Das homerische Zeitalter.
151
359); Iris (s. oben S. 68 fg.) fliegt clahin, „wie Schnee- und
Hagelwolke vom Nordwind getrieben“ (II. XV, 171 fg., vgl.
XIX, 357 fg.); in der „κακή άνε'μοιο θύελλα“ (II. VI, 346) tritt
das natürliche Substrat wieder an Stelle der fortraffenden Har-
pyien ein; der Vergleich der männermordenden Schlacht mit
den Verheerungen, weiche die Winde unter den Bäumen der
Bergschlucht anrichten (II. XVI, 765 fg.), verwendet Motive,
welche einst zum Bilde von Dämonenkämpfen führten u. s. w.
Nun fehlt es freilich auch nicht an vereinzelten Zügen aus
uralt volksthümlichen, dämonistischen und natursymbolischen
Vorstellungsgebieten; aber dieselben ragen in die Dichtung
hinein wie Reste einer überwundenen Epoche; nur andeutungs-
weise und mit unwillkürlicher oder bewusster Zurückhaltung
geht der Sänger an ihnen vorüber. Wir sahen bereits oben,
wie viel er uns bei Erwähnung der Harpyie Podarge (II. XVI,
150 fg.) errathen lässt; Bellerophon siegt lediglich: ,,^εών τεράεσσι
πι^ήσας (II. VI, 183); Pegasos wird nicht genannt; der phan-
tastische Zug der Beflügelung dämonischer Rosse wird, trotz
ihrer übernatürlichen Eigenschaften, vermieden; die Beschrei-
bung der Mischform der Chimära (II. VI, 181) gehört wahr-
scheinlich erst dem Interpolator an; an die Sphinx wird gleich-
falls nur erinnert; über die Gestalt der Sirenen erfahren wir
nichts; von der Gorgotödtung scheint Homer nichts zu wissen,
ebenso wenig von solchen Heraklesthaten, welche gegen dämo-
nische Ungeheuer gerichtet sind. Die Kentauren, deren Rosse-
natur wir als ursprünglich gegeben betrachten durften (s. oben
S. 73 fg.) heissen nur φήρες δρέσκωοι, λαχνήεντες (II. I, 268; II, 743).
keineswegs mehr auf der ältesten Stufe der naiven Personificirung. Die
mythischen Gewebe sind in einem noch sehr durchsichtigen Stadium künst-
lich conservirt und werden vielfach durch spielende, künstliche Analogien
vermehrt; dann auch wieder lediglich als Gleichnisse angewandt. Auch
die Veden sind bereits Producte einer zunftmässigen Kunstpoesie.
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359); Iris (s. oben S. 68 fg.) fliegt clahin, „wie Schnee- und
Hagelwolke vom Nordwind getrieben“ (II. XV, 171 fg., vgl.
XIX, 357 fg.); in der „κακή άνε'μοιο θύελλα“ (II. VI, 346) tritt
das natürliche Substrat wieder an Stelle der fortraffenden Har-
pyien ein; der Vergleich der männermordenden Schlacht mit
den Verheerungen, weiche die Winde unter den Bäumen der
Bergschlucht anrichten (II. XVI, 765 fg.), verwendet Motive,
welche einst zum Bilde von Dämonenkämpfen führten u. s. w.
Nun fehlt es freilich auch nicht an vereinzelten Zügen aus
uralt volksthümlichen, dämonistischen und natursymbolischen
Vorstellungsgebieten; aber dieselben ragen in die Dichtung
hinein wie Reste einer überwundenen Epoche; nur andeutungs-
weise und mit unwillkürlicher oder bewusster Zurückhaltung
geht der Sänger an ihnen vorüber. Wir sahen bereits oben,
wie viel er uns bei Erwähnung der Harpyie Podarge (II. XVI,
150 fg.) errathen lässt; Bellerophon siegt lediglich: ,,^εών τεράεσσι
πι^ήσας (II. VI, 183); Pegasos wird nicht genannt; der phan-
tastische Zug der Beflügelung dämonischer Rosse wird, trotz
ihrer übernatürlichen Eigenschaften, vermieden; die Beschrei-
bung der Mischform der Chimära (II. VI, 181) gehört wahr-
scheinlich erst dem Interpolator an; an die Sphinx wird gleich-
falls nur erinnert; über die Gestalt der Sirenen erfahren wir
nichts; von der Gorgotödtung scheint Homer nichts zu wissen,
ebenso wenig von solchen Heraklesthaten, welche gegen dämo-
nische Ungeheuer gerichtet sind. Die Kentauren, deren Rosse-
natur wir als ursprünglich gegeben betrachten durften (s. oben
S. 73 fg.) heissen nur φήρες δρέσκωοι, λαχνήεντες (II. I, 268; II, 743).
keineswegs mehr auf der ältesten Stufe der naiven Personificirung. Die
mythischen Gewebe sind in einem noch sehr durchsichtigen Stadium künst-
lich conservirt und werden vielfach durch spielende, künstliche Analogien
vermehrt; dann auch wieder lediglich als Gleichnisse angewandt. Auch
die Veden sind bereits Producte einer zunftmässigen Kunstpoesie.