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Gründen absehen, gegen die Ausführung der Ätzung durch einen zünftigen Ätzmaler, der die
Teile jeder Waffe unverbunden zu dekorieren pflegte1 und einen Abdruck von der losen Klinge
genommen hätte.
Außer dieser Vermutung schließt aber der künstlerische Charakter der ganzen Arbeit
die Annahme aus, hier habe ein Ätzmaler nach Behams Entwürfen gearbeitet. Nur der leiden-
schaftliche Freund solcher kleinen Formate kann die Szenen aus der alten Geschichte in
dieser virtuosenhaften Zierlichkeit geätzt haben. Und daß daneben die Formen der Ornamentik
auf Hans Sebald Beham schließen lassen, zeigt ein Blick auf die Reben, Weinblätter und die
lappigen, überlangen Akanthusblätter (vgl. Pauli 254 und 255). Rechnet man eine durch die
Technik bedingte Unsicherheit in den Umrissen ab, so läßt sich in der sicheren Führung und
Verschlingung der einzelnen Ranken die Hand des gewandten Ornamentstechers deutlich er-
kennen. Der Typus der männlichen Halbfigur erinnert an P. 255, und die Putten weisen die
derben Körper- und Flügelformen auf, die in Behams Hoch- und Querfüllungen P. 238, 239,
254 wiederkehren. Mit den beiden Historienbildern sind die Radierungen vom Ende des dritten
Jahrzehntes (P. 75—77, 85, 209) und die kleinen Holzschnitte der Beham-Bibel von 1533 in
Komposition und Stil verwandt. Besonders wichtig ist ein Vergleich mit den Radierungen der
zweiten Periode: da erinnert Anacharsis an den Herrn mit den drei Dienern (P. 209), der echte
Behamische Kopf des Antiochus an den Kopf des Porsenna auf P. 85. Unser Pompilius läßt sich
neben den Manlius Torquatus stellen, und die Ecken sind gleichartig mit Weinblättern gefüllt.
Diese Gegenüberstellung wirkt überzeugend, wenn man Behams Nadelarbeit im einzelnen verfolgt:
die rundliche Stirn des Antiochus, sein aus lauter kleinen Schuppen zusammengesetztes Haupt-
und Barthaar, überhaupt die Vorliebe für Häkchen und Schuppen, eine allen Radierungen Behams
gemeinsame Eigenschaft, und diese sicheren, einheitlichen Schraffierungen, welche den Gestalten
etwas Körperhaftes geben.
Die einige Zeit nach unserer Waffenätzung entstandenen Bibelholzschnitte können viel-
leicht noch zum Vergleich herangezogen werden; mit der Solon-Darstellung, haben P. 330 und
331 kompositionell und stilistisch verwandte Züge und die Antiochus-Episode erinnert hie und
da an P. 288 und ähnliche höfische Szenen. Einen Anhalt für die Datierung finde ich in der
Vorliebe für schraffierte Hintergründe, die von 1525 bis 1530 für Beham charakteristisch sind,
und in den recht schlanken Proportionen der Figuren, wie sie ähnlich nur in den Stichen
von 1529 vorkommen. Auf diese Weise scheint nicht nur der Nachweis der Eigenhändigkeit
gelungen, sondern sogar eine ungefähre Datierung möglich. Eine Erwähnung verdient die in
Hochätzung auffallend subtil durchgeführte Schrift; gerade H. S. Beham ist ein Freund solcher
zierlichen Legenden.
Ich glaube, so ausführlich sein zu müssen, weil bisher alle Zuschreibungen von Waffen-
ätzungen und ähnlichen kunstgewerblichen Arbeiten an Meister der Graphik kaum anerkannt
worden sind; die bekannte Tartsche Daniel Hopfers von 1536 in der Armeria Real zu Madrid
bildet eine Ausnahme, denn ihr Meister war ja Ätzmaler von Beruf; indes schon Glockendons
Anteil am Harnisch des Konrad von Bemelberg in Wien ist nicht sicher erwiesen. Hier aber
möchte ich der Regel der Arbeitsteilung, die selten so durchgeführt war, wie gerade in der Zeit
der Renaissance, eine Ausnahme gegenüberstellen. Denn das Coburger Blatt ist als Klingen-
abdruck von einem der frühesten, figürlich verzierten deutschen Schwerter ein aus zwingenden
stilistischen Gründen gesichertes Werk Hans Sebald Behams2 und bisher der einzige Zeuge
direkter Beziehungen eines bedeutenden Künstlers aus der Inkunabelzeit der Radierung zur
Werkstatt des Ätzmalers. Über eine Werkstatt, die solchen Einfluß ausgeübt haben könnte,
will ich eine Vermutung äußern, auf die mich E. Eyßens Hopfer-Forschungen gebracht haben.
