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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.4249#0054
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Übrigens ist die aus p. 123 abgebildete Kopie nach B. 22 nicht aus
dem Würzburger Missale von 1484, die Schlußsolgerung also hinsällig.
Wendland hat sehr richtig erkannt, daß Schongauers Bestreben
hauptsächlich dahin ging, mit Hilse des Grabstichels ein geschlossenes
Bild mit voller Wirkung der Körperlichkeit und der Farbe zu gestalten.
Da hätte er denn auch einsehen müssen, daß der Künstler diese Absicht
eben nur durch die Entwicklung seiner Technik erreichen konnte, daß
sür die besonderen Ersordernisse des Kupserstichbildes alle übrigen
Faktoren erst in zweiter Linie in Betracht kommen.
Schongauer ist jung gestorben. Seine ganze Tätigkeit umsaßt
wenig mehr als zwanzig Jahre. Die Natur ist nicht verschwenderisch mit
großen Talenten und nutzt sie aus. Solche Künstler pflegen schnell zur
Reise zu gelangen. Man kann in Schongauers Werk meines Erachtens
überhaupt nicht so starke Qualitätsunterschiede beobachten, wie sie
Wendland seiner Chronologie zum Grunde legt. Mir scheint es an Hyper-
kritik zu streisen, wenn man eine so kurze Künstlerlausbahn sast von Jahr
zu Jahr verfolgen zu können meint. Schongauer zeigt schon in den über-
einstimmend als srüh anerkannten Werken eine solche Meisterschast, daß
die Unterschiede der einzelnen Entwicklungsstusen seiner Kunst nur an
ganz feinen Nuancen gemessen werden können. Daß man sich über die
Chronologie seiner Stiche im einzelnen so schwer einigen kann, beweist,
daß die Verschiedenheiten sehr subtil sind und nicht aus grundsätzlichen
Stiländerungen beruhen können. Für das Wesentliche und Richtige in
Wendlands Aussührungen, daß der Künstler vom Naturalismus zur Stilisie-
rung, vom Komplizierten und Mannigsaltigen zum Einsachen und Klaren
sortschreitet, hat das Verständnis auch vorher nicht gesehlt, wenn man sich
auch weniger emphatisch ausgedrückt hat. Die großen, sigurenreichen
Blätter Schongauers sind von sast allen Forschern sür srüh gehalten, die
Passionsstiche der mittleren und die meisten Einzelsiguren und einsachen
Gruppenbilder der letzten Periode zugewiesen worden.
Ich glaube nicht, daß der Versasser den richtigen Weg zur Lösung
der Ausgabe eingeschlagen hat, und daß seine Aussührungen Klarheit über
die dunklen Punkte des Problems gebracht haben; von seinem Gesichts-
punkte aus hat er aber die Betrachtung mit großer Konsequenz und mit
künstlerischem Verständnis durchgesührt und durch interessante Grup-
pierungen und anregende Vergleichungen und durch manche tressende
Analyse die Einsicht in die Kunst Schongauers gesördert.
Paul Kristeller.
Studien aus Kunst und Geschichte. Friedrich
Schneider zum siebzigsten Geburtstag gewidmet
von seinen Freunden und Verehrern. Freiburg i. B.,
Herder, 1906.
Die Festschrist enthält drei sür die Geschichte der graphischen
Künste nicht unbedeutende Arbeiten. Leo Baer versucht in seinem
Aussatze »Eine Zeichnung des Meisters der Spielkarten«, die
unter Nr. 580 von Meder und Schönbrunner in ihren »Handzeichnungen
alter Meister aus der Aibertina« publizierte Zeichnung, die Maria mit
dem Kinde und den heiigen Paulus in einer Landschast sitzend darstellt,
als ein Werk des Meisters der Spielkarten zu agnoszieren. Den
Meister selbst aber will er aus Grund einer Meinung Henry Thodes, der
die Zeichnung sür eine Arbeit des Konrad Witz hält, mit diesem
identisizieren. Weiter glaubt er in Witz den Ersinder des Kupserstichs
und in der Zeichnung eine Vorübung für den ersten Kupferstich zu
erkennen. Schließlich erklärt er den sogenannten Dreisaltigkeits-
meister für identisch mit dem Meister der Darmstädter Passions-
szenen. Als wichtigstes Ergebnis seiner Arbeit aber stellt er den Nach-
weis hin, daß die Anfänge des Kupserstichs am Oberrhein zu suchen
sind. . . . Alles wohl allzu schön, als daß es wahr sein könnte! —
Alsred Hagelstange sührt in seinem Artikel »Ein Schristchen
über Zeichensprache von 1532, mit Holzschnitten von
Michael Ostendorfer« aus, daß die Illustrationen des seltenen Büch-
leins »Abacus« (ein Exemplar in der Bibliothek des Germanischen
Museums, Nr. 37,790), das von Johannes Aventinus, wie es heißt, aus
Grund einer auf Beda zurückgehenden Vorlage herausgegeben und
von Johannes Kol in Regensburg gedruckt wurde, von Michael

Ostendorfer herrühren. Als Beweise werden das in dem Buch enthaltene
Druckersignet Kols, das eine signierte Arbeit Ostendorfers ist, und die
stilistische Übereinstimmung der Holzschnitte im Abacus vor allem mit
dem Stammbaum der türkischen Sultane (P. 11) angeführt. — Jaro
Springer (»Dürers Probedrucke«) stellt 19 Kupserstiche Dürers
zusammen, von denen es Probedrucke und verschiedene Zustände gibt,
und bildet die beiden Etats des heiligen Paulus von 1514 (B. 50) neben-
einander ab. A. W.
