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Christi auslöste, ist nicht nachweisbar.
Vasaris Erwähnung von Jacopos Maie-
reien ist nur ganz summarisch, und die
unverläßlichen Berichte Sansovinos
und Ridolfis wirken auch nicht weiter
aufklärend, da sie zwar Sujets anführen,
die in den Skizzenbüchern vorkommen,
andere aber wieder häufig von Jacopo
gezeichnet wurden, ohne daß sie als
Fresken oder Tafelbilder in der Literatur
überliefert sind. Jacopos Zeichnun-
gen entstanden um ihrer selbst
willen und die ausgeführten
Zeichnungen sind selbständige
Werke der bildenden Kunst, die
als solche ihren Platz in der großen Ent-
wicklung des Quattrocento einnehmen.
Es scheint mir nicht richtig, Handzeich-
nungen als ein spezielles Gebiet der
bildenden Kunst herauszuheben und
auf Grund ihrer Technik gesondert zu
behandeln. Denn weil die Handzeich-
nung meist eine Abbreviatur kompli-
zierterer Darstellungsmittel und für
eine andere Technik gedacht ist, darf
man diese bequeme Vereinfachung
nicht als eine eigene Kunstform auf-
fassen. Wenn jedoch, wie bei Jacopo
Bellini, Handzeichnungen nicht nur
andeutend die Idee des Künstlers fest-
halten sollen, sondern mit Ausführlich-
keit und Genauigkeit ihren Gegenstand
wiedergeben und erschöpfen, so daß
ihnen nur die Farbe fehlt, um Gemälde
zu sein, darf man sie wieder nicht aus
der Entwicklungsreihe der gemalten
Darstellungen ausschalten, ohne ihre
Bedeutung zu verkennen und in jener
Reihe Lücken zu lassen.
Abb. 11. Jacopo Bellini, Tempelgang Maria Jacopo Bellini hatte Gelegenheit,
von Gentile da Fabnano beeinflußt zu
werden. Auf die Kontroversen über die Frage, ob Jacopo mit jenem Lehrling identisch war, der in der Bottega des
Gentile da Fabriano in Florenz arbeitete und dort in einen unangenehmen Prozeß verwickelt wurde, möchte ich nicht
mehr eingehen.1 Auch die verschiedene Auffassung des Wortes »praeceptor« in der beglaubigten Schrift unter der
Kreuzigung des Domes zu Verona2 soll unerörtert bleiben. Es ist durchaus nicht so wichtig festzustellen (was
übrigens unmöglich ist), ob jener Notar sich geirrt, als er den Namen von Jacopos Vater niederschrieb; nicht einmal,
ob Jacopo nur zur Zeit von Gentile da Fabnanos Aufenthalt in Venedig zu ihm in Beziehungen stand oder auch später
in Florenz und Rom, läßt sich an Wichtigkeit mit der Frage vergleichen, auf die allein es ankommt, ob Jacopo von
Gentile gelernt hatte und was sich von der Kunst des Umbrers in seinem Stil erhielt. Da uns die Kenntnis von Gentile
1 Die Frage wird in der Literatur immer wieder erörtert, so daß es überflüssig ist. die Stellen zu zitieren. Zuletzt geirt Testi, a. a. 0. I[
pag. 166ff., wieder darauf ein. Er beginnt den Absatz mit den Worten: »Avanti di esaminare l dipinti e i disegni del maestro converrä dire qualcbe
cosa sull' origine delle forme e dell' arte di Jacopo Bellini«, fuhrt aber diese Absieht nicht aus. sondern beschränkt sich darauf, sieh mit L. Venturi
in einer höchst persönlichen und unsachlichen Art auseinanderzusetzen. Ich gehe deshalb auch nicht detailliert auf seine eigenartigen und inkonse-
quenten Urteile ein. Übrigens liegt eine Kritik der Literatur durchaus nicht in den Zielen dieses Aufsatzes.
2 Crowe und Cavalcaselle, »Geschichte der italienischen Malerei«, Leipzig. 1873, V, pag. 109.
Christi auslöste, ist nicht nachweisbar.
