,
weil der Acker nocht nicht genug gejätet ist. Mich dünkt
vielmehr, je stärker die Saat, desto eher werde man die
Spreu vom Weizen sondern können.

Es ist deshalb auch der Entschluß der Wiener Lehr-
mittelzentrale mit Freude zu begrüßen, welcher ein ähn-
liches Unternehmen zur Schaffung künstlerischer Wand-
bilder ins Leben rufen will. Man darf hoffen, daß die
andernorts hiebei gesammelten Erfahrungen entsprechend
berücksichtigt und insbesondere die Wahl der Entwürfe
nicht allein von Künstlern und Verlegern getroffen
werden. Ihnen müßten unbedingt kunstbegeisterte Lehrer
— allerdings nur solche — und vor allem Kunstkenner
prüfend an die Seite treten. Keiner von ihnen allen
vermag allein die richtige Entscheidung zu treffen: der
Künstler ist durch die Richtung seiner Begabung, der
Verleger durch die Rücksicht auf seinen Erwerb, der
Lehrer durch seinen Beruf, der Kunstkenner durch
gewisse Liebhabereien im Urteil befangen. Zusammen
aber geben sie ein treffliches Kleeblatt, ein Quartett, in
dem ein jeder seinen Mitspieler stützt und treibt, ergänzt
und korrigiert.

Der Mangel eines derartigen mehrstimmigen Rat-
gebers scheint auch zu erklären, warum manche für den
Wandschmuck bestimmte Blätter der letzten Zeit auch

bei den begeistertsten Vorkämpfern einiges Kopfschütteln
hervorrufen müssen. Da hat Karl Bauer in der
Münchener Kunstdruckerei Karl und Weigmann einen
»Goethe« und »Schiller« vervielfältigen lassen, die sich
beide sehr »verändert« haben. So lebt weder der eine
noch der andere vor unserem geistigen Auge! Es war an
sich auch wohl nicht richtig, den herrlichen Kopf Goethes
im Profil zu geben. Die von Weylandt und Bauchwitz
vervielfältigte »Stille Nacht, heilige Nacht« von Erich
Kuithan ist nicht weniger mißlungen. Maria ist in
seligem Entzücken vor dem schlafenden Kindlein in die
Knie gesunken, indes linkerhand die Hirten, rechterhand
die Englein hereinblicken. An sich im Entwurf nicht
übel, gibt Licht und Farbe ein so unerfreuliches
Zusammenspiel, namentlich bei Tag, daß man kein
Behagen daran finden kann. Daß der heilige Josef in
dem allgemeinen Jubel ruhig weiter schläft, ist ebenso
seltsam wie die mächtige Stallaterne, die unmittelbar
vor dem Jesusknaben aufgepflanzt ist, als genügte der
von ihm ausgehende blendende Schimmer nicht zur
Erhellung der Szene. So lebhaft es zu begrüßen ist,
daß endlich außer den Landschaften auch andere der
Kindesseele verständliche Vorwürfe zur Behandlung
gelangen, so muß doch gerade für figürliche Darstel-
lungen die Wahl der Künstlers entschieden eine strengere
werden.

Nach den vielen guten Landschaftsbildern, die
uns der Teubnersche Verlag schon bescherte, ist es auch
unerfindlich, wie man Du Bois-Reymonds »Attische
Landschaft« auf den Markt bringen konnte. Es ist das
reine Feuerwerk an farbigen Knalleffekten. Die Akropolis
in hellgelbem Rampenlicht, Fels und Mauern in allen
Tinten brauner Sauce und darüber blitzfarbene Wolken
in einem Himmelblau, worüber sich der griechische
Originalhimmel selbst vor Scham verfärben würde. Wand-
bilder der angestrebten Art müssen doch, so scheint uns,
wo es nicht gilt, gegenständliches Interesse zu erwecken,
von der großzügigen, alles Kleinliche verschmähenden
Wirkung eines Fresko sein. Die Farbe darf nicht mit
gleicher Aufdringlichkeit und Stärke jedes Fleckchen zu
einer Sehenswürdigkeit für sich stempeln wollen. Daß
kräftige Farbengegensätze dabei doch ein sehr har-
monisches Bild ergeben, lehrt Kallmorgens unüber-
treffliche »Dorfstraße«. Zum Kunstwerk gehört eben
Konzentrazion, die der Beschauer nur erlangt, wenn sie
der Künstler ihm bietet.

Auch bei Blättern wie die »Schwarzwaldtanne«
von Walter Conz gibt es für den Wiener nur den einen
Ausdruck »Farbenkastel«. Man vergleiche die allerliebste
Wirkung dieses Bildes im Schwarzdruck der Reklamhefte
mit dem Original! Dort die einheitlich mächtige Wirkung
eines auf der Höhe vereinsamten Waldriesen,unter dessen
märchenhaft langarmigen Ästen ein ganzes Bauerngehöft
Platz finden könnte — hier im Farbendruck, der noch
dazu dem Karlsruher Künstlerbund entstammt, ein
unglaubwürdiges Gefecht von Farbenschnitzeln, die nie
 
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