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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.6495#0050
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schon zu Ende des Jahres 1920 erschienenes Verzeichnis der in der
Bibliothek vertretenen Maler und Zeichner ist besonders für den aus-
wärtigen Benützer höchst wichtig und nützlich. Diesem Kataloge ist nun
fünf Jahre spater ein Ergänzungsband gefolgt. Daraus erfahren wir, daß
die Anzahl der Künstler seit 1920 von 8000 auf 13.000 gestiegen ist, die
der Reproduktionen von 150.000 auf 250-000. Seither beträgt die Anzahl
der Reproduktionen dank der unermüdlichen Sammeltätigkeit der Besitzer
nicht weniger als 300.000. Die beiden stattlichen Bände, der erste mit
einer schönen Zeichnung von Muirhead Bone geschmückt, werden zur
Information über das Vorhandene und auch über die Art der Benützung
der Bibliothek oft zu Rate gezogen werden. Man wird soviel als möglich
nach London reisen müssen, um dank der Hilfsbereitschaft von Sir Robert
und Lady Witt Studien machen zu können, die man sonst nirgends
anders machen kann. Nur in Amerika hat das schöne Unternehmen eine
Nachahmung gefunden: in der Frick Art Refercnce Library in New York.
Wann werden wir in Österreich etwas Ähnliches haben?

Gustav Glück.

Alfred Stix, Von Ingres bis Cezanne. 32 Hand-
zeichnungen französischer Meister des XIX. Jahrhunderts
aus der Albertina. Zweite Auflage. Mit 32 Lichtdrucktafeln.
Wien 1927. Verlag von Anton Schroll & Co.

In die Reihe von Veröffentlichungen alter Hand Zeichnungen, die der
bekannte Verlag bisher unternommen hat, tritt nun auch dieses Werk,
welches französische Zeichnungen aus dem XIX. Jahrhundert, die zum
Besitz der Albertina zählen, der breiten Öffentlichkeit bekanntmacht. Da
diese Zeichnungen zuden wichtigsten der etwa 130 Stück zählen, die in den
letzten Jahren unter der Leitung von A. Stix erworben wurden, ist die Ver-
öffentlichung auch ein teilweiser Rechenschaftsbericht über die Ankaufs-
tätigkeit dieser alten Sammlung auf modernem Gebiete. Und da in den
Nachkriegsjahren so viel Ausgezeichnetes auf den Markt kam, ist auch das
Resultat ein ganz bedeutsames geworden. Auf 32 Tafeln werden uns Meister-
werke der französischen Zeichnung aus dem vorigen Jahrhundert vorge-
führt, die uns den großen Umkreis der Probleme dieser hundert Jahre deut-
lich machen. Von Ingres' objektiver Naturabschilderung, deren Formwille
uns gerade heute wieder so verständlich ist, über die Kunst der Romantiker
zu den Impressionisten und — als Abschluß — bis zu Cezanne, der schon
der Vater einer neuen Richtung ist, reichen diese unmittelbarsten Dokumente
künstlerischer Gestaltungskraft. Um nur einige wenige vonihnen hervorzu-
heben, seien ein eindrucksvolles Blatt von Delacroix genannt, welches
die Totengräberszene aus dem »Hamlet« zum Gegenstande hat, oder von
demselben Künstler ein prachtvoll wilder Tierkampf, der von einer macht-
vollen Bewegung durchströmt ist; oder von Daumier ein »altvaterisches«
Mädchenbild (»A Jeannette*) und noch zwei andere Zeichnungen von
ihm, die uns wieder seine Kunst des >Demaskierens- zeigen, seine
pessimistische Unerbittlichkeit, die vor uns auftaucht, sobald sein Name
genannt wird. Oder von der leichten heiteren Seite des Lebens: zwei
Blätter von Constantin Guys, die die mondäne Einstellung seiner
Kunstgut charakterisieren. Ferner Blätter mit Landschaften von D au bigny,
Millet, Corot, Troyon, Th. Rousseau und Renoir bis herauf zu
einem groß gesehenen Landschaftsaquarell von Cezanne. Dazu noch
prächtige Blätter mit figuralen Darstellungen von Renoir, der besonders
gut vertreten ist — eines davon der letzten Lebenszeit des Künstlers an-
gehörend —, Degas, Rodin und wiederum zwei von Paul Cezanne.

Die beigegebene Einleitung des Herausgebers fixiert in knappen
Sätzen ausgezeichnet die Stellung der einzelnen Künstler und ihre Zeit.

So wird dieses schmale Büchlein, das uns in guten Abbildungen
wichtige Zeugen von der Kunstentwicklung jenes Landes vor Augen führt,
welches in seiner Fruchtbarkeit auf die gesamte europäische Kunst dieser
Zeit von nachhaltigstem Einfluß war, ein guter Wegweiser zu unserem
heutigen Standpunkt. p Magier.

Drei »deutsche« Künstler.

A. Egger-Lienz. Leben und Werke. Monogra-
phische Studie von Josef Soyka. Mit 50 Abbildungen nach

Werken des Künstlers und einem faksimilierten Brief des-
selben. Wien 1925, Karl Konegen.

Fritz Boehle. Leben und Schaffen eines deutschen
Künstlers. Mit einem vollständigen Verzeichnis seines gra-
phischen Werkes und 84 Abbildungen im Text und auf
69 Tafeln. Von Rudolf Schrey. Frankfurt a. M. 1925,
Klimsch's Druckerei J. Maubach & Co., G. m. b. H.

Ferdinand Staeger. Eine Monographie von Rein-
hold Konrad Muschler. Mit 164 meist ganzseitigen Abbil-
dungen. Leipzig und Berlin 1924, Max Koch.

Die obengenannten drei Künstlerbücher hat der Zufall auf dem
Schreibtisch des Berichterstatters nebeneinandergelegt. Die drei Künstler,
denen sie gewidmet sind, haben aber ein Gemeinsames, das durch die
Anführungszeichen im Gesamttitel anzudeuten versucht wurde. Keiner
von ihnen wäre nämlich so, wie er ist, anderswo als auf deutschem Boden
möglich und denkbar. Und doch ist dieses Gemeinschaftliche, dieses
>echt* und »nur Deutsche« so schwer zu fassen und zu erklären, so
vielgestaltig und widerspruchsvoll, daß es bei einem jeden der dreie ein
anderes ist. Bei Egger-Lienz, der weitaus stärksten Persönlichkeit unter
ihnen, ist es das in ein etwas vierschrötiges ideales Heldentum gesteigerte
Bergbäuerische, das Tirolischc, das tief im Boden seines Vaterlandes Ver-
wurzcltscin seiner Kunst, bei Boehle das bewußte Zurückgreifen auf die
heimatliche Kunst einer großen Vergangenheit, bei Staeger der roman-
tische Inhalt seiner Werke, ihr überwiegend zeichnerischer Charakter.

Egger-Lienz, der die beiden anderen hoch Überragende, hat
das bescheidenste Buch erhalten, nicht nur was Umfang und Ausstattung
anlangt. Auch der Inhalt ist im Grunde schlicht, so begeistert auch der
Verfasser von seinem Helden ist. Aber es ist Freundeshand, die den
Künstler schildert, und der Leser erfährt daher viele vertrauliche Züge,
die ihm Egger menschlich näherbringen und Einblicke in dessen
Schaffensart eröffnen. Häufig ist auch der Künstler selbst redend ein-
geführt, und dem Autor stehen gedruckte Urteile über Egger zur Ver-
fügung, mit denen dieser offenbar einverstanden war, die er für zutreffend
hielt. Schade ist nur, daß das Buch, angeregt durch den sehenswerten
Überblick, den die im Frühjahr 1925 im Wiener Künstlcrhaus veran-
staltete Egger-Ausstellung über des Künstlers Werk geboten hat, und
offenbar bestrebt, diesen gewaltigen Eindruck in einer Druckschrift
dauernd festzuhalten, unverkennbar zu rasch zustande gekommen und,
die Mängel eines solchen Entstehens keineswegs verleugnend, ein anderes
gründlicheres Werk über den Künstler, an dem der Innsbrucker Kunst-
historiker, Professor Dr. Heinrich Hammer, schon seit Jahren arbeitet,
wenigstens bisher am Erscheinen verhindert hat. Freilich hat nunmehr
der erschütternde Tod des Künstlers auf unerwartete Weise die Bahn für
Hammers Werk freigelegt, von dem man nicht nur ein vollständiges
kritisches Verzeichnis von Eggers Werken, sondern auch die entwick-
lungsgeschichtliche Einreihung des Künstlers erwarten darf. Daß Egger
eine der mächtigsten Künstlerpersönlichkeiten Deutschlands war, hat
diejenigen, welche es noch nicht gewußt haben sollten, vor zwei Jahren
die Wiener Ausstellung gelehrt, das Verdienst von Soykas Buch ist es,
diese Lehre mit Hilfe von Bild und Wort eindringlich wiederholt zu haben,
und zwar noch vor dem verklärenden und alle Gegensätze versöhnenden
Tod des Künstlers.

Der noch jünger als Egger — schon mit 43 Jahren — verstorbene
Boehle kann sich an Bedeutung mit diesem nicht messen. Aber er war
ein echter, außergewöhnlicher Künstler, dessen vorzeitiger Verlust gleich-
falls tief zu beklagen ist. Er war als Maler, Bildhauer und Graphiker
tätig, am eigenartigsten ist er wohl als Radierer. Seine Kupferplatten
wirken am urwüchsigsten, halten sich noch am meisten von jenem
archaisierenden Hang frei, der an seinen Bildern und Skulpturen häufig
stört. Zum Graphiker Boehle hat auch der Verfasser die engsten Bezie-
hungen. Das Buch enthält zum erstenmal ein vollständiges Verzeichnis
von Bochles graphischen Arbeiten. Es ist lebendig und klug geschrieben
und wertet richtig ab. Reich und schön ist seine Ausstattung.

Anders als bei Egger und Boehle liegt der Fall bei Ferdinand
Staeger. Während vor allem Egger, aber auch Boehle einsame Pfade

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