Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gesellschaft für Historische Kostüm- und Waffenkunde (Berlin)
Mitteilungen der Gesellschaft für Historische Kostüm- und Waffenkunde zu Berlin — 9.1959

DOI Artikel:
Nickel, Helmut: Männertracht und Waffen in Knossos und Mykene
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.70778#0011
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
- 9 -
der "Kriegervase" sondern auch auf den Stierspringer-Fresken und auf dem
"Fresko der festlichen Volksmenge". Baß er vor allem bei diesen kultisch
bestimmten Gelegenheiten getragen wird, deutet darauf hin, daß er älter
als der "Trapezsohurz" sein dürfte. Auffälligerweise erscheint er zusam-
men mit einem merkwürdigen Trachtenstück, das in der Ethnologie als Penis-
futteral bezeichnet wird. Während die Frauentracht Beziehungen zur bronze-
zeitlichen Tracht Nordeuropas hat (Mädchen von Egtved), findet dieser Klei-
dungstypus seine Entsprechungen in Afrika. Auf ägyptischen Reliefs aus der
I. Dynastie sieht man Krieger nur mit Gürtel und Penisfutteral bekleidet.
Den Hüftponcho in einer rudimentären Form, nur als Hinterschurz, tragen
die Marschierenden auf der sog. "Schnittervase". Wenn man auf der ägypti-
schen Darstellung eines Kreters den Schurz, dessen unterer Rand leider
nicht erhalten ist, der aber deutlich die Schamhülse zeigt, als aus Leo-
pardenfell, also aus Leder bestehend, anspricht, so sei darauf hingewiesen,
daß Krieger ostafrikanischer Völkerschaften Penisfutteral und Sitzleder
(zum Schutz gegen Domen usw.) in Art der "Schnittervase" bis ins 20. Jahr-
hundert trugen.

Bei dem "Keftiu" ist außer der originellen Darstellung des gelockten
Haares die Hörnerfrisur interessant, die auch auf kretischen Krieger-
bildern vorkommt.

Die Männertracht auf dem griechischen Festland ist der kretischen nur in-
soweit verwandt, als auf vielen Siegelbildern oder ähnlichen Darstellungen,
wie auf dem berühmten Löwenkampfdolch von Mykene, ein oft als Hose ange-
sprochenes Kleidungsstück erscheint, das aber in Wirklichkeit wohl ein
Schurz ist, dessen Zipfel zwischen den Beinen hindurchgezogen und im Gür-
tel festgesteckt wurde. Sonst ist das Hauptkleidungsstüok auf dem Fest-
lande ein kurzärmeliger Kittel, der manchmal rautenartige Musterung zeigt.
Die Krieger tragen auch gamaschenartige "Beinschienen", die aber anschei-
nend nicht aus Metall sondern Stoff- oder Lederhüllen sind.

Bei Homer tritt häufig die Redewendung "der Held, rüstig im Leibgurt"
oder "prangend im Gurt" u. a. auf, auch ist oft von "schöngegürteten
Frauen" die Rede. Da bei den Griechen nach der Dorischen Wanderung oder
gar in der klassischen Zeit der Gürtel eine untergeordnete Rolle spielte,
ist dies eine deutliche Reminiszenz an die Tracht der kretisch-mykeni-
schen Bronzezeit.
 
Annotationen