haltend, mit ihm fast wie eine Seiltänzerin balanzie-
rend. In der Linken hält sie einen getriebenen .spät-
gotischen Becher.1 Ihre anmutige Neigung, die sich
auch bei der Madonnenerscheinung der Johannes-
zeichnung findet und dem liebenswürdigen weiblichen
Akte von 1530,'- ihr flackerndes Haar gemahnen an
den 1511 datierten Stich Altdorfers »Fortuna auf der
Weltkugel«,3 große Konturteile geben fast das Spiegel-
bild dieser noch flach gehaltenen, auf Umwegen wohl
von einer italienischen Venus marina übernommenen
Gestalt. Die aufgehende Sonne1 entsendet mächtige
und gerade Strahlen, die Beleuchtung von Kugel und
Frauenleib sind zum Teil einheitlich, das Weiß kon-
turiert und begleitet in Linien und gibt in Flecken
und breiten Flächen plastische Modellierung. Diese
schon 1518 vollrunde Bildung läßt den weiblichen
Halbakt5 mit zwei Begleitköpfen für das Jahr 1522
sehr wohl möglich erscheinen und es liegt kein An-
laß vor, seine richtige Datierung zu bezweifeln." Die
Häufung der Porträtzeichnungen, unter denen Studien
für das Gemälde der Kreuzaufrichtung in Wien sind,
in dem einen Jahre 1522 findet in den acht Ton-
zeichnungen des Jahres 1518 eine Parallele. Inter-
essant ist es, den »klassisch« wirkenden Profilkopf
des genannten Erlanger Halbaktes mit dem zurück-
flatternden Haarschopfe dem Nemesiskopfe zu ver-
gleichen, der nach einem »vollständigen und gleich-
mäßig bleibenden Schema konstruiert ist, das von
Vitruv ausgeht und das noch in der Proportionslehre
von 1528 fast genau so wiederkehrt«.'
.Mit größer Hartnäckigkeit hält Wolf Huber an
liebgewonnenen Motiven fest, so an der Staunen oder
Schmerz bekundenden Handstellung, an dem Sonnen-
ornamente, dessen Strahlung er dem Gesamtrhythmus
lebendig angleicht, der leichtgeneigten Haltung seiner
Frauengestalten mit hochwehendem Haare und dörfisch breiten Köpfen, an dem diagonalen Zurückziehen der
Landschaft, wenngleich er auf mehreren Blättern — am ausgesprochensten auf dem bekannten »Kirchwege« in
Dresden zentral in die Tiefe führt. Der Künstler hatte eine vulkanische Natur, immer wieder kam es zu Ausbrüchen
seines leidenschaftlichen Temperaments. Dies beweisen viele seiner Landschaftszeichnungen, auf denen die Unruhe
des Bodens mit der Erregtheit des Himmels wetteifert, ebenso wie der schmerzdurchwühlte Kreuzigungsholzschnitt,
auf dem ein Blitzstrahl das Johannesprofil gezogen zu haben scheint und die stürmisch-grausame Kreuzesauf-
richtung in Wien.3
Am Beginn seines künstlerischen Schaffens steht die Golgathazeichnung von 1512," am Ende die großartige
Landschaft von 1552.10 In beiden, die eine frühe kennt nur den Federstrich, die späte arbeitet, wiewohl auch nacktes
Abb. 0. Wulf Iluber, Fortuna. Helldunkelzeichnung
(Sammlung Bonnat).
im Museum zu Bayonne
1 Auf einer Zeichnung Dürers findet sich ein ähnlich geformter. Wölfflin, Albrecht Dürers Handzeichnungen, Abb. 49. — Die Becherentwürfe,
Altdorfers sind renaissancemäßig prunkvoller. — - Budapest. Riggenbach a. a. O., S. 77, Abb. Albertina 977. — 3 Abb. Meister d. Graphik. Bd. III.