Hieronymus Hopfer, dessen technisch verwandtes Porträt Karls V. ich erwähnte, kommt just
15293 nach Nürnberg und könnte — die oben erwähnten Anhaltspunkte für die Datierung weisen
auf diese Zeit hin — das Interesse Hans Sebald Behams für die Ätzkunst wieder geweckt
Abb. 2. Hans Sebald Beham,
Abdruck einer Schwert-
klingenätzung.
1 Vgl. E. Eyßen, Zeitschrift für historische Waffenkunde, Bd. 5, S. 90. Gegen die Annahme, es handle sich um
einen späten Abdruck, sprechen ganz entschieden das Papier, die schlechte Erhaltung, die Schwierigkeit, zum Zweck
eines scharfen Abdruckes aus einer fertigen Klinge das Schwarzlot zu entfernen, ohne die Zeichnung zu beschädigen,
das geringe Interesse für solche Abdrucke und die Geschichte des Blattes.
2 Herr Dr. G. Pauli äußert sich über das Blatt: »Die Ätzung ist zweifellos eine eigenhändige Arbeit Sebald Behams«.
' Vgl. E. Eyßen, Daniel Hopfer, Inauguraldissertation, Heidelberg 1904, S. 35, Anhang 2, C: »uff 28tag Tag
Januarij Anno 1529 Ist Jeronimus hopfer ain Jar zu Nürnberg zewonen vergönnt worden«. 1531 wird H. Hopfer in den
Augsburger Steuerbüchern gelöscht (a. a. 0. S. 33).
Gründen absehen, gegen die Ausführung der Ätzung durch einen zünftigen Ätzmaler, der die
Teile jeder Waffe unverbunden zu dekorieren pflegte1 und einen Abdruck von der losen Klinge
genommen hätte.
Außer dieser Vermutung schließt aber der künstlerische Charakter der ganzen Arbeit
die Annahme aus, hier habe ein Ätzmaler nach Behams Entwürfen gearbeitet. Nur der leiden-
schaftliche Freund solcher kleinen Formate kann die Szenen aus der alten Geschichte in
dieser virtuosenhaften Zierlichkeit geätzt haben. Und daß daneben die Formen der Ornamentik
auf Hans Sebald Beham schließen lassen, zeigt ein Blick auf die Reben, Weinblätter und die
lappigen, überlangen Akanthusblätter (vgl. Pauli 254 und 255). Rechnet man eine durch die
Technik bedingte Unsicherheit in den Umrissen ab, so läßt sich in der sicheren Führung und
Verschlingung der einzelnen Ranken die Hand des gewandten Ornamentstechers deutlich er-
kennen. Der Typus der männlichen Halbfigur erinnert an P. 255, und die Putten weisen die
derben Körper- und Flügelformen auf, die in Behams Hoch- und Querfüllungen P. 238, 239,
254 wiederkehren. Mit den beiden Historienbildern sind die Radierungen vom Ende des dritten
Jahrzehntes (P. 75—77, 85, 209) und die kleinen Holzschnitte der Beham-Bibel von 1533 in
Komposition und Stil verwandt. Besonders wichtig ist ein Vergleich mit den Radierungen der
zweiten Periode: da erinnert Anacharsis an den Herrn mit den drei Dienern (P. 209), der echte
Behamische Kopf des Antiochus an den Kopf des Porsenna auf P. 85. Unser Pompilius läßt sich
neben den Manlius Torquatus stellen, und die Ecken sind gleichartig mit Weinblättern gefüllt.