Early Engraving & Engravers in England
(1545—1695). A critical and historical Essay by
Sidney Colvin. London 1905.
Das ganze Werk, ein mächtiger Folioband, zerfällt in zwei Teile,
von denen der erste die durch viele Abbildungen unterbrochene geschicht-
liche Darstellung und der zweite die von erklärenden Texten beglei-
teten 41 Taseln, vorzügliche Heliogravüren, enthält. Hier möchte ich
gleich den einzigen Tadel aussprechen, den ich gegen die ausgezeichnete
Arbeit vorzubringen habe. Ein Nachschlagewerk, wie das vorliegende, hätte
nicht in einem so ungeheuerlichen Format ausgegeben werden sollen.
Die Taseln, die um der Treue der Wiedergabe willen möglichst groß sein
mußten, hätten ja ganz gut in Folio publiziert werden können, der Text
aber hätte unbedingt ein handlicher Oktavband werden müssen. Unter
dem sich auch aus den Text erstreckenden Folioformat leidet einfach die
Benützbarkeit des ganzen Werkes.
Die im Austrage der Trustees des Britischen Museums unter-
nommene Publikation versolgt, wie der Herausgeber in der Einleitung
bescheiden sagt, den Zweck, den Forschern eine Anzahl der schönsten
und charakteristischesten Beispiele des englischen Kupferstichs (das
Wort Kupserstich nur in dem Sinne von Linienstich aus Kupsergenommen),
ausgewählt aus der Sammlung des Britischen Museums, in möglichst
vollkommenen Reproduktionen in die Hand zu geben und mit einem
Texte zu begleiten, der genauer und konsequenter, als dies bisher ver-
sucht wurde, und mit Hilse von erläuternden Illustrationen an dem weiter-
baut, was bisher über Ursprung und Ansänge dieser Kunst in England
bekannt war und als sicher hingestellt werden konnte.
Das Werk behandelt nur die Zeit von Heinrich VIII. bis zu
Wilhelm III. Die heutzutage äußerst seltenen künstlerisch wenig bedeuten-
den Kupferstiche, die damals in England entstanden, waren hauptsächlich
Porträte(EinzelblätterundTitelblätter von Büchern), emblematische Titel-
blätter, Titelblätter mit Emblemen und Porträten, Landkarten und topo-
graphische Ausnahmen. Es ist daher richtig, wenn der Verfasser von
diesen Kupserstichen sagt, daß sie mehr bibliographisches und anti-
quarisches als ästhetisches Interesse in Anspruch nehmen. Doch muß
gleich hinzugesügt werden, daß es der außerordentlichen Darstellungs-
gabe Colvins gelang, dem Gegenstand auch das regste kunstgeschicht-
liche Interesse zu sichern.
Der ungemein übersichtlich disponierte Text gliedert sich in die
eigentliche geschichtliche Darstellung und in drei bibliographische An-
hänge. Jene behandelt im ersten Abschnitt die Stecher unter den letzten
Tudors, im zweiten die unter den ersten Stuarts, unter der Republik
und unter der Restauration. Während der Text das Hauptgewicht auf
die erste, mit dem Tode der Königin Elisabeth endigende Periode legt,
gehören zwei Drittel der Taseln der zweiten Epoche an. Der erste
Appendix gibt ein alphabetisch nach Künstlern geordnetes Verzeichnis
der Arbeiten von Kupserstechern vor der Restauration. Es ist von
Mr. A. M. Hind, Assistant in the Department of Prints and Drawings,
gearbeitet. Hind hat auch einen großen Teil des Materials für den zweiten
Abschnitt beschasst. Der zweite Appendix ist dem Werke »The Byrth of
Mankynde«, der dritte der Baziliuulogia gewidmet.
Von den Kupserstichen Dürers, Lucas' van Leyden, Marc Antons,
ja selbst der Kleinmeister, der Ghisi und verwandter Künstler in Bologna
und Rom war nichts nach England gedrungen. Als die Kunst des Kupfer-
stichs in dem Inselreich bekannt wurde, war sie auf dem Kontinent schon
in ihre zweite Phase eingetreten, die durch künstlerischen Verfall und
mechanische Massenproduktion gekennzeichnet ist. In der Zeit von
1560 bis 1640 waren die Niederlande der Hauptsitz des Kupferstichs.
 
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