MITTEILUNGEN
DER
GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.
BEILAGE DER -GRAPHISCHEN KÜNSTE,,.
1927. WIEN. Nr. 1.
Studien und Forschungen.
Eine Zeichnung Wolf Hubers aus dem Jahre 1518.
IE1 Kenntnis des künstlerischen Werkes Wolf Hubers, das — nachdem H.A. Schmid
»maitre initiateur« gewesen — von Hermann Voß in seinem jugendfrischen
Buche »Der Donaustil« eingehende Schilderung und Wertung erfahren und
vor fast zwanzig Jahren vom Schweizer Riggenbach mit großer Urteilskraft
und Genauigkeit zusammengestellt worden war, hat in der letzten Zeit sich
bereichert und — vor allem was die Landschaftsdarstellung betrifft — vertieft;
auf diesem Gebiete ist der Künstler in die vorderste Reihe deutscher Zeichner
eingetreten.
Wolf Huber erscheint in allen Entwicklungsphasen als eigene Persön-
lichkeit, oft lyrisch, oft voll Ungestüm und Derbheit — haben wir Deutsche
nicht viele so veranlagte Künstler? — und der ihm eingeborene Rhythmus
war stark genug, dem Federstriche leicht erkennbare Form und eigenes Leben
zu verleihen. Aus dem Werke Albrecht Dürers suchte sich Huber wiederholt
Motive heraus, sie sofort aus der neugeschaffenen, gewaltigen Schriftsprache
— wenn man so sagen darf — dieses Großen in den eigenen Dialekt umsetzend. Auch zum Werke Altdorfers, der
vornehmer und phantasiereicher war, führt so manche Brücke und wir wundern uns nicht, künstlerische Wandlungen
des Regensburgers bei ihm sich wiederholen zu sehen, bestimmte Eigentümlichkeiten wiederzufinden. Schon in seiner
frühen Epoche liebte es Altdorfer, in seinen Zeichnungen die Helldunkelmanier2 zu verwenden, anfänglich zur stärkeren
Durchbildung der Reliefplastik, dann immer mehr zur Steigerung phantastischer Lichtreize. Das Jahr 1512 bringt nicht
weniger als 12 solcher Zeichnungen, die nicht am Ende irgendwelche Vorarbeiten oder Studien, sondern völlig in sich
abgeschlossene Eigenwerte darstellen.3 Nach 1514 scheint Altdorfer, wie Friedländer meint, keine figurenreichere Kom-
position in Helldunkelzeichnung ausgeführt zu haben, einer bestimmten Gestaltungsgewohnheit rasch überdrüssig
werdend.4 Ähnlich, aber noch auffälliger finden wir 1518 bei Huber, der bis dahin in reiner, nur selten stärker laviertet'
Federzeichnung5 gearbeitet hatte, nicht weniger als sieben in sich abgeschlossene, keinem vorbereitenden Zweck
dienende Helldunkelzeichnungen. Von ihnen sind — während Altdorfer in phantasievoll-erfindungsreicher Art graue,
braune, blaue und rote Grundfarben verwendet6 — fünf auf hellbraun, die in Bayonne und Dessau7 auf rotbraun
grundiertem Papiere (marron).
1 Initiale aus der deutschen Bibel des Erasmus Stratter, Pergamenthandschrift von 1469 in der Universitätsbibliothek zu Graz. Man. IV. 48,
publiziert von Ferdinand Eichler 1908. Der Miniator hieß Ulrich Schreier, der auch — wie Eichler nachgewiesen — gemeinsam mit B. Furtmeyr
arbeitete (Missale Clm. 15708—12, München). — - Max J. Friedländer, A. Altdorfer S. 14 f. — Joseph Meder, Die Handzeichnung. Wien 1919. S. 48.
:i Max J. Friedländer, a. a. O., S. 62. — 4 Max J. Friedländer, a. a. O., S. 68. — 5 Hl. Christophorus. Basel, Kupferstichkabinett. — e Friedländer,
a. a. O. S. 15. Meder, a. a. O., S. 49, Anm. 1. — 7 Abb. bei Becher, Handzeichnungen alter Meister aus Privatsammlungen, Leipzig 1922, Taf. 5.
