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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.6495#0018
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Titelholzschnitt zu Gerson, Opera 1489. (Originalgröße etwa
10-6 : 11-5 cm.)

Homeliarius doctorum,1 Titelblatt: Die Anordnung aus-
gesprochen primitiv, Architektur und Gruppe ohne allen Raum, der
Strich sehr klobig, die Figuren verstickt; nähert sich dem Stil der
Meinradlegende.

In dieser Richtung bewegt sich auch die Instruction Ein ganz
frühes Ansetzen verbieten die gesetzten Proportionen, für später ist
sie zu schlecht. Die Formen ausgesprochen stumpf, Faltenzeichnung
(sehr wenig Schraffur) ausdruckslos, das'Gegeneinander der Figuren
plastisch und räumlich unausgeprägt, die Fensterschlitze wie schon
bei Versehung rhythmisch gleichgültig, die Linie sehr simpel.

Missale Strigoniense:3 Räumlich und plastisch ausdruckslos,
gotische Proportionen, reine Parallelschraffur, Kontur monoton, fast
tot. Von Eigenschaften des Ho.-M.s ist nichts zu finden. Damit fallen
alle Zuweisungen aus den Jahren nach 89 fort.

Ganz nahe steht dem Ho.-M. der ungewürdigte, aber vor-
zügliche Titelholzschnitt zum Gerson von 1489.* Schon die Holz-
schnittstilisierung muß zu einer Trennung vom Ho.-M. veranlassen.
Die Linie ist sehr gewählt, gleichmäßig, leise und fein durchgefühlt,
aber spannungslos und müde gegenüber der Frische und plasti-
schen Kraft der straffen, anschwellenden Linie des Ho.-M.s (sehr
bezeichnend die delikat bis in die Spitzen ausgezogene Staude neben
Gerson). Man mag den Hund mit HL. 1 vergleichen, selbst die
simplen Baumreihen (deren Kontur beim Ho.-M. sehr gesättigt ist),
wie Kontur und Schraffur locker und weich, aber auch plastisch
ärmer sind. Von dem entblätterten Bäumchen scheidet sich deutlich
das Gegenstück im Ho. (h 8V) nicht nur im kräftigen Wachstum;
die Zweige, beim Gerson mit feinem Gefühl auseinander und in die
Fläche gelegt, greifen im Ho. ohne dekorative Rücksicht störrisch zusammen. Ausgleichend wirkt die schon an der
Warnung betonte Freude an der plastisch neutralisierenden Parallelität der Schraffur und ihr Vermeiden energischen
Tiefenganges. Das Sentimento aber, das mit dem Charakter der Linie zusammengeht, dieses leis Bekümmerte, etwas
Kleine und Ängstliche (Vibrieren des Blicks) hat nichts zu tun mit dem wachen Ernst des Ho.-M.s. Gegen die Annahme
eines Entwurfs durch den Ho.-M. spricht das Fehlen der plastischen und räumlichen Anlage. Zu der Stadtansicht gibt es
im HL. eine vergleichbare des Ho.-M.s: HL. 55. Hier ist etappenweise die Stadt in die Tiefe hineingebaut, kubisch ein-
drücklich die Vorsprünge und vorn das zum Durchschreiten einladende Tor, dort die Stadt in die Fläche geklappt und mehr
sprechend im flächendekorativen Zusammenhang mit Landschaft und Bildganzem. Dasselbe gilt von den Wegen und den
in der Fläche hochgeführten Hügelrändern. Das ist es überhaupt, daß die flächenmäßige, fein dekorative Füllung des
Blattes, die bildmäßige Ausgeglichenheit gesucht ist, die der Ho.-M. zerstört. Was aber die Trennung bestätigt, ist die
Übereinstimmung des Gerson mit dem Stil der Stadlerschen Kahlenberger Gruppe, die allerdings neu zu bilden ist und
zu der auch der erste und dritte Schnitt der Warnung zu rechnen sind.

Zu ihr hat Stadler den Ho.-M. in Abhängigkeit gesetzt. Ein Vergleich mit einem der besten Produkte des Kahlen-
berger Meisters, dem Würffeispiel,5 kennzeichnet die Art des Verhältnisses sehr deutlich.

Daß im Grunde dabei dasselbe gilt wie das für den Gerson Gesagte, mag dessen Zugehörigkeit beweisen. — Gegen-
über dem Stoßenden aller Ho.-Blätter ist das Würffeispiel ausgesprochen geschickt; die Füllung des Blattes ist gleichmäßig
und restlos angenehm, die zarten Linien fügen sich harmonisch und eine leichte Tonigkeit faßt alles zusammen. Denn
die Schraffur, vorwiegend parallelmäßig, vermeidet alle plastische Tiefenrichtung und flacht die Form. So ist gegen jede
Übung des Ho.-M.s, wie am Oberschenkel des Zustoßenden, den Beinen des Teufels und Pferdes die Schraffur gegen die
plastisch wichtige Richtung längsgerichtet ist und beim Teufel und Schergen unten die Querschraffur nicht bis zum
Kontur durchstößt, sondern an Längsschraffur anschließt. Landschaftliche Erhebungen, stets eindrücklich beim Ho.-M., sind
plastisch unwirksam, die Gründe unten lösen sich räumlich nicht voneinander. Der Kontur ist abgleitend, plastisch nichts-
sagend, fein und fadenartig.

Wie stark gegliedert, wie kraftvoll elastisch in allen Formen die Pferde des Ho.-M.s gegenüber dem schlaffen, aus-
gestopften Tier des Würffeispiels. Und so die Menschen: Nicht nur behalten alle Gebärden etwas Angezogenes (vgl.
dieselbe Szene HL. 370), nirgends das für den Ho.-M. stets charakteristische plastische Herausdrücken der Gelenke und
Bewegungen. Mit dem Verurteilten ist vergleichbar die so viel weniger gelungene Figur des Knienden der Kreuz-

1 a. a. O. — = a. a. 0. — 3 a. a. O. — 1 a. a. 0. — " wie der würffei auff ist kumen, 1489, Sehr. 5490. Abb. Weisbach, Der junge Dürer. S. 17.
 
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