Diese Gegenüberstellung wirkt überzeugend, wenn man Behams Nadelarbeit im einzelnen verfolgt:
die rundliche Stirn des Antiochus, sein aus lauter kleinen Schuppen zusammengesetztes Haupt-
und Barthaar, überhaupt die Vorliebe für Häkchen und Schuppen, eine allen Radierungen Behams
gemeinsame Eigenschaft, und diese sicheren, einheitlichen Schraffierungen, welche den Gestalten
etwas Körperhaftes geben.
Die einige Zeit nach unserer Waffenätzung entstandenen Bibelholzschnitte können viel-
leicht noch zum Vergleich herangezogen werden; mit der Solon-Darstellung, haben P. 330 und
331 kompositionell und stilistisch verwandte Züge und die Antiochus-Episode erinnert hie und
da an P. 288 und ähnliche höfische Szenen. Einen Anhalt für die Datierung finde ich in der
Vorliebe für schraffierte Hintergründe, die von 1525 bis 1530 für Beham charakteristisch sind,
und in den recht schlanken Proportionen der Figuren, wie sie ähnlich nur in den Stichen
von 1529 vorkommen. Auf diese Weise scheint nicht nur der Nachweis der Eigenhändigkeit
gelungen, sondern sogar eine ungefähre Datierung möglich. Eine Erwähnung verdient die in
Hochätzung auffallend subtil durchgeführte Schrift; gerade H. S. Beham ist ein Freund solcher
zierlichen Legenden.
Ich glaube, so ausführlich sein zu müssen, weil bisher alle Zuschreibungen von Waffen-
ätzungen und ähnlichen kunstgewerblichen Arbeiten an Meister der Graphik kaum anerkannt
worden sind; die bekannte Tartsche Daniel Hopfers von 1536 in der Armeria Real zu Madrid
bildet eine Ausnahme, denn ihr Meister war ja Ätzmaler von Beruf; indes schon Glockendons
Anteil am Harnisch des Konrad von Bemelberg in Wien ist nicht sicher erwiesen. Hier aber
möchte ich der Regel der Arbeitsteilung, die selten so durchgeführt war, wie gerade in der Zeit
der Renaissance, eine Ausnahme gegenüberstellen. Denn das Coburger Blatt ist als Klingen-
abdruck von einem der frühesten, figürlich verzierten deutschen Schwerter ein aus zwingenden
stilistischen Gründen gesichertes Werk Hans Sebald Behams2 und bisher der einzige Zeuge
direkter Beziehungen eines bedeutenden Künstlers aus der Inkunabelzeit der Radierung zur
Werkstatt des Ätzmalers. Über eine Werkstatt, die solchen Einfluß ausgeübt haben könnte,
will ich eine Vermutung äußern, auf die mich E. Eyßens Hopfer-Forschungen gebracht haben.
Hieronymus Hopfer, dessen technisch verwandtes Porträt Karls V. ich erwähnte, kommt just
15293 nach Nürnberg und könnte — die oben erwähnten Anhaltspunkte für die Datierung weisen
auf diese Zeit hin — das Interesse Hans Sebald Behams für die Ätzkunst wieder geweckt
Abb. 2. Hans Sebald Beham,
Abdruck einer Schwert-
klingenätzung.
1 Vgl. E. Eyßen, Zeitschrift für historische Waffenkunde, Bd. 5, S. 90. Gegen die Annahme, es handle sich um
einen späten Abdruck, sprechen ganz entschieden das Papier, die schlechte Erhaltung, die Schwierigkeit, zum Zweck
eines scharfen Abdruckes aus einer fertigen Klinge das Schwarzlot zu entfernen, ohne die Zeichnung zu beschädigen,
das geringe Interesse für solche Abdrucke und die Geschichte des Blattes.
2 Herr Dr. G. Pauli äußert sich über das Blatt: »Die Ätzung ist zweifellos eine eigenhändige Arbeit Sebald Behams«.
' Vgl. E. Eyßen, Daniel Hopfer, Inauguraldissertation, Heidelberg 1904, S. 35, Anhang 2, C: »uff 28tag Tag
Januarij Anno 1529 Ist Jeronimus hopfer ain Jar zu Nürnberg zewonen vergönnt worden«. 1531 wird H. Hopfer in den
Augsburger Steuerbüchern gelöscht (a. a. 0. S. 33).