DER
GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.
BEILAGE DER -GRAPHISCHEN KÜNSTE,,.
1927. WIEN. Nr. 1.
Studien und Forschungen.
Eine Zeichnung Wolf Hubers aus dem Jahre 1518.
IE1 Kenntnis des künstlerischen Werkes Wolf Hubers, das — nachdem H.A. Schmid
»maitre initiateur« gewesen — von Hermann Voß in seinem jugendfrischen
Buche »Der Donaustil« eingehende Schilderung und Wertung erfahren und
vor fast zwanzig Jahren vom Schweizer Riggenbach mit großer Urteilskraft
und Genauigkeit zusammengestellt worden war, hat in der letzten Zeit sich
bereichert und — vor allem was die Landschaftsdarstellung betrifft — vertieft;
auf diesem Gebiete ist der Künstler in die vorderste Reihe deutscher Zeichner
eingetreten.
Wolf Huber erscheint in allen Entwicklungsphasen als eigene Persön-
lichkeit, oft lyrisch, oft voll Ungestüm und Derbheit — haben wir Deutsche
nicht viele so veranlagte Künstler? — und der ihm eingeborene Rhythmus
war stark genug, dem Federstriche leicht erkennbare Form und eigenes Leben
zu verleihen. Aus dem Werke Albrecht Dürers suchte sich Huber wiederholt
Motive heraus, sie sofort aus der neugeschaffenen, gewaltigen Schriftsprache
— wenn man so sagen darf — dieses Großen in den eigenen Dialekt umsetzend. Auch zum Werke Altdorfers, der
vornehmer und phantasiereicher war, führt so manche Brücke und wir wundern uns nicht, künstlerische Wandlungen
des Regensburgers bei ihm sich wiederholen zu sehen, bestimmte Eigentümlichkeiten wiederzufinden. Schon in seiner
frühen Epoche liebte es Altdorfer, in seinen Zeichnungen die Helldunkelmanier2 zu verwenden, anfänglich zur stärkeren
Durchbildung der Reliefplastik, dann immer mehr zur Steigerung phantastischer Lichtreize. Das Jahr 1512 bringt nicht
weniger als 12 solcher Zeichnungen, die nicht am Ende irgendwelche Vorarbeiten oder Studien, sondern völlig in sich
abgeschlossene Eigenwerte darstellen.3 Nach 1514 scheint Altdorfer, wie Friedländer meint, keine figurenreichere Kom-
position in Helldunkelzeichnung ausgeführt zu haben, einer bestimmten Gestaltungsgewohnheit rasch überdrüssig
werdend.4 Ähnlich, aber noch auffälliger finden wir 1518 bei Huber, der bis dahin in reiner, nur selten stärker laviertet'
Federzeichnung5 gearbeitet hatte, nicht weniger als sieben in sich abgeschlossene, keinem vorbereitenden Zweck
dienende Helldunkelzeichnungen. Von ihnen sind — während Altdorfer in phantasievoll-erfindungsreicher Art graue,
braune, blaue und rote Grundfarben verwendet6 — fünf auf hellbraun, die in Bayonne und Dessau7 auf rotbraun
grundiertem Papiere (marron).
1 Initiale aus der deutschen Bibel des Erasmus Stratter, Pergamenthandschrift von 1469 in der Universitätsbibliothek zu Graz. Man. IV. 48,
publiziert von Ferdinand Eichler 1908. Der Miniator hieß Ulrich Schreier, der auch — wie Eichler nachgewiesen — gemeinsam mit B. Furtmeyr
arbeitete (Missale Clm. 15708—12, München). — - Max J. Friedländer, A. Altdorfer S. 14 f. — Joseph Meder, Die Handzeichnung. Wien 1919. S. 48.
:i Max J. Friedländer, a. a. O., S. 62. — 4 Max J. Friedländer, a. a. O., S. 68. — 5 Hl. Christophorus. Basel, Kupferstichkabinett. — e Friedländer,
a. a. O. S. 15. Meder, a. a. O., S. 49, Anm. 1. — 7 Abb. bei Becher, Handzeichnungen alter Meister aus Privatsammlungen, Leipzig 1922, Taf. 5.