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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.6495#0013
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Der Meister des Nürnberger Horologiums von 1489.

in Joachim. I!:
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laierei, Tat. VI.

Ute Förden-

Den Komplex der Wolgemut-Werkstatt kritisch durchzugehen, ist immer noch Anlaß. Denn die persönliche Leistung
Wolgemuts ist noch nicht völlig deutlich geworden und auch die Untersuchung der problematischen Wanderschaftsjahre
des jungen Dürer wird immer wieder auf diese Produktionen zurückgehen müssen, nicht sowohl um hier nach den
Wurzeln zu suchen als um den Boden zu prüfen, in dem sie lagen. Beide Gesichtspunkte haben dazu bestimmt, auf eine
Gruppe von Holzschnitten hinzuweisen, die, nicht unbekannt, in ihrer Bedeutung doch so sehr verkannt worden ist, daß
schon eine Korrektur ihrer Bewertung ein erneutes Eingehen rechtfertigt. Stadler1 hat diese Holzschnitte unter dem
Namen des Horologiummeisters zusammengefaßt und als zugehörig bestimmt die Holzschnitte zu:

Bertholdus, Horologium devotionis 14892 ohne die drei letzten Holzschnitte m 3v m ßr, n; Der Heiligen
Leben 1488": 40v, 55, 58v, 94v, 370. 371, 375—377, 381v, — 382v, fraglich: 211v, 312, 323, 373; Nie. von der Flühe,
Bruder Klaus,4 Versehung leib, sei, er unnd gutt 1489;5 Gerson, Opera 1489;" Paulus Diaconus, Homeliarius doctorum
1494;7 Instructio simplieium pro facienda confessione:8 als fraglich: Missale Strigoniense 1490.1'

Den Kern der Gruppe bildet das 1 [orologium mit einer einheitlichen Illustrationsfolge zur Passion von ausgeprägtem,
persönlichem Stil.10 Da die übrigen Zuweisungen diese Eindeutigkeit des Stiles nicht aufweisen, empfiehlt es sich, mit der
Untersuchung hier einzusetzen.

Von der ganzen umgebenden Produktion scheidet diese Holzschnitte eine weit vorausgreifende Fortschrittlichkeit.
Gegenüber dem Allgemeinen zeitgenössischer Darstellung ist die Erzählung von einer sicher gepackten Wirklichkeit.
Ein Großwerden der Formen und der Gliederung, noch mehr die sichere, individuelle physiognomische Haltung künden
den Geist der neuen Zeit.

Der sehr frisch und stark ergriffene, aber noch nicht bewältigte neue Naturalismus, die Intensität von Gebärde und
Ausdruck der kleinen, noch nicht ganz geratenen Figuren geben einen kindlich-ernsthaften Ton.

Die flächig bestimmte Bildgestalt ist durchbrochen mit räumlicher Öffnung und plastischer Füllung. Es ist ein
völlig neuer Eindruck, wie etwa in der Kreuzanheftung (h 8V) der gewellte Grund zum nun tief gelegten Horizont sich
dehnt, das kubische Häuschen und die Bäume räumlich fixiert sind und den Mittelgrund bezeichnen und wie in der Hand-
waschung (h4') etwa oder der Geißelung (g7r) das Umgrenzte des Innenraums, der Gegensatz zwischen drinnen und
draußen gegeben sind. Im Ausbeuten der Fluchtlinien kündigt sich das neue perspektivische Sehen an. Räumlich
erstaunlich reich auch die Gruppierung der Figuren: In der Szene vor Herodes (g 3V) durch die fünffache Schichtung,
das Gegensätzliche der Stellungen, das sich Entsprechen der Gegenübergestellten und das Hin und Her der Blickrich-
tungen; in der Handwaschungsszene (h 41') ist Christus wie umklammert von den Schergen. Die Gebärden werden frei
und räumig, oft ausfahrend (die Ausfallstellung: Handwaschung, h4>', und sonst;.

Ganz stark spricht die kubische Form von Architektur und Figur; so wirkt die Rückenfigur vor Herodes (g3v) in
der Art, wie Becken, Schenkel und Füße als plastische Komplexe gefaßt sind, fast italienisch. Eben hier wird deutlich ein
großgliedernder Rhythmus; so sind auch sonst die Gelenke stets stark betont (Geißelung, g 7r). Selbst die ganz abgekürzte
Gesichtszeichnung zeigt nicht allein durchgehende Betonung des Plastischen im Wölben der Augen, dem Vordrücken
von Nase und Unterlippe, von Backen-, Kiefer-, Kinnknochen, sondern in der Fügung der Teile eine tektonisch-struk-
tive Sicherheit (Joseph, h 3r, und Herodes, g 3V).

Die tektonische Rhythmik, das Bauen in Horizontalen und Vertikalen, ganz allgemein erkennbar im Bezugnehmen
auf die Rahmenlinien, wird am deutlichsten an der Architektur in dem Bevorzugen und Betonen rektangulärer Formen
(Handwaschung, h 4'', Christus vor Herodes, g 3v, Geißelung, g 7r: hier die betonte Zentralstellung). Die tektonische
und kubische Eindrücklichkeit dieser Architekturformen wird erreicht durch das Arbeiten mit räumlich ganz klar spre-
chenden Flächen, denen die Schraffur Richtung gibt (bezeichnend die Fensterleibungen und Podeste). Dieses energische
räumliche Gegeneinanderlaufen der Schraffur, die oft in langem Zug und leicht divergierend den größten Teil der
Flächen deckt, gibt auch den Gewändern den starken plastischen Reichtum, freilich auch dem Ganzen das struppige
Aussehen. Die gerade oder leis geschwungene Schraffur überwiegt; aber auch das technisch schwierigere Oberwölben
mit runden Linien setzt ein.

Dem rein plastischen Charakter der Schraffur entspricht der große, vollschwingende Kontur.

Die Linie aber ist großzügig, entschlossen und bis in die einfachen gerissenen Faltenlinien plastisch bedeutsam.
Ein leichtes An- und Abschwellen erhöht ihre Richtungskraft.

Alle Einzelformen, die ihrem kubischen Wesen nach dem Sehen auf die große plastische Form entgegenkommen,
sind besondere ausgeprägt; so die Architektur, die prächtig gewölbten Kopfbedeckungen; plastisch stilisiert aber selbst

1 Fr. I. Stadler, Michael Wolgemut und der Nürnberger Holzschnitt, 1913. — »H 2999=*8934, Sehr. 3441.
•1 Ausgabe von 1488: H* 5380, Sehr. 4839. Undatierte Ausgabe: H * 5378, Sehr. 4841. — 5 H* 16019, Sehr. 5426. -
' H' 8792, Sehr. 4899. — 8 s. 1. n. a. Sehr. 4262. Abbildung Heitz-Schreiber, Berliner Einblattdrucke 1923. Abb. 23.
10 K lv 7 r 4 v 7v im Schnitt vergröbert lassen doch das Wesen des Ho.-M.s durchschlagen.

3H* 9981, Sehr. 4313. —
. 8 H* 7623. Sehr. 4103. —
- 3 H 11430, Sehr. 4764. —

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