Vasaris Erwähnung von Jacopos Maie-
reien ist nur ganz summarisch, und die
unverläßlichen Berichte Sansovinos
und Ridolfis wirken auch nicht weiter
aufklärend, da sie zwar Sujets anführen,
die in den Skizzenbüchern vorkommen,
andere aber wieder häufig von Jacopo
gezeichnet wurden, ohne daß sie als
Fresken oder Tafelbilder in der Literatur
überliefert sind. Jacopos Zeichnun-
gen entstanden um ihrer selbst
willen und die ausgeführten
Zeichnungen sind selbständige
Werke der bildenden Kunst, die
als solche ihren Platz in der großen Ent-
wicklung des Quattrocento einnehmen.
Es scheint mir nicht richtig, Handzeich-
nungen als ein spezielles Gebiet der
bildenden Kunst herauszuheben und
auf Grund ihrer Technik gesondert zu
behandeln. Denn weil die Handzeich-
nung meist eine Abbreviatur kompli-
zierterer Darstellungsmittel und für
eine andere Technik gedacht ist, darf
man diese bequeme Vereinfachung
nicht als eine eigene Kunstform auf-
fassen. Wenn jedoch, wie bei Jacopo
Bellini, Handzeichnungen nicht nur
andeutend die Idee des Künstlers fest-
halten sollen, sondern mit Ausführlich-
keit und Genauigkeit ihren Gegenstand
wiedergeben und erschöpfen, so daß
ihnen nur die Farbe fehlt, um Gemälde
zu sein, darf man sie wieder nicht aus
der Entwicklungsreihe der gemalten
Darstellungen ausschalten, ohne ihre
Bedeutung zu verkennen und in jener
Reihe Lücken zu lassen.
Abb. 11. Jacopo Bellini, Tempelgang Maria Jacopo Bellini hatte Gelegenheit,
von Gentile da Fabnano beeinflußt zu
werden. Auf die Kontroversen über die Frage, ob Jacopo mit jenem Lehrling identisch war, der in der Bottega des
Gentile da Fabriano in Florenz arbeitete und dort in einen unangenehmen Prozeß verwickelt wurde, möchte ich nicht
mehr eingehen.1 Auch die verschiedene Auffassung des Wortes »praeceptor« in der beglaubigten Schrift unter der
Kreuzigung des Domes zu Verona2 soll unerörtert bleiben. Es ist durchaus nicht so wichtig festzustellen (was
übrigens unmöglich ist), ob jener Notar sich geirrt, als er den Namen von Jacopos Vater niederschrieb; nicht einmal,
ob Jacopo nur zur Zeit von Gentile da Fabnanos Aufenthalt in Venedig zu ihm in Beziehungen stand oder auch später
in Florenz und Rom, läßt sich an Wichtigkeit mit der Frage vergleichen, auf die allein es ankommt, ob Jacopo von
Gentile gelernt hatte und was sich von der Kunst des Umbrers in seinem Stil erhielt. Da uns die Kenntnis von Gentile
1 Die Frage wird in der Literatur immer wieder erörtert, so daß es überflüssig ist. die Stellen zu zitieren. Zuletzt geirt Testi, a. a. 0. I[
pag. 166ff., wieder darauf ein. Er beginnt den Absatz mit den Worten: »Avanti di esaminare l dipinti e i disegni del maestro converrä dire qualcbe
cosa sull' origine delle forme e dell' arte di Jacopo Bellini«, fuhrt aber diese Absieht nicht aus. sondern beschränkt sich darauf, sieh mit L. Venturi
in einer höchst persönlichen und unsachlichen Art auseinanderzusetzen. Ich gehe deshalb auch nicht detailliert auf seine eigenartigen und inkonse-
quenten Urteile ein. Übrigens liegt eine Kritik der Literatur durchaus nicht in den Zielen dieses Aufsatzes.
2 Crowe und Cavalcaselle, »Geschichte der italienischen Malerei«, Leipzig. 1873, V, pag. 109.