Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Miethke, Jürgen [Hrsg.]
Geschichte in Heidelberg: 100 Jahre Historisches Seminar, 50 Jahre Institut für Fränkisch-Pfälzische Geschichte und Landeskunde — Berlin, Heidelberg [u.a.], 1992

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2741#0011
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Historisches Seminar - Ecole des Annales

Zu den Grundlagen einer europäischen Geschichtsforschung

Karl Ferdinand Werner

Ein Jahrhundert „Historisches Seminar" an der Universität Heidelberg bedeutet für
viele unter uns, die an ihm zu ihrem Teil mitwirken konnten, ein Stück ihres geisti-
gen und beruflichen Lebens, Erinnerung auch an Lehrer, die nicht mehr unter uns
weilen - die wir nicht nur selbst gekannt haben, von denen wir auch deren Erinne-
rungen an die Generation vor ihnen kennen gelernt haben. Das ist die „Gegenwarts-
vorgeschichte", wie einer von ihnen, Fritz Ernst, sie genannt hat. Ein Jahrhundert
Historisches Seminar Heidelberg ist aber auch ein Teil der Geschichte historischer
Forschung und Ausbildung in Deutschland und Europa. Um beiden Aspekten ge-
recht zu werden, versuche ich, Heidelberger Erinnerungen aus achtzehn Jahren als
Student, Assistent, Lehrbeauftragter und Dozent zu verbinden mit den Erfahrun-
gen, die ich in Frankreich im Laufe eines Vierteljahrhunderts sammeln konnte. Per-
sönliches soll dabei nicht dominieren, nur belebender Vergegenwärtigung dienen.
Der durch dieses Verfahren möglich werdende Vergleich deutscher und französi-
scher Entwicklung rechtfertigt sich durch die herausragende Rolle beider Länder in
Vergangenheit, Gegenwart und, wie wir hoffen dürfen, Zukunft unserer Wissen-
schaft: von der Erudition und Methodengrundlegung eines Mabillon und der the-
matischen und darstellerischen Innovation eines Voltaire im 17. und IS. Jahrhun-
dert über die deutsche historische Schule des 19. Jahrhunderts, für die Niebuhr und
Ranke Symbolfiguren sind, bis zum internationalen Einfluß französischer Ge-
schichtswissenschaft in unserem Jahrhundert, für den Namen wie Marc Bloch, Lu-
den Febvre, Fernand Braudel und Georges Duby stehen mögen. Um die Jahrhun-
dertwende nannten sich die amerikanischen Anhänger Rankes „the New Histori-
ans", heute spricht man auch in den Vereinigten Staaten von der „Nouvelle
Histoire".

Doch wird es nicht bei einem Einblick in die Geschichte unseres Fachs an Hand
zweier führender Nationen und der von ihnen geleisteten Beiträge mit Ausblick in
die Zukunft bleiben - ich konnte in den beiden eben angesprochenen Phasen mei-
nes Historikerdaseins erkennen, wie außerordentlich eng die Zusammenhänge zwi-
schen den jeweiligen deutschen und französischen Errungenschaften gewesen sind
- viel mehr, als man es in beiden „Lagern" zuzugeben oder gar hervorzuheben be-
reit ist. Mehr noch, die politische Geschichte und die Rivalität unserer beiden Völ-
ker in den beiden letzten Jahrhunderten hat in überraschend starkem Maße auf die
Geschichte auch ihrer historischen Disziplinen bis hin zu den methodischen Ansät-
zen eingewirkt.
 
Annotationen