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Nil.
13. Nil (Tafel 21).
Das Wunder des Nils ist oft behandelt. Es wäre seltsam, fehlte in unseren Götterfiguren
ein Bild dieses Lebensgestalters. Der ägyptische Typus findet sich nicht1); aber drei Fragmente
griechischer Arbeit, 210—212, sind vorhanden, ein Stückchen Fayence, 211, ein Lampengriff, 212,
ein einfaches Figürchen, 210, alle aus der mittleren Kaiserzeit; in leichten Varianten wieder-
holen sie einen frühhellenistischen Typus des Gottes. Er sitzt lässig, bald höher, bald tiefer;
gelagert, wie in der Vatikanischen Statue und auf Münzen2), kenne ich ihn in Terrakotten
nicht. Leicht die mit dem Mantel umhüllten Beine übereinanderlegend, lehnt er sich an eine
Sphinx alten Stils, 210, 211, wie sonst Euthenia oder Ägyptus3), oder sitzt tiefer, und Putten
klettern an ihm empor, 2104), oder erhöht, und er wendet den Kopf zu einer neben ihm am
Boden gelagerten Euthenia5), die zu ihm aufblickt6). Der Schilfkranz oder Knospen7) sind der
Schmuck des dichten Lockenhaars, der Schilfstengel, 212, das Füllhorn, im Arm, 212, oder
auf den Schenkel gestützt — leer 210 — seine Attribute.
Furtwängler hat in der Beschreibung der Tazza Farnese8), in welcher, ähnlich wie 211,
der Nil der Euthenia gegenübersitzt, zwei Bildtypen des Gottes festgestellt, den sitzenden — „der
eigentliche Kulttypus in Alexandrien" — und den liegenden: „eine Naturpersonifikation". Ich sehe
darin keinen präzisen, inneren Gegensatz; denn auch der sitzende wird mit der Fülle der
Zutaten geschmückt wie jener (211 und Anm. 4); auch er wird in Gruppen (212 und Anm. 5)
und Szenen, die plastisch unausführbar erscheinen, verwendet (Anm. 6, Dattari Taf. XX). Man
gibt gerne zu, daß der sitzende Typus in seiner isolierten, einfach-plastischen Form durch die
Tazza Farnese, wo er schon als Kompositionsglied erscheint, als frühhellenistisch erwiesen wird;
möglich ist auch, daß er früh schon Kultbild gewesen oder als solches geschaffen ist9), zumal
er von dieser Zeit an feste Gestalt gehabt hat. Ist nicht der liegende der gleiche, manchmal
9 Er ist in den Tempeldarstellungen sonst wenig bekannt; außerhalb Ägyptens ein Ex. der Villa Hadriana, Marucchi,
Cat. Vat. Eg. Nr. 38; vgl. für den androgynen Kult, die Tracht der Nilpriester, das Fortbestehen des äg. Ritus meine drei
Untersuchungen S. 21, 8. Unter den Terrakotten vielleicht eine aus Karlsruhe, Untersuchungen ebd.
2) Auch öfter in Reliefs: z. B. eines des Alexandrin. Museums, bez. mit Nr. 3169; Euthenia im Isismantel daneben.
Auch eine kleine Statue des Vat. Egizio, Marucchi 56. Oder auf der Vatikan. Rundbasis, Gall. Candelabri 31, wo am Boden neben
ihm das Krokodil wie auf den alex. Münzen Dattari, Taf. XIX u. XX. Hinter ihm auf einer Würfelbasis „alte" Sphinx, daran
gelehnt Euthenia im Isismantel mit Füllhorn. — Nil mit Sarapis und Isis in der Inschrift aus der Zeit des I. Euergetes,
jetzt bei Preisigke, Sammelbuch 585.
3) Vgl. Anm. 2;viele Beispiele bei Dattari, Taf. XIII. Die Euthenia der Tazza Farnese, Furtwängler, Gemmen, Taf. LV;
die „Aegyptus" in der „Ankunft der lo", Herrmann-Bruckmann, Malerei, Taf. 56; vgl. auch den Harpokrates oben Nr. 93.
4) Nicht bloß der liegende Typus hat sie. Unser sitzender z. B. Edgar, Greek Moulds XXI, 32 341. Dattari, Taf. XX,
3500, 3501. Den fahrenden umhüpfen sie im Kreis, Dattari, Taf. XX, 1006.
