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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Schrader, Julius: Heilige Nacht
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Wiernsz-Kowalsky, Alfred: Von Wölfen verfolgt
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Simm, Franz Xaver: Ungelegener Besuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0130

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46

MODERNE KUNST.

orientalischen Völker genau Bescheid wusste. In welchem Masse dies der
Fall ist, lehrt das von uns reproducirte neuere Bild „Heilige Nacht“. Selbst
diese Wiedergabe in Schwarzdruck lässt erkennen, über welch glänzendes
Kolorit der Künstler verfügt: die Koncentrirung des gesammten Lichtes
auf die Figur des Kindes ist vorzüglich gelungen und äusserst wirkungsvoll.
Neben den bereits genannten umfangreichen Arbeiten aus der Zeit
der fünfziger und sechziger Jahre entstanden die Wandmalereien der Ber-
liner Schlosskapelle, woselbst Schrader die zwölf ersten christlichen Mon-
archen von Karl dem Grossen an zur Darstellung brachte; ferner malte er
für den römischen Kuppelsaal des Neuen Museums die Einweihung der
Sophienkirche in Konstantinopel.
Zu den späteren Historienbildern des Künstlers gehört „ Philippine
Welser vor König Ferdinand“ und die 1874 vollendete figurenreiche „Hul-
digung der Städte Berlin und Köln im Jahre 1415“, welche für die Ber-
liner Nationalgalerie erworben wurde. In dem weiten gothischen Saale
ist die festlich geputzte Schaar des Adels und der Vertreter der märki-
schen Städte versammelt. Links im Hintergründe steht unter einem Bal-
dachin Kurfürst Friedrich; ihm zur Rechten befindet sich seine Gemahlin,
die „schöne Else", an die sich ihr jüngster Sohn, der nachmalige Kurfürst
Friedrich II., schmiegt. Der ältere Sohn, Prinz Johann, hat zur Linken des
Vaters als Träger des kurbrandenburgischen Banners Aufstellung ge-
nommen. Der zwischen dem Kurfürst und den Huldigenden befindliche
berlinische Propst Johann von Waldow verliest die Verschreibung des
Kaisers Sigismund und die Formel des Huldigungseides, welchen die vor
einem Betpult knieenden Bürgermeister von Berlin und Köln, Niclas Winn
und Claus Schultze, beschwören. Die Prunksucht jener Zeit gab dem
Künstler Gelegenheit, durch die Wiedergabe der reichen Gewänder und
Rüstungen höchst effektvolle koloristische Wirkungen zu erzielen. Wie
immer imponirt der Maler durch diese Fülle von Einzelheiten, welche ein
äusserst gewissenhaftes Studium zur Vorbedingung machen.
Auch im Porträtfache hat sich Schrader mit zahlreichen und bedeu-
tenden Leistungen — wir nennen nur die Bildnisse Alexander von Hum-
boldts, Cornelius’, Leopold von Ranke’s, des Konsuls Wagener, des Grafen
Moltke, des Bildhauers Albert Wolff und das Selbstporträt des Künstlers —
hervorgethan.
Julius Schrader ist königl. Professor und Lehrer an der Berliner, ausser-
dem Mitglied der Wiener und Dresdener Akademie, Inhaber mehrerer Orden
sowie der kleinen und grossen goldenen Berliner, der grossen goldenen
Pariser und Weimaraner und der Wiener Kunstmedaille vom Jahre 1873.

LXXVI.

VON WÖLFEN VERFOLGT
VON
ALFRED WIERNSZ-KOWALSKY.

ie Gegenden im Osten unseres Vaterlandes und in Russisch-
Polen haben schon an und für sich wenig Reiz — sie
werden aber geradezu ungemüthlich, wenn ein strenger
Winter auf längere Zeit seine Herrschaft ausübt, der
Wind den Schnee hoch in die Luft wirbelt und die
Wölfe, von Hunger geplagt, jede Scheu vor dem Menschen
verlieren und sich bis in die Dörfer hineinwagen. Eine
der verschiedenen Scenen, die dann täglich in dem
Kampfe ums Dasein zwischen Mensch und Bestie Platz
greifen, schildert der bekannte polnische Maler Wiernsz-
Kowalsky in dem Gemälde „Von Wölfen verfolgt“. Ein
gefährliches Wettrennen findet da statt; zu immer tollerem
von Todesangst gepeinigte Kutscher sein Dreigespann an,
und immer schneller, hurtiger folgen die ausgehungerten Wölfe — immer
kleiner wird der Zwischenraum, der sie von dem dahinsausenden Schlitten
trennt. In diesem sitzt der Gutsherr, eine martialische Gestalt, die sich nicht
so leicht in Furcht bringen lässt; in der rechten Hand hält der kühne Jägers-
mann die Flinte und sein Auge späht nach der Stelle, wo der Schuss tödtlich

Laufe treibt der


wirkt. Aber es ist selbst für einen Scharfschützen keine Kleinigkeit, in
dem hin und her schleudernden Schlitten sicher zu zielen — und wehe,
wenn die beiden Schüsse, welche die Büchse enthält, fehlgehen sollten!
Dann gilt es einen letzten verzweifelten Kampf — wer kann sagen, ob
die Intelligenz oder die rohe Gewalt den Sieg davontragen wird. Und
weil der Herr Gutsbesitzer die letztere Eventualität nicht für unmöglich
hält, zögert er noch mit dem Schüsse; ganz nahe muss die Kanaille
kommen, dann wird er das Ziel schon nicht verfehlen. Freilich tauchen,
wenn der eine Wolf auch abgethan, immer neue unheimliche Bestien auf
und die Hetzjagd, bei der auch einmal der Mensch die Rolle des Wildes
übernimmt, wird erst ein Ende haben, wenn das Hofthor erreicht und
Hülfe nahe ist.
Diesen packenden Vorwurf hat Wiernsz-Kowalsky mit der ihm eigenen
energischen Darstellungsweise in flotter Manier behandelt. Alles athmet
Leben, Natur Wahrheit; man fühlt sich ordentlich in die Situation hinein
versetzt, hört das Geschnaufe der Pferde, das Aechzen des Schlittens, das
heisere Gebell der Wölfe. Die weisse Fläche der Schneelandschaft ist
ebenfalls äuserst virtuos behandelt; das ist in der That das Leichentuch,
welches Alles begräbt, die Schneewüste, welche jedes Zeichen von Wachs-
thum und Leben vernichtet.
Unter den polnischen Malern der Neuzeit nimmt Wiernsz-Kowalsky
eine hervorragende Stelle ein. Geboren im Jahre 1849 zu Suwalki im
Gouvernement Augustowo, wo sein Vater den Posten eines Justizbeamten
bekleidete, besuchte er zunächst das Gymnasium zu Kalisch und begann
dann seine ersten künstlerischen Sudien in Warschau. Später ging er nach
Dresden und nach München, wo er in der Malschule A. Wagners und in
der Werkstatt Josef Brandt’s arbeitete. Mit seinen ausschliesslich der
Schilderung von Episoden aus dem polnischen Leben gewidmeten Arbeiten
hat er in allen Ländern Beifall erworben. Die diesjährige Münchener
Internationale Kunstausstellung wies gleichfalls ein sehr ansprechendes Bild:
„Bauernhochzeit“ auf.

LXXVII.

UNGELEGENER BESUCH

VON

FRANZ SIMM.

edermann weiss, wie unangenehm einem das ist, was man
schlechtweg mit „ungelegenem Besuch" bezeichnet. Man
will ausgehen und hat gerade etwas Eiliges zu besorgen,
da erscheint plötzlich ein Gast, den man nicht vor die
Thür setzen kann . . . man will ein Schlummerstündchen
halten und hat sich bereits auf das Sofa hingestreckt
— pardauz, es tritt ein Bekannter herein, dem man
Rücksichtnahme schuldet, und anstatt das Dolce far niente
zu geniessen, muss man den Geistreichen und Liebens-
würdigen spielen... oder zwei Freundinnen wollen einander
ihre Liebesbriefe vorlesen oder einen Roman ungestört
werden aber durch den Besuch des Herrn Pfarrers gestört

„verschlingen“,
und müssen nun das Thema ihrer Unterhaltung ändern und dieses auf
mehr erbauliche, wenn auch weniger interessante Gebiete lenken. Ja, ja,
ungelegener Besuch! Das Leben führt so manche bittere Stunde mit, die
durchgekostet werden muss — wohl dem, der Philosoph genug ist, um
auch dem Unangenehmen eine gute Seite abzugewinnen. Die beiden vor-
nehmen Schönen auf unserem Bilde werden schon mit Hochwürden fertig
werden — wer kann gegen solchen Uebermuth, wie ihn das Gesicht der
in den Sessel zurückgelehnten Holden zeigt, siegreich ankämpfen! Freilich,
mit dem Tete-ä-tete ist’s für heute vorbei; aber ein lustiges Wortgefecht
mit dem Pfarrer ist auch nicht zu verachten . . . Das Bild Simm’s hat dem
geschilderten Vorgang eine wirksame Umrahmung gegeben; die hoch-
elegante Toilette der Damen ist äusserst effektvoll gemalt worden, das
Interieur zeigt Vornehmheit und dazu stimmt auch die Charakteristik der
 
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