und den Gestalten in ihnen gab, ferner
ein ganz flach aufgetragenes helles Lokal-
farbenkolorit unterstützen den streng or-
namentalen Charakter der Buchseiten.
Als Beispiel für den dritten Illumi-
nator unserer Gruppe nehmen wir das
Hauptblatt der schon erwähnten Gram-
matik für Ladislaus Posthumus (Abb. 3).
Die Ornamentik erinnert hier eher an die
des Meisters Martin, ist bunter, plastischer
und lebendiger als bei dem Albrechts-
Miniator. Der Ladislaus-Meister rahmt
die Blattflächen viel unregelmäßiger, er
bringt mit Vorliebe Drolerien: Bären,
Störche, Affen, in den Zweigen unter. Die
viel dichteren Deckfarben mit der lebhaften
Modellierung in Licht und Schatten stehen
in vollem Gegensatze zu den blassen
Lokaltönen jenes andern, unterscheiden
sich aber auch von dem mehr in Braun
und Grau gebrochenen, dunkler getönten
KoloritMartins.besonders durch die starke
Verwendung von Deckweiß für die Be-
tonung der Lichter. Die Gestalten sind mit
leichtem Pinsel, fast ohne Körpermodel-
lierung hingetupft, gehören in Bewegung
und Faltenwurf noch dem »weichen« Stil
an. Um so überraschender ist die Neu-
artigkeit des Raumgefühls unseres Malers.
Durch Übereckstellen der Szene, Raum-
durchsichten und Landschaftsausblick
wird eine Tiefenwirkung angestrebt, die den
ornamental flächenhaften Kompositionen
des einen wie der würfelförmigen, stets
parallel zur Bildebene aufgebauten Raum-
bühne des andern derbeiden Konkurrenten Abb. 3. Meister Michael, König Ladislaus im Gebet. Aus der Grammatik für Ladislaus Posthumus,
des Ladislaus-Miniators gleich fern steht. Wien, Xationalbibliothek.
Winkler von Winkenau hat in einer Abhandlung im 6. Bande des Jahrbuches des Stiftes Klosterneuburg, p. 163 ff.,
die sich mit der Miniaturmalerei im Stifte während des XV. Jahrhunderts beschäftigte, eine Gruppe von sieben Hand-
schriften des Malers zusammengestellt, an eine gemeinsame Werkstatt denkend. Suida hat, scheinbar ohne Kenntnis
von Winklers Arbeit und offenbar verführt durch die eigenartige Raumauffassung des Miniators, diesen für den jüngsten
unter den drei Meistern erklärt (der seiner Ansicht nach schon der nächstjüngeren Generation hinter den beiden andern
angehört). Er bezeichnet als sein frühestes Werk das 1445 gestiftete Missale der Grazer Universitätsbibliothek, auf das
wir noch zu sprechen kommen.
Winklers Aufzählung läßt sich um mehr als das Dreifache erweitern. Suidas zeitliche Ansetzung aber wird schon
durch Winklers Liste widerlegt. Denn gerade dieser Maler ist der älteste der drei Hofminiatoren. Seine Tätigkeit ist von
1422 an bis um 1450 nachweisbar, um ein Dezennium weiter zurück, als das für den Albrechts-Meister möglich ist.
Der seltene Umstand, einen Künstler in jener Zeit durch mehr als ein Vierteljahrhundert in seinem Schäften
beobachten zu können, gewinnt noch durch die vielfachen Datierungen an Wert, die für die folgenden entwicklungs-
geschichtlichen Betrachtungen eine sichere Grundlage bilden.
Wir beginnen mit dem schon von Winkler erwähnten Kodex 2780 der Nationalbibliothek, einer Schwabenspiegel-
Handschrift, mit angefügten Privilegien für Wiener-Neustadt, die vom Schreiber mit 1423 als Yollendungsjahr datiert ist1
(Abb. 4). Schon hier findet sich die für den Meister in fast unveränderter Form durchgehend bezeichnende Ornamentik,
die wir nun — ein für allemal — etwas genauer beschreiben wollen. Ihr Hauptmotiv ist die Akanthusranke, mit langen,
1 Siehe Kat. der Miniaturenausst. Nr. 91. Unsere Abb. gibt fol. 10. Das Blatt 8 mit der Paradiesdarstellung stammt als einziges nicht von der
Hand des Ladislaus-Miniators.
