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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.3630#0051
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Abb. 6. Jacopo Bellini, Der heilige Christophorus.

verdeckenden Mauern die Verkürzungen durchzufuhren, so studierte er auch Balken und Rippen, die das Gerüst eine
Tonnengewölbes bilden. Von diesen Studien ging er zu den Tonnenwölbungen in Stein über, behielt aber gelegentlich
auch das bloße Gerüst in sehr geschickter Weise bei (Abb. 12).

Wieder sollen einige ausgewählte Beispiele zeigen, wie Jacopo in den Architekturzeichnungen vom Einfachen
zum höchst Komplizierten fortschritt. Abb. 9 zeigt einen frühen Versuch, ein Tonnengewölbe, einen Ausblick in eine
Gasse und davor einen Tisch perspektivisch richtig darzustellen.1 Obwohl die verstärkten Linien gewiß erst später
nachgezogen wurden, also nicht maßgebend sind, ist es unverkennbar, daß es sich hier um eine Konstruktion handelt.
Diese Zeichnung beruht nicht nur auf Beobachtung, sie soll vor allem wissenschaftlich richtig sein. Alle diese
Architekturlinien und die Geraden, die die Tischfüße verbinden, sind Richtungslinien, zu einem Punkt orientiert; es
scheint somit, daß Jacopo entweder das Gesetz vom Hauptpunkt schon kennen gelernt oder selbst gefunden hatte.
Mir ist das letztere wahrscheinlich, denn es finden sich nach Raumauffassung und Einzelheiten gleichzeitige Zeichnungen,
die teils richtig zu einem Punkte hin konstruiert sind, teils zu mehreren Punkten. Wenn wie auf Abb. 9 nur ein
Raum in Betracht kam, so war Jacopo sich über das perspektivische Grundprinzip klar. Wenn er aber wie auf Abb. 10
die Außenansicht eines Tempietto mit dessen Innenansicht, die in den Innenraum und die Kuppel zerfiel, darstellen
wollte, schien ihm das Gesetz in seiner Einfachheit nicht anwendbar und wir finden die Zeichnung zu drei ungefähr
senkrecht übereinanderliegenden Punkten orientiert. Die Kuppel hat ihren eigenen Fluchtpunkt, die Seitenwände sind
mit einigen Dingen außerhalb des Tempels und der seitlichen Begrenzungen der Grundflächen zusammengestimmt,
während die vorderen Kanten des Fußbodens einen Hauptpunkt für sich allein haben. Darum scheint es mir, daß er
nur in tastenden Versuchen gewann, was die Theoretiker in Florenz um diese Zeit schon schriftlich niederlegten.
Wären ihm die Grundgesetze der Perspektive vom Haupt- und Distanzpunkt von anderen Künstlern mitgeteilt worden,
so wären Zeichnungen wie dieses Tempietto unmöglich neben anderen (wenn auch einfachen) richtig konstruierten
gewesen. Wer die Regel als solche kennt, wendet sie immer an; es liegt aber im Wesen des Suchens und Findens,
sich zuerst über einfache Fälle klar zu werden und dann nach dem Mißlingen einiger komplizierter Versuche zu
richtigen Lösungen schwieriger Kombinationen überzugehen. Abb. 11 zeigt den »Tempelgang Maria« in einer hohen
offenen Basilika; der Vordergrund ist durch das Zerlegen in zwei Plattformen, die durch eine kurze Treppe verbunden

11,is Sujet dieser Zeichnung ist unklar.
 
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