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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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168

MODERNE KUNST.

Ein junger König. Originalzeichnung von R. Friese.

Herr Anton Wichers gehorchte instinctiv und sass gleich darauf im
weichen Acker. Der Fremde aber lachte hell auf, griff in Rhadamant’s
flatternde Mähne und schwang sich leicht auf dessen sattellosen Riicken.
Dann jagte er weiter, gerade auf die steile Böschung des Ufers los. Sein
langer Vollbart wehte im Winde.

„Heissa! Hussa!“

An dem Vollbart erkannte ihn Leo. Mit einem Ruck hielt sie Lisa
an und starrte aus weitgeöffneten Augen hinüber. Oh, wie sie ihn hasste,

den dort, der voll wilden Uebermuths sein Leben in die Schanze schlug!
Warum er es that? Bah,waskümmerte es sie? Sie hasste ihn! Und dennoch—-

Ihr Herz klopfte ihr zum Zerspringen, da sie ihn das Ufer hinanjagen
sah. Sie fühlte, wie ihr Gesicht bleich wurde und wie ein Zittern durch
ihren Körper rann. Aber diesmal schloss sie die Augen nicht. Sie wollte
es sehen. Und sie sah es. Sie sah, wie auf der Spitze der Böschung
der Ilengst auf den Hinterhufen steil in die Höhe stieg, wie er mit den
Vorderhufen die Luft durchhieb und sich dann jählings um sich selbst
drehte. Dann — in langen Sätzen kam er zurück, auf dem Acker in einen
ruhigen Trab fallend.

Leo athmete unwillkürlich auf und brach, ohne es zu wissen, in
Thränen aus. Aber sie rührte sich nicht von der Stelle