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MITTEILUNGEN
DER GALERIE HELBING
MÜNCHEN
Nr. r t5. Februar ryrz r.Jahrg.

DIE SAMMLUNG GASSER.
Spezialsammlungen haben immer ihren eigenen
Reiz. Schätzen mir an einer allgemeinen Antiqui-
tätensammlung Dor allem den Reichtum an deko-
ratiüer Pracht, das repräsentatiDe Gepränge und die
Harmonie im Zusammenklang der Derschiedensten
Künste und Kunstperioden, so ersdiließt sidi dem
Kenner eine gute Spezialsammlung mit einer stilleren,
aber Dielleicht um so innigeren Freude. Hier kann er
einer bestimmten Kunstgattung in allen ihren künst-
lerischen und technischen Ausdrucksmöglichkeiten nach-
gehen, er kann ihr Entstehen, Aufsteigen und Ver-
klingen an sich norüberziehen lassen, er kann die
oieifadien Beeinflussungen Don außen und unter sich
selbst, ihre Künstler, Schulen und Richtungen bis
ins einzelne Derfolgen und gerade in einer solchen
Sammlung roerden ihm im Nebeneinanderstellen und
Vergleidien neue interessante Resultate zum Be-
roußtsein kommen. Eine so geartete Sammlung hat
Se. Exzellenz Rudolf Freiherr Don Gasser in München,
langjähriger bayerischer Gesandter in St. Petersburg,
der am zs. NoDembertyoi gestorben ist, hinterlassen.
Heute liegen ihre reidien Bestände, die mit großer
Sachkenntnis und offenbar an Dersdiiedenen Kunst-
plätzen des Kontinents zusammengetragen sind, über-
sichtlich geordnet in einem umfangreichen Katalog.
„Europäische Keramik des r£. bis rs. Jahrhunderts“
mit 22 Lichtdrucktafeln, mehreren Textklischees und
Dielen Markenabbildungen Dor. Aus ihm geht klar
die Signatur der Sammlung herDor. Der Verstorbene
roollte in möglichst umfassender Weise die Gefäß-
keramik Deutschlands, in zroeiter Linie diejenige
Europas zusammenstellen. Die drei großen techni-
schen Unterabteilungen. Steinzeug, ßayence, Por-
zellan repräsentieren sich in all ihren bedeutenden
Formentypen und in sehr Dielen ihrer Manufakturen.
Nur mit roenigen Exemplaren ist dagegen die plasti-
sche Keramik Dertreten.
Die Sammlung setzt historisch da ein, roo mir
zuerst oon einer roirklidi künstlerisdi Deredelten

Gefäßkeramik in Deutschland sprechen dürfen, näm-
lich mit dem rheinischen Steinzeug. Siegburg, Raren,
der Westerroald bringen in ihren Pullen, Bauch-,
Rosetten- und Schenkkrügen, ihren Triditerbechern
und Salzfässern, ihre große Gestaltungskraft für Ge-
brauchsgegenstände und in den ornamentalen und
reliefierten Dekorationen ihr künstlerisches Vermögen
zum Ausdruck.
Gleichzeitig mit der rheinischen Keramik nimmt
die Steinzeugfabrikation im fränkischen Kreussen
und dem benachbarten Sachsen einen künstler-
ischen Aufschroung. Diese Richtung ist nur mit
roenigen braunen oder buntemaillierten Exemplaren
Deirieten. Einige Proben lieferte auch das spate
Bunzlau.
Dafür erscheint um so zahlreicher und bedeu-
tender der technische und künstlerische Höhepunkt
der deutsdien, ja der europäischen Steinzeugfabri-
kation. das neu erfundene rote Böttgersteinzeug. An
Dielen Proben können roir die anfangs tastenden,
dann immer mehr des Materials herrroerdenden Ver-
suche des genialen „Alchimisten“ Derfolgen, roie ihm
anfangs der ungleichmäßige oder zu schroarz ge-
ratene Brand, dann die Formgebung nach chine-
sischen Modellen oder nach deutschen Edelmetall-
gefäßen, zuletzt der Dekor mit Reliefauflagen, mit
Granieren, Ausheben, Schleifen und Glasieren immer
neue Probleme und Lösungen stellen. Manches
Stück, roie das glasierte mit dem unDollkommen
geratenen Emailauftrag, oder das mit der einge-
schnittenen Ornamentik ist als Versuchsstück inter-
essant, andere, so mehrere geschliffene Walzen-
krüge und Kännchen imponieren durdi ihre tech-
nische Vollendung. Audi Don den plastischen Ver-
suchen Böttgers sind zroei Exemplare der Büste des
Kaisers Vitellius, eines hellrot, das andere eisenfarbig,
Dorhanden.
Bald rourde dies tedmisch roie künstlerisdi be-
friedigende rote Steinzeug an anderen Fabriken
nachzumadien Dersucht. Erst seit kurzem missen roir


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