Taf. 1. — * An gleicher Stelle wie beim Johannes auf Patmos. — ■'> Erlangen II. E. 48. Riggenbach a. a. O., S. 70 Abb., Kunst f. alle, 1924, Aprilheft
S. 222. — fi Direktor Dr. Elfried Bock (Berlin) war so liebenswürdig, mir mitzuteilen, daß Signatur und Ziffern einheitlich sind und daß auch
er die Annahme Riggenbachs für irrig hält. Was die auffallende Zahl 2 betrifft, braucht man nur dieselbe Ziffer auf der Gethsemanezeichnung der
Ambrosiana zu vergleichen. — 7 L. Justi, Konstruierte Figuren und Köpfe unter den Werken A. Dürers, S. 39. Vorbildlich kann auch das Evaprofil
aus dem Adam-und-Eva-Stich Dürers gewesen sein. — 8 Wien. Kunstbistor. Museum. Voß hebt mit Recht ihren bäurischen Charakter hervor.
Ein Jahrhundert später finden wir den Rassentypus des in der Bildmitte im Profil gegebenen Mannes in Bauernschenken Ad. Ostades wieder
(Dresdener Gemäldegalerie, Abb. bei Bode, D. Meister d. holl. u. vläm. Malerschule, S. 127). Interessant ist es, die Mittelgruppe mit der
Kreidezeichnung Rembrandts (Kreuzeserhöhung) in d. Albertina zu vergleichen. Leporini a. a. O., Taf. 238. Vcrgl. auch Baldass im Wiener
Jahrbuch, V, S. 85. — s Budapest. Abb. Albertina 384 und Arnolds graph. Bücher, II. Bd., 3, Taf. 89. — 10 London. Veröffentlicht von K. J. Parker
im Belvedere Nr. 40. Die Örtlichkeit ist eine Felsenburg, wie wir sie in einem der markantesten Beispiele, im ganz ähnlich gelegenen Höhlen-
schloß Schallaun (Puxerloch bei Teuffenbach im oberen Murtal) kennen. Daß Huber die Gegend gekannt hat, ist nicht ausgeschlossen.
rend. In der Linken hält sie einen getriebenen .spät-
gotischen Becher.1 Ihre anmutige Neigung, die sich
auch bei der Madonnenerscheinung der Johannes-
zeichnung findet und dem liebenswürdigen weiblichen
Akte von 1530,'- ihr flackerndes Haar gemahnen an
den 1511 datierten Stich Altdorfers »Fortuna auf der
Weltkugel«,3 große Konturteile geben fast das Spiegel-
bild dieser noch flach gehaltenen, auf Umwegen wohl
von einer italienischen Venus marina übernommenen
Gestalt. Die aufgehende Sonne1 entsendet mächtige
und gerade Strahlen, die Beleuchtung von Kugel und
Frauenleib sind zum Teil einheitlich, das Weiß kon-
turiert und begleitet in Linien und gibt in Flecken
und breiten Flächen plastische Modellierung. Diese
schon 1518 vollrunde Bildung läßt den weiblichen
Halbakt5 mit zwei Begleitköpfen für das Jahr 1522
sehr wohl möglich erscheinen und es liegt kein An-
laß vor, seine richtige Datierung zu bezweifeln." Die
Häufung der Porträtzeichnungen, unter denen Studien
für das Gemälde der Kreuzaufrichtung in Wien sind,
in dem einen Jahre 1522 findet in den acht Ton-
zeichnungen des Jahres 1518 eine Parallele. Inter-
essant ist es, den »klassisch« wirkenden Profilkopf
des genannten Erlanger Halbaktes mit dem zurück-
flatternden Haarschopfe dem Nemesiskopfe zu ver-
gleichen, der nach einem »vollständigen und gleich-
mäßig bleibenden Schema konstruiert ist, das von
Vitruv ausgeht und das noch in der Proportionslehre
von 1528 fast genau so wiederkehrt«.'
