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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.3630#0070
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66

PATER ABRAHAM MISERERE MEI,c\T MITTE LAZARVMA'T INTINGAT EXTREMVM DIGITI SVI
IN AQVAM.VT REFRIGERET LINGVAM MEAM,OVIA CRVCIOR IN HAC FLAMMAlvcxvi

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Der reiche Prasser und der arme Lazarus.

Stich von Ägidius Sadeler nacii Palma giovine.

»Wo flugs an einer Stell' ich aufrecht sah
Drei Höllenfurien, befleckt mit Blute,
Von weibermäß'ger Bildung und Geberde;
Grasgrüne Schlänglein trugen sie als Gürtel;
Schlänglein und Ottern dienten statt der Haare,
Die um die Schläfe her sich wanden.
Und er, der wohl die Dienerinnen kannte

Der Königin des Reiches ew'ger Klage:
»Sieh'«, sprach er, »die Erinnven, die grimmen!
Dies ist Megära, dort zur linken Seite;
Die da zur rechten, welche weint, Alecto;
Tisiphone inmitten,« — darauf schwieg er.
Die Brust zerkrallte jede mit den Nägeln,
Schlug mit den Händen sich und schrie so laut,

Daß ich aus Furcht mich an den Dichter drängte. •<

Falls zwischen dem Text und dem Relief in der Tat ein Zusammenhang bestehen soll, so ist dieser offenbar nur
äußerlich; außer der Weiblichkeit der Hauptfigur und den Schlangen in ihren Haaren ist auch nichts, was mit der
Dichtung zusammenginge. Statt der drei thronenden Gestalten ist nur eine einzige, von drei Teufeln getragene greise
Frau, der ein vierter Teufel Schlangen in die rechte Hand reicht; andere Schlangen kriechen ihr im Haar, ein ganzes
Bündel hält ihre Linke; die Teufel ziehen und schieben sie immer tiefer in die züngelnden Flammen hinein, wo der
furchtbare Höllenhund seine drei Köpfe emporreckt. Die Frau kann sich nicht wehren, so fest packen sie ihre Peiniger,
aber das schmerzverzerrte Gesicht wendet sie nach links hin und sieht dort ein seliges Glück, das ihr versagt ist: Hinter
dem letzten Teufel links oben enden die Ringeln des flammenden Reliefgrundes und auf den Wolken des Himmels
steht ein Engel und stützt einen Menschen unter den Armen. Engel und Mensch stehen einander gegenüber, im
innigen Anschauen versunken sehen sie nicht die arme Seele, die im Fegefeuer schmachtet.

Und diesen Gegensatz der verdammten und glücklichen Seele, der in logischer Konsequenz eine Allegorie des
Neides abgeben mußte, wollte der Künstler in seinem Relief bringen.

Die letzte Quelle zu dieser Komposition liegt in dem Stich Eg. Sadelers nach der Ei findung des Jacopo Palma,' der
in verwandter Gruppierung den reichen Prasser in der Hülle und Lazarus im Schöße Abrahams aus dem Evangelium

l Hidolfi, Delle Maravighe, P. II., S. 184.
 
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