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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.6495#0037
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Abb. 10 und 11. Die >Hände< vom Geburtstagsfest des Großmoguls. Vorder- und Rückseite. Grünes Gewölbe, Dresden.

vermengen.1 Dieses Konglomerat schwelgt in Verkörperungen durch Allegorie. Aureng Zeb, der nach langen Intrigen
und Kämpfen als Großmogul Hindostan — das entfernte märchenhafte Land — regierte, beschäftigte die Phantasie,
auch die politische, Augusts des Starken. Berniers Voyages mit seiner Geschichte mochten nachhaltigen Eindruck
auf ihn machen.

Die Beschreibung Taverniers vom Fest und vor allem vom Thron des Großmoguls zu Delhi paßt genau zu dem
Werk, daß sich im Grünen Gewölbe befindet (Abb. 9). Aber die beigegebenen Kupfer haben daneben höchstens ganz
allgemein informieren können. Denn das Ganze, dessen Schema aus dem Text Taverniers stammt, ist bis in feinste
Einzelheiten von dem Flimmern der Ornamentik Dinglingers übersprüht, das Fremdländische bleibt Grundgedanke und
Folie außer den Figuren. Sonnenschirme, Elefanten, Kameldecken sind mit entzückendem Bandwerk und mit
Lambrequins bedeckt, als Geschenke werden köstliche Uhren, Vasen, Schalen, Pokale, ein Horn und viele andere
Kostbarkeiten gebracht, wie sie später noch im Großen der Hand des Meisters entwachsen sollten. Der kleine Brunnen
mit dem Kessel ganz vorn ist barockeste Form mit einer Ruine am Meer als Emailbild. Auch Bernier hat nur allgemein
anregen können. Nur der Kupferstich einer riesigen Waage, um Kostbarkeiten oder Geld scheffelweise wiegen zu können,
hat Dinglinger zu der Waage auf dem Hof des Großmoguls veranlaßt. Unmittelbar aus Nieuhofs Werk (S. 171) stammt
die ganz vorn links an der Rampe stehende Figur des vornehmen Türken mit dem Stock und der aufgestemmten Hand.
Beide Werke bringen außerdem Stiche unter dem Baldachin thronender Großfürsten und ihres Hofes. Auch in dem Werk
»La Chine . . illustree« des vielgelehrten Jesuiten Athanasius Kircher, dessen schriftstellerische Tätigkeit die damaligen
Interessengebiete zu einem großen Teil umfaßt, kommen ähnliche Figuren »einheimischer« Trachten vor.2 Die wissen-
schaftliche Allegorie kommt in zwei Aufsätzen rechts und links vom Thron und mit Nachdruck in den beiden »Händen«
zu Wort (Abb. 10 u. 11). Es sind mit Symbolen bedeckte Votivstücke nach spätantiken Funden. Pignorius bildet eine
davon 1624 ab (nach ihm Montfaucon), die »kürzlich« in Tournai gefunden wurde (Abb. 12), die andere bespricht
Jacobus Philippus Thomasinus.3 In der Beschreibung im Grünen Gewölbe ist eine ausführliche Deutung der Symbolik
der zeichenbedeckten Hände gegeben. Sollten sich weiter keine unmittelbaren Vorlagen zu den einzelnen Figuren-
gruppen finden, bleibt nur die Annahme, daß Dinglinger sie frei nach den Beschreibungen und den Kupfern gestaltet
hat. Daß er dazu in der Lage war, beweist der Blick in seine Arbeits-
weise bei Gelegenheit der Apisgruppe. Es verdichtet sich der Eindruck,
daß er seine Arbeit inhaltlich auf eine erstaunlich reiche und mühsam
zusammengetragene wissenschaftliche Kenntnis gründet, mit dem Be-
streben, die Zeitinhalte zu erfassen. Über diesem Inhaltlichen vermochte
die Form sich ihren künstlerischen Reiz rein und stark zu erhalten.

1 Vergl. z. Ii. allein nach den Titeln das Gesamtwerk des Erasmus Franciscus.
Sachs. Landes-Bibl.

- Xieuhof, Johan. Het gezantschap der Neerlantsche Oost-Indische Compagnie aan
den grooten Tartarischen Cham, den tegen woordingen Keizer van China. Amsterd. 1665.
Sachs. Landes-Bibl. — Bernier, Francois. Voyages contenant la description des Etats
du Grand Mogol, de l'Hindostan, du Royaume de Kachemire etc. . . Tom. 1, 2. Amsterd.
1699. 1709/1710. 1714. La Chine d'Athanase Kirchere de la compagnie de Jesus, illustree
de plusieurs monuments tout sacres que profanes etc. Amsterd. 1670; latein. 1667. Sachs.
Landes-Bibl.

3 Magnae Deum Matris Idacae et Attidis initia ex vetustis monumentis nuper
Tornaci erutis . . . Laurentius Pignorius. Venetiis. 1624. Sachs. Landes-Bibl. — Manus
Aeneae Cecropii Votum referentis dilucidatio, Jac. Phil. Thomasinus. Patavii 1624.

Abb. 12. Aus Pignorius 1624. Magnae Deum usw.
 
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