Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1910

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8342#0063
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 59 —

Auf der Ausstellung des »Vereins Moskauer Künst-
ler« befanden sich einige farbige Radierungen von W.
Timorew, die ihre Pariser Herkunft nicht nur in den
Sujets, sondern auch in der ganzen Mache verrieten,
ohne etwas Eigenes hinzuzufügen. Von sonstigen gra-
phischen Arbeiten auf dieser Ausstellung wären noch die
famosen Tuschskizzen St. Noakowskis zu erwähnen.
Wie gewöhnlich waren es architektonische Rekonstruk-
tionen in ganz eigenartiger Faktur, denen man immer
wieder gern begegnet. P. Ettinger.

New York. Graphische Ausstellungen. —
Während die einzige öffentliche Graphiksammlung
in New York, die Lenox Library, anläßlich des Hudson-
Fulton-Jubiläums von ihren Kunstschätzen, die besonders
auf modernem Gebiete (mit der Averey Collection) so
hervorragend sind, dem Publikum nichts zeigte, sondern
statt dessen historische und kulturhistorische Dinge vor-
führte, bemühten sich die großen Händler, ihren Aus-
stellungen bei dieser Gelegenheit ein besonders festliches
Gepräge zu geben. Die Firma Wunderlich & Co. hatte
eine herrliche Sammlung Whistlerscher Lithographien
beisammen und Frederick Keppel & Co. zeigte eine An-
zahl von Handzeichnungen alter Meister, von denen ein
Teil schon durch eine Ausstellung bei Obach in London
bekannt war. Außer zwei Rembrandt-Blättern, von denen
der aus Liphartschem Besitz stammende Löwe (nach
links gewendet) besonders schön ist, sah man ein aus-
gezeichnetes Blatt von Adriaen van Ostade, eine Drei-
figurenkomposition (»Trinkende Bauern«, in Feder und
Tusche) von einer Kraft des Ausdruckes und von einer
Schärfe der Charakteristik, wie sie Ostade nicht sehr
häufig hat und wie man sie sonst bei Brouwer zu finden
erwartet. Den Clou der kleinen Sammlung aber bildeten
acht Zeichnungen von Claude Lorrain. Einige darunter,
wie die »Flucht nach Ägypten«, ein bezeichnetes Blatt
(»Claude de Lorence«), das Sir Thomas Lawrence und
dann William Esdaile besaßen, waren vortrefflich, aber
nicht überraschend. Andere dagegen, ganz leicht gear-
beitete Sachen, Landschaften, unmittelbar vor der Natur
aufgenommen, zeigen eine Freiheit und Beweglichkeit
der Anschauung von entzückendem Reiz. Sie sind nicht
sehr geschickt, ja manchmal sogar etwas unbeholfen in
ihrem punktierenden Gekritzel; aber sie sind voll von
Raum und Luft und Licht. Kunsthistorisch am meisten
interessierte eine große heilige Barbara, in weißer Tusche
auf blaugrau grundiertes Papier gezeichnet, die auf den
Namen Hans Brosamers getauft ist. Die Zuschreibung
überzeugt vollkommen, es ist Brosamers Figurenstil. Der
etwas dicke Kopf mit dem drahtartig gekräuselten ab-
flatternden Haar und die dünnen, im Gelenk stark ge-
knickten Hände sind charakteristisch für ihn; auch die
Behandlung des Gewandes ist die gleiche wie wir sie von
den Stichen und den Berliner Zeichnungen her kennen.

Im November veranstaltete dieselbe Firma, wohl
als Ergänzung zur Holländerausstellung im Metropolitan

Museum, eine Rem-
brandt - Ausstellung,
Radierungen von meist
berühmter Provenienz
wie Webster, Sträter,
Lanna, Hubert. Die
Qualität war durch-
gehend sehr hoch,was
der Sammlung den
Charakter einer Er-
lesenheit gab, wie er
bei Ausstellungen von
diesem Umfang (99
Nummern) sehr selten
ist. Von besonderem
Interesse waren der
zweite und dritte Zu-
stand des Clement

de Jon°'he aus den Hans Brosamer, Heilige Barbara. Zeichnung.

Sammlungen Hubert Mit Erlaubnis von R KePPel & Co-
(II.) und v. Lanna (III.). Es traf sich glücklich, daß man zur
gleichen Zeit einen Abdruck des ersten Zustandes bei
dem Händler R. Ederheimer sehen konnte.

In den Ausstellungsräumen dieser jungen Firma
traf man eine nach der Druckqualität sehr gewählte Samm-
lung von Italienern aus dem Anfang des XVI. Jahrhunderts,
Marc Anton und seine Schule, sowie die Clair-obscur-
Meister. Die Marc-Anton-Stiche stammen zum großen
Teil aus der Engelmann-Sammlung. Vom Parisurteil,
Bartsch 245, waren, außer einem ganz späten für Ver-
gleichszwecke interessanten Abdruck der retuschierten
Platte, die beiden Zustände in schönen Exemplaren
vorhanden, auch der sehr seltene erste, auf dem die feinen,
von Delaborde festgestellten Untertonlinien deutlich zu
sehen sind. Der berühmte Bethlehemitische Kindermord
war in beiden Fassungen, Bartsch 18 und Bartsch 20,
mit sehr guten Abdrucken vertreten. Der Vermerk des
Katalogs, daß wohl beide Platten von Marc Anton
selbst stammen (die alte Ansicht von Malvasia und auch
die Überzeugung von Ottley), deckt sich wohl mit der
Ansicht der meisten Forscher heute. Der Grund dafür,
daß Marc Anton sich hier selbst kopierte, ist wohl darin
zu suchen, daß die Platte, zu der ja Raffael selbst beson-
ders viele Zeichnungen geliefert hatte, sehr stark in An-
spruch genommen wurde und in verhältnismäßig kurzer
Zeit unbrauchbar war, so daß das Geschäft die Mühe
lohnen mochte. Ein anderer, ein Schüler etwa, hätte doch
wahrscheinlich auch genauer kopiert und den Ausdruck
der Gesichter nicht so verändert, wie es in der Tat ge-
schehen ist; die Abweichungen sind ziemlich beträchtlich:
in der Fassung ohne das Bäumchen ist mehr dramatisches
Leben in den entsetzten Gesichtern.

Der Katalog dieser Ausstellung ist wissenschaftlich
gut und sorgfältig gearbeitet, mit genauer Angabe der
Etatverschiedenheiten, der Provenienz, des Wasserzeichens
und der Literatur. Nur die Notiz im Vorwort, daß die
 
Annotationen