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Minst, Karl Josef [Übers.]
Lorscher Codex: deutsch ; Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Band 1): Chronicon. Urkunden Nrn. 1 - 166, mit Vermerken, welche die Geschichte des Klosters von 764 - 1175 und mit Nachträgen bis 1181 berichten — Lorsch, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.20231#0169
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solchen Verwegenheit zu erzählen, wie wir ihn von unseren Vorfahren gehört haben.
Möchten die Prälaten der Klöster, die derartige Beispiele nachahmen, daraus lernen und
ebenfalls einen derartigen Ausgang befürchten! Noch während der Purpurteppich brannte,
wurde Humbert plötzlich von heftigen Leibschmerzen ergriffen, und sein ganzer Körper
wurde gepeinigt von Qual und Fieber. In der folgenden Nacht, als er in seinem Schlaf-
gemach nicht so sehr durch seine Müdigkeit als vielmehr durch Gottes Willen tief ent-
schlummert war, wurde er unvermittelt durch heftige Schmerzen und brennenden Durst
geweckt. Während er Todesqualen litt, erhellte ein plötzliches Licht sein Schlafgemach.
Er sah eine Gestalt mit ehrfurchterweckendem leuchtendem Angesicht, flammenden Augen
und zorngerunzelter Stirne, bekleidet mit einem golddurchwirkten zerrissenen Purpur-
mantel, ausgezeichnet durch eine edelsteinfunkelnde Krone. Sein Bart schien golden, aber
halbverbrannt. In der Hand trug er eine mit Wein gefüllte Schale. Die Erscheinung fragte
Humbert, ob er Durst habe, und dieser versicherte, daß er heftig dürste. Auf die weitere
Frage, ob Humbert seinen Besucher kenne, verstummte der Abt und senkte die Augen.
„Ich bin"', sagte die Erscheinung, „Nazarius, der Herr und Schützer dieses Hauses und
dieser Familiengemeinschaft, welche Christus Jesus um den Preis seines Blutes erkauft hat.
Als Preis des von mir für ihn vergossenen Blutes verlieh er mir in hundertfacher Vergel-
tung das himmlische ewige Leben (Matth. 19, 21). Du aber hast dieses Haus, diese unter
meinem Recht stehende Gemeinschaft, für die ich sorge, schlimmer behandelt als die Kreu-
zigungsknechte Christi. Du hast erschlichen, zerrissen, gespalten, du hast deinen Kriegs-
knechten den aus einem Stück gewobenen Rock (Job. 19, 23) durch das Los zugeteilt, du
hast in des Herrn Angesicht und in meinen Mund geschlagen, diesen meinen Bart hast du
schmählich versengt. Von Christus, dem Richter, von Christus, dem Rächer, wirst du die
deinen Taten angemessenen Strafen erhalten. Wahrlich, du wirst von nun an nicht mehr
trinken von diesem Gewächse des irdischen Weinstockes (Matth. 26, 29), sondern um die
neunte Stunde dieses Tages wirst du empfangen den Kelch des Zornes von der Hand des
Herrn (jesaias 51, 17), von dem alle Sünder der Erde trinken werden." Nach diesen Wor-
ten verschwand die Erscheinung und der augenblicklich eintretende Tod beglaubigte sie.
So viel aus dem Berichte unserer Verfahren, welche die Gewähr für die getreue Schilde-
rung der Geschehnisse übernehmen. Nicht zu müssigem Zeitvertreib haben wir das erzählt,
sondern in einer bestimmten Absicht. Denn heutzutage sind die Prälaten unserer Klöster
nicht so sehr praelati (Vorgesetzte) als vielmehr elati (Stolze), sie sind Herren und nidit
Väter, exactores (Vollstrecker) und nicht pastores (Hirten). W'enn sie schon das Beispiel
von Balthasar, Antiochus oder Heliodor nicht schreckt, so möge wenigstens das Beispiel
unseres Humbert seine abschreckende Wirkung nicht verfehlen.

VERMERK 120a

Im Jahre . . . (1037) nach des Herrn Menschwerdung wurde, als Nachfolger von Hum-
bert, Brüning aus dem Kloster Fulda gewählt, ein Mann von lobenswerten Sitten und
guten Werken. Obwohl er von häufigen Eingeweide-Schmerzen gequält wurde, „trug
er doch täglich Sorge" (2 Kor. 11, 28), beständig voll Eifer, umsichtig in der Verwaltung
der Klostergeschäfte. Und wie das Gold im Ofen geläutert wird, so bewährte er sich in
langen Leiden. Er ging hinüber zum Herrn im 7. Jahre seines Dienstes (9. Mai 1043). Er
ersetzte den Kirchenornat, den Humbert geraubt hatte, und vermehrte ihn noch durch
Chormäntel. Er erwarb das Dorf Beddenkircha (Beedenkirchen nordöst. Bensheim), hielt
 
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