.Mit größer Hartnäckigkeit hält Wolf Huber an
liebgewonnenen Motiven fest, so an der Staunen oder
Schmerz bekundenden Handstellung, an dem Sonnen-
ornamente, dessen Strahlung er dem Gesamtrhythmus
lebendig angleicht, der leichtgeneigten Haltung seiner
Frauengestalten mit hochwehendem Haare und dörfisch breiten Köpfen, an dem diagonalen Zurückziehen der
Landschaft, wenngleich er auf mehreren Blättern — am ausgesprochensten auf dem bekannten »Kirchwege« in
Dresden zentral in die Tiefe führt. Der Künstler hatte eine vulkanische Natur, immer wieder kam es zu Ausbrüchen
seines leidenschaftlichen Temperaments. Dies beweisen viele seiner Landschaftszeichnungen, auf denen die Unruhe
des Bodens mit der Erregtheit des Himmels wetteifert, ebenso wie der schmerzdurchwühlte Kreuzigungsholzschnitt,
auf dem ein Blitzstrahl das Johannesprofil gezogen zu haben scheint und die stürmisch-grausame Kreuzesauf-
richtung in Wien.3
Am Beginn seines künstlerischen Schaffens steht die Golgathazeichnung von 1512," am Ende die großartige
Landschaft von 1552.10 In beiden, die eine frühe kennt nur den Federstrich, die späte arbeitet, wiewohl auch nacktes
Abb. 0. Wulf Iluber, Fortuna. Helldunkelzeichnung
(Sammlung Bonnat).
im Museum zu Bayonne
1 Auf einer Zeichnung Dürers findet sich ein ähnlich geformter. Wölfflin, Albrecht Dürers Handzeichnungen, Abb. 49. — Die Becherentwürfe,
Altdorfers sind renaissancemäßig prunkvoller. — - Budapest. Riggenbach a. a. O., S. 77, Abb. Albertina 977. — 3 Abb. Meister d. Graphik. Bd. III.
Taf. 1. — * An gleicher Stelle wie beim Johannes auf Patmos. — ■'> Erlangen II. E. 48. Riggenbach a. a. O., S. 70 Abb., Kunst f. alle, 1924, Aprilheft
S. 222. — fi Direktor Dr. Elfried Bock (Berlin) war so liebenswürdig, mir mitzuteilen, daß Signatur und Ziffern einheitlich sind und daß auch
er die Annahme Riggenbachs für irrig hält. Was die auffallende Zahl 2 betrifft, braucht man nur dieselbe Ziffer auf der Gethsemanezeichnung der
Ambrosiana zu vergleichen. — 7 L. Justi, Konstruierte Figuren und Köpfe unter den Werken A. Dürers, S. 39. Vorbildlich kann auch das Evaprofil
aus dem Adam-und-Eva-Stich Dürers gewesen sein. — 8 Wien. Kunstbistor. Museum. Voß hebt mit Recht ihren bäurischen Charakter hervor.
Ein Jahrhundert später finden wir den Rassentypus des in der Bildmitte im Profil gegebenen Mannes in Bauernschenken Ad. Ostades wieder
(Dresdener Gemäldegalerie, Abb. bei Bode, D. Meister d. holl. u. vläm. Malerschule, S. 127). Interessant ist es, die Mittelgruppe mit der
Kreidezeichnung Rembrandts (Kreuzeserhöhung) in d. Albertina zu vergleichen. Leporini a. a. O., Taf. 238. Vcrgl. auch Baldass im Wiener
Jahrbuch, V, S. 85. — s Budapest. Abb. Albertina 384 und Arnolds graph. Bücher, II. Bd., 3, Taf. 89. — 10 London. Veröffentlicht von K. J. Parker
im Belvedere Nr. 40. Die Örtlichkeit ist eine Felsenburg, wie wir sie in einem der markantesten Beispiele, im ganz ähnlich gelegenen Höhlen-
schloß Schallaun (Puxerloch bei Teuffenbach im oberen Murtal) kennen. Daß Huber die Gegend gekannt hat, ist nicht ausgeschlossen.