— 3 —
ein ganz flach aufgetragenes helles Lokal-
farbenkolorit unterstützen den streng or-
namentalen Charakter der Buchseiten.
Als Beispiel für den dritten Illumi-
nator unserer Gruppe nehmen wir das
Hauptblatt der schon erwähnten Gram-
matik für Ladislaus Posthumus (Abb. 3).
Die Ornamentik erinnert hier eher an die
des Meisters Martin, ist bunter, plastischer
und lebendiger als bei dem Albrechts-
Miniator. Der Ladislaus-Meister rahmt
die Blattflächen viel unregelmäßiger, er
bringt mit Vorliebe Drolerien: Bären,
Störche, Affen, in den Zweigen unter. Die
viel dichteren Deckfarben mit der lebhaften
Modellierung in Licht und Schatten stehen
in vollem Gegensatze zu den blassen
Lokaltönen jenes andern, unterscheiden
sich aber auch von dem mehr in Braun
und Grau gebrochenen, dunkler getönten
KoloritMartins.besonders durch die starke
Verwendung von Deckweiß für die Be-
tonung der Lichter. Die Gestalten sind mit
leichtem Pinsel, fast ohne Körpermodel-
lierung hingetupft, gehören in Bewegung
und Faltenwurf noch dem »weichen« Stil
an. Um so überraschender ist die Neu-
artigkeit des Raumgefühls unseres Malers.
Durch Übereckstellen der Szene, Raum-
durchsichten und Landschaftsausblick
wird eine Tiefenwirkung angestrebt, die den
ornamental flächenhaften Kompositionen
des einen wie der würfelförmigen, stets
parallel zur Bildebene aufgebauten Raum-
bühne des andern derbeiden Konkurrenten Abb. 3. Meister Michael, König Ladislaus im Gebet. Aus der Grammatik für Ladislaus Posthumus,
des Ladislaus-Miniators gleich fern steht. Wien, Xationalbibliothek.
Winkler von Winkenau hat in einer Abhandlung im 6. Bande des Jahrbuches des Stiftes Klosterneuburg, p. 163 ff.,
die sich mit der Miniaturmalerei im Stifte während des XV. Jahrhunderts beschäftigte, eine Gruppe von sieben Hand-
schriften des Malers zusammengestellt, an eine gemeinsame Werkstatt denkend. Suida hat, scheinbar ohne Kenntnis
von Winklers Arbeit und offenbar verführt durch die eigenartige Raumauffassung des Miniators, diesen für den jüngsten
unter den drei Meistern erklärt (der seiner Ansicht nach schon der nächstjüngeren Generation hinter den beiden andern
angehört). Er bezeichnet als sein frühestes Werk das 1445 gestiftete Missale der Grazer Universitätsbibliothek, auf das
wir noch zu sprechen kommen.
Winklers Aufzählung läßt sich um mehr als das Dreifache erweitern. Suidas zeitliche Ansetzung aber wird schon
durch Winklers Liste widerlegt. Denn gerade dieser Maler ist der älteste der drei Hofminiatoren. Seine Tätigkeit ist von
1422 an bis um 1450 nachweisbar, um ein Dezennium weiter zurück, als das für den Albrechts-Meister möglich ist.
Der seltene Umstand, einen Künstler in jener Zeit durch mehr als ein Vierteljahrhundert in seinem Schäften
beobachten zu können, gewinnt noch durch die vielfachen Datierungen an Wert, die für die folgenden entwicklungs-
geschichtlichen Betrachtungen eine sichere Grundlage bilden.
Wir beginnen mit dem schon von Winkler erwähnten Kodex 2780 der Nationalbibliothek, einer Schwabenspiegel-
Handschrift, mit angefügten Privilegien für Wiener-Neustadt, die vom Schreiber mit 1423 als Yollendungsjahr datiert ist1
(Abb. 4). Schon hier findet sich die für den Meister in fast unveränderter Form durchgehend bezeichnende Ornamentik,
die wir nun — ein für allemal — etwas genauer beschreiben wollen. Ihr Hauptmotiv ist die Akanthusranke, mit langen,
1 Siehe Kat. der Miniaturenausst. Nr. 91. Unsere Abb. gibt fol. 10. Das Blatt 8 mit der Paradiesdarstellung stammt als einziges nicht von der
Hand des Ladislaus-Miniators.
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