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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.3630#0050
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Ahh 5 Jacopo Bellmi, Die drei Lebenden und die drei roter

oft bei Künstlern, von denen viele Handzeichnungen erhalten sind, sehen wir auch hier, wie die erste Idee der Gesamt-
komposition aussah, wie sie sich wandelt und wie etwas anderes daraus wird, das doch nicht verkennen läßt, wovon
der Künstler ausging. Sogar das Format ist bisweilen geändert, ein großes Querformat wird hochgestellt, die Landschaft
wird konzentrierter, aus mehreren Teilen wird ein Hauptplan geschaffen, während die Einzelheiten, wie Berge, Burgen,
Bäume abwechslungsreicher gestaltet werden und zahlreiche, liebevoll ausgeführte Tiere die Gegend beleben. Zu
diesen Tieren finden sich wieder Studien auf eigenen Blättern, ebenso wie Jacopo die Figuren sorgfältig in weit
größerem Maßstabe an anderen Stellen ausführte. Schließlich aber ist der Concetto vollendet worden; eine Zeichnung,
immer erkennbar an der sorgfältigen Ausführung, scheint die befriedigende Lösung gebracht zu haben. Als Beispiele
seien zwei Vorstudien (Abb. 7, Band I, 47, und Abb. 8, Band I, 25) zu den besprochenen Darstellungen der Stigma-
tisation des heiligen Franz« (Abb. 2) und zur »Auferstehung Christi« (Abb. 3) abgebildet.

Ein ähnliches Verhältnis, wie wir es bei den Landschaftsstudien in den beiden Bänden zu einander fanden, besteht
auch für die Architekturzeichnungen, nur daß das Wiederaufgreifen desselben Motives seltener ist und die allgemeinen
Teile, wie Stiegen, Höfe, Einblicke, Bogen, Säulen und zahllose Architekturdetails immer wieder verwendet und
ausgestaltet werden. Der Vorgang aus der Passion Christi oder der Geschichte der Maria, den Jacopo in diese Säulen-
hallen, Basiliken oder Profanbauten verlegt, scheint ihm gleichgültig zu sein, denn er kehrt hier nicht, wie wir es bei
den Landschaften sahen, häufig zu einer ähnlichen, auf Grund neuer Beobachtungen verbesserten Gesamtkomposition
zurück. Während seine Vorstellung von der landschaftlichen Szene, die er darstellen wollte, mit der Storia offenbar
untrennbar verknüpft war und nur durch mehrere Stadien gehen mußte, um ihm vollständig klar zu werden und zu
gelingen, bildeten die Architekturen einen im Grunde indifferenten Hintergrund für die Erzählung, oder genauer gesagt,
der Vorwand der Erzählung übte keinen Zwang auf seine Architekturphantasien. Infolgedessen findet es sich nur
einigemal, daß er eine und dieselbe architektonische Ansicht öfter zeichnet, vom Einfachen zum Komplizierteren
fortschreitend. Es ist schwieriger, seine Entwicklung in diesen Zeichnungen zu verfolgen, doch ergeben sich auch in
der Fülle der Architekturentwürfe sichere Etappen, die sein Streben und sein Fortschreiten deutlich erkennen lassen.

Im Londoner Skizzenbuch finden sich die frühesten, noch nicht gelungenen Versuche auf diesem Gebiete. Aut
Blatt 15 ist zum Beispiel versucht, die Verkürzung der Stiege mit dem Dache des Hauses in Einklang zu bringen,
während auf der rechten Hälfte des Blattes Stufen, Unterbau und Obergeschoß richtig zusammengestimmt sind, und
nur die angedeutete Fortsetzung, das andere Haus mit dem Turm, in die Konstruktion nicht einbezogen ist. Auch der
erste Versuch, einen Durchblick zwischen zwei Häusern darzustellen (Band I, 59), ist mißglückt, denn jede der beiden
Seiten ist für sich konstruiert, so daß der Hauptpunkt für die linke Wand (vom Beschauer) nach rechts verschoben und
etwas tiefer ist als der der rechten Seite. Auch die Darstellung eines Hofes, also eines architektonischen Komplexes
(Band 1, 58), bereitete große Schwierigkeiten und während die rechte Seite des Hauses richtig konstruiert ist, verlaufen
die Linien der Rückwand noch willkürlich. So wie Jacopo das Skelett eines Hauses zeichnete, um unbehindert von
 
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