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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.4234#0006
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scheint. Der Italiener hat den Hintergrund und die Umrahmung weggelassen, dem Kleid einen Gürtel hinzugefügt,
den Faltenwurf vereinfacht, die Gestalt des Kindes gänzlich umgeändert und die Häupter von Mutter und Kind mit
Heiligenscheinen umgeben. Die vorgenommenen Änderungen gestalten den Druck zu einer Komposition um, die an
Jacopo Bellini erinnert, und es kann als ausgemacht gelten, daß der Stecher wenigstens unter unmittelbarem Einfluß
dieses Künstlers gearbeitet hat. Das zappelnde Kind des nordischen Stiches1 hat augenscheinlich seinem italienischen
Schönheitssinn mißfallen und das Bambino, das er an dessen Stelle setzt, ist mit Ausnahme des etwas weniger
gekrausten Haares ein Typus, fast identisch mit dem auf einem Gemälde Jacopo Bellinis in Lovere (abgebildet in der
Rassegna d'Arte, III, 164). Die Hand, deren Knöchel und Glieder etwas weniger betont sind als beim Meister I A.
nähert sich der an der Madonna, die kürzlich von den Uffizien erworben wurde, zu beobachtenden (siehe Gamba)
Rassegna d'Arte, VI, 59) und die neu hinzugekommene Aureole mit ihrer Inschrift- zeigt völlig die Art desselben
Meisters.

Würde man den nordischen Druck nicht kennen, so könnte man sich versucht fühlen, den italienischen Stich
als die Wiedergabe eines verloren gegangenen Originals Bellinis anzusprechen. Ein Beispiel wie dieses betont den
engen Zusammenhang, der zwischen niederländischer und venetianischer Malerei in jener Zeit besteht, wenn auch die
Kunst des älteren Bellini nicht unmittelbar von den Niederlanden abzuleiten ist.

Es ist vielleicht von einigem Interesse, einen anderen Stich mit den beiden in Rede stehenden zu vergleichen, das
ist die heilige Jungfrau und das Kind von Schongauer, B. 29. Es ist wohl möglich, daß dieses Blatt den Meister I A
beeinflußt hat, dessen Druck wohl kaum früher als um 1470 anzusetzen ist. Vielleicht kannte auch der italienische
Stecher die Arbeit Schongauers: ein Punkt in seiner Umgestaltung stimmt wenigstens damit überein, nämlich die
Form des Gürtels.

Technisch betrachtet steht der italienische Stich einem kleinen Kopf in Medaillonform, den das Britische Museum

besitzt, nahe, der Julia Pia (P. V. 24, 48). Beide
sind schlecht und in dünner Farbe gedruckt, so
daß die Linien unterbrochen und punktiert aus-
sehen. Ob die beiden Blätter ferraresisch sind,
wie Dr. Paul Kristeller annimmt, oder dem vene-
zianischen Gebiet oder der Emilia angehören,
erscheint mir ungewiß.

II. Eine Kopie nach dem Meister E. S.

Die Beliebtheit des Meisters E. S. während
des XV. Jahrhunderts in Italien ist seit langem
erkannt worden und Max Lehrs hat die zahl-
reichen italienischen Entlehnungen aus dessen
Werke sorgfältig verzeichnet3. Es ist interessant,
aber bedauerlich zu sehen, wie der anonyme
Florentiner Stecher der Propheten und Sibyllen
(in der feinen Manier)* die Schönheit seiner
Folge durch die Verbindung mit häßlichen nor-
dischen Elementen ganz zerstört. Tiefe Bewun-

1 Auf diese Einzelheit hin mag der Druck des Meisters
von Zwolle mit einem Dierick liouts zugeschriebenen Ge-
mälde in der Sammlung des Lords Penrhyn verglichen
werden. (St. Lukas, die Muttergottes malend. Friedländer.
Meisterwerke der niederländischen Malerei auf der Aus-
stellung zu Brügge, 1902, Tai". 21.) Ein ähnlicher, etwas
weniger grotesker Typus ist bei Rogier van der Weyden an-
zutreffen (vergl. die Anbetung der Könige und St. Lukas, die
Madonna malend, in München).

2 Madonna und Kind, angebetet von Lionello d' Este
zugeschrieben dem Gentile da Eabriano, im Louvre und eine
Madonna in der Sammlung des Herrn Dr. J. P. Richter (wo
die Inschrift identisch ist). Siehe Rassegna d'Arte,III, 162, 163.

3 Zeitschr. f. bild. Kunst, 1890, S. 324; Jahrb. d. preuß.
Kunstsamml. XII (1891), S. 123.

* Die kaum später als um 1465 angesetzt werden
Meister E. S., St. Georg und der Drache. (B. 78). können.
 
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