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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.3630#0035
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31 —

Moritz von Schwind, Zeichnung zu Pyrkers »Rudolphias« (1. Gesang).

Moritz von Schwind, Zeichnung zu Pyrkers »Rudolphias« (2. Gesang).

Es galt also, aus den Schwindschen Blättern und ihren Geheimzeichen die Wurzeln der Entstehung zu erschließen.
Vielleicht fand sich im Freundeskreise Schwinds einer der Dichter, dessen Werk im neunten Gesänge mit jeweils 500
bis 600 Versen etwa mit einem der Blätter zusammenfiel? Aber weder Bauernfelds, noch Grillparzers, noch auch
Lenaus Werke gaben einen dazugehörigen Stoff: Ritterzeit, Kampf zwischen Licht und Dunkel, dämonische Mächte
und religiöses Vertrauen.

Wenn alle Künste der Forschung versagen und wenn auch die Überlieferung schweigt, müssen Zufälle helfen.
Das Stöbern in alten Literaturgeschichten nach fernliegenden, verdämmernden Namen führte zunächst zu nichts, denn
die immer fortschrittliche Historik siebt die nicht nachwirkenden, keine Schulfolge habenden Dichterpersönlichkeiten
rasch und entschieden aus. Ein tödliches Verschweigen läßt die einst berühmten Dichter und Werke bald unerkennbar
vor dem aufleuchtenden Glanz neuer Gestirne und Welten erbleichen. Da stößt man dann, in Literaturberichten rückwärts
blätternd, auf Bataillone derer, die vom Dunkel der Zeiten überschattet zu werden beginnen.

Der literaturgelehrte Münsterpfarrer zu Konstanz, G. Brugier, hat es sich gewiß nicht träumen lassen, daß die
ersten zwei Auflagen seiner vom christkatholischen Standpunkt aus geschriebenen Literaturgeschichte dem einstigen
Patriarchen von Venedig, L. Pyrker, das literarische Leben ins XX. Jahrhundert retten würden. Ein reiner Zufall spielte
mir die 2. Auflage seiner »Geschichte der deutschen Nationalliteratur« in die Hände. Unter den »noch rückständigen
Dichtern von einiger Bedeutung« aus der Mettemichschen Zeit ist dort auf Seite 471 Ladislav Pyrker von Felsö-Eör
(Oberwart) 1772 bis 1847 angefühlt und unter seinen, aus sämtlichen mir zugänglichen Bibliotheken verschwundenen
Werken außer den biblischen Bildern, den »Perlen der Vorzeit« die »Tunisias« und die »Rudolphias« verzeichnet. In
späteren Auflagen und in größeren reichsdeutschen Literaturhandbüchern der neueren Zeit fehlen Name und Werke des
warm loyalen österreichischen Dichters, der in seiner Heimat doch wohl noch lebendig ist. In denselben Tagen, da
mir diese österreichische Dichtergestalt historisch wieder bekannt wurde, bringt ein zufällig zugesandter Antiquariats-
 
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