5) Euthenia gesichert durch die Münzen mit Aufschrift; vgl. Dattari, Taf. XIII, oben S. 34, Anm. 8. Sie ist Frau des Nils
(1809 u. andere), bekränzt den siegreichen Nil, Dattari 2775 (Nil als Triumphator, ebd. 1005, 1006) begrüßt ihn mit dem
Sistrum 1811, lagert ihm gegenüber, Dattari 1017, Tazza Farnese Anm. 3, mit ihm als Frau, Dattari 1809, 2781, 4341, 4904,
5405. Sie kann kaum eine andere als die Göttin des Katarakts, wo der Nil entspringt, Anukit sein, die altägyptisch dar-
gestellt wird, wie sie aus Kannen Wasser ausgießt, um die eintretende Überschwemmung anzudeuten. Brugsch, Thesaurus I,
35. In 212 trägt sie wohl den Isismantel wie auf der Tazza Farnese, vgl. auch Anm. 2 und die Münzen. Auch oben S. 60.
6) Öfter: z. B. zweites Ex. bei Arndt. Ohne Euthenia, in symmetrischem Pflanzengeschlinge auf Akanthoskelch,
z. B. Karlsruhe H. 847; zweites Ex. Slg. Loeb 247 (Hinweis v. Zahn). Alle aus der gleichen Fabrik.
7) Schilfkranz, z. B. Dattari, 635, XIX. Zweig mit zwei Knospen, zumeist auf den Münzen, Dattari, Taf. XIX. Auch
bei den Anm. 4, 6 genannten. Vgl. oben S. 59.
8) Gemmen I, Taf. LV, II, S. 253ff. Die großzügige Pracht dieses frühhellenistisch-alexandrinischen Werks, das die
Vergrößerung verträgt und verlangt, wird erst im Lichtbild klar. Wer sich das klar gemacht hat, wird leicht auf den
Gedanken kommen, das sei eine große Tondokomposition.
9) Es ist ausdrücklich zu erinnern, daß die Münzen Datt. XXIX, 3051, 3801, die ihn im Tempel zeigen (Furtwängler
255), auf einen hadrianischen Tempel zu beziehen sind. Lit.: meine „Drei Untersuchungen", 20, 6.
Nil.
13. Nil (Tafel 21).
Das Wunder des Nils ist oft behandelt. Es wäre seltsam, fehlte in unseren Götterfiguren
ein Bild dieses Lebensgestalters. Der ägyptische Typus findet sich nicht1); aber drei Fragmente
griechischer Arbeit, 210—212, sind vorhanden, ein Stückchen Fayence, 211, ein Lampengriff, 212,
ein einfaches Figürchen, 210, alle aus der mittleren Kaiserzeit; in leichten Varianten wieder-
holen sie einen frühhellenistischen Typus des Gottes. Er sitzt lässig, bald höher, bald tiefer;
gelagert, wie in der Vatikanischen Statue und auf Münzen2), kenne ich ihn in Terrakotten
nicht. Leicht die mit dem Mantel umhüllten Beine übereinanderlegend, lehnt er sich an eine
Sphinx alten Stils, 210, 211, wie sonst Euthenia oder Ägyptus3), oder sitzt tiefer, und Putten
klettern an ihm empor, 2104), oder erhöht, und er wendet den Kopf zu einer neben ihm am
Boden gelagerten Euthenia5), die zu ihm aufblickt6). Der Schilfkranz oder Knospen7) sind der
Schmuck des dichten Lockenhaars, der Schilfstengel, 212, das Füllhorn, im Arm, 212, oder
auf den Schenkel gestützt — leer 210 — seine Attribute.
Furtwängler hat in der Beschreibung der Tazza Farnese8), in welcher, ähnlich wie 211,
der Nil der Euthenia gegenübersitzt, zwei Bildtypen des Gottes festgestellt, den sitzenden — „der
eigentliche Kulttypus in Alexandrien" — und den liegenden: „eine Naturpersonifikation". Ich sehe
darin keinen präzisen, inneren Gegensatz; denn auch der sitzende wird mit der Fülle der
Zutaten geschmückt wie jener (211 und Anm. 4); auch er wird in Gruppen (212 und Anm. 5)
und Szenen, die plastisch unausführbar erscheinen, verwendet (Anm. 6, Dattari Taf. XX). Man
gibt gerne zu, daß der sitzende Typus in seiner isolierten, einfach-plastischen Form durch die
Tazza Farnese, wo er schon als Kompositionsglied erscheint, als frühhellenistisch erwiesen wird;
möglich ist auch, daß er früh schon Kultbild gewesen oder als solches geschaffen ist9), zumal
er von dieser Zeit an feste Gestalt gehabt hat. Ist nicht der liegende der gleiche, manchmal
9 Er ist in den Tempeldarstellungen sonst wenig bekannt; außerhalb Ägyptens ein Ex. der Villa Hadriana, Marucchi,
Cat. Vat. Eg. Nr. 38; vgl. für den androgynen Kult, die Tracht der Nilpriester, das Fortbestehen des äg. Ritus meine drei
Untersuchungen S. 21, 8. Unter den Terrakotten vielleicht eine aus Karlsruhe, Untersuchungen ebd.
2) Auch öfter in Reliefs: z. B. eines des Alexandrin. Museums, bez. mit Nr. 3169; Euthenia im Isismantel daneben.
Auch eine kleine Statue des Vat. Egizio, Marucchi 56. Oder auf der Vatikan. Rundbasis, Gall. Candelabri 31, wo am Boden neben
ihm das Krokodil wie auf den alex. Münzen Dattari, Taf. XIX u. XX. Hinter ihm auf einer Würfelbasis „alte" Sphinx, daran
gelehnt Euthenia im Isismantel mit Füllhorn. — Nil mit Sarapis und Isis in der Inschrift aus der Zeit des I. Euergetes,
jetzt bei Preisigke, Sammelbuch 585.
3) Vgl. Anm. 2;viele Beispiele bei Dattari, Taf. XIII. Die Euthenia der Tazza Farnese, Furtwängler, Gemmen, Taf. LV;
die „Aegyptus" in der „Ankunft der lo", Herrmann-Bruckmann, Malerei, Taf. 56; vgl. auch den Harpokrates oben Nr. 93.
4) Nicht bloß der liegende Typus hat sie. Unser sitzender z. B. Edgar, Greek Moulds XXI, 32 341. Dattari, Taf. XX,
3500, 3501. Den fahrenden umhüpfen sie im Kreis, Dattari, Taf. XX, 1006.
5) Euthenia gesichert durch die Münzen mit Aufschrift; vgl. Dattari, Taf. XIII, oben S. 34, Anm. 8. Sie ist Frau des Nils
(1809 u. andere), bekränzt den siegreichen Nil, Dattari 2775 (Nil als Triumphator, ebd. 1005, 1006) begrüßt ihn mit dem
Sistrum 1811, lagert ihm gegenüber, Dattari 1017, Tazza Farnese Anm. 3, mit ihm als Frau, Dattari 1809, 2781, 4341, 4904,
5405. Sie kann kaum eine andere als die Göttin des Katarakts, wo der Nil entspringt, Anukit sein, die altägyptisch dar-
gestellt wird, wie sie aus Kannen Wasser ausgießt, um die eintretende Überschwemmung anzudeuten. Brugsch, Thesaurus I,
35. In 212 trägt sie wohl den Isismantel wie auf der Tazza Farnese, vgl. auch Anm. 2 und die Münzen. Auch oben S. 60.
6) Öfter: z. B. zweites Ex. bei Arndt. Ohne Euthenia, in symmetrischem Pflanzengeschlinge auf Akanthoskelch,
z. B. Karlsruhe H. 847; zweites Ex. Slg. Loeb 247 (Hinweis v. Zahn). Alle aus der gleichen Fabrik.
7) Schilfkranz, z. B. Dattari, 635, XIX. Zweig mit zwei Knospen, zumeist auf den Münzen, Dattari, Taf. XIX. Auch
bei den Anm. 4, 6 genannten. Vgl. oben S. 59.
8) Gemmen I, Taf. LV, II, S. 253ff. Die großzügige Pracht dieses frühhellenistisch-alexandrinischen Werks, das die
Vergrößerung verträgt und verlangt, wird erst im Lichtbild klar. Wer sich das klar gemacht hat, wird leicht auf den
Gedanken kommen, das sei eine große Tondokomposition.
9) Es ist ausdrücklich zu erinnern, daß die Münzen Datt. XXIX, 3051, 3801, die ihn im Tempel zeigen (Furtwängler
255), auf einen hadrianischen Tempel zu beziehen sind. Lit.: meine „Drei Untersuchungen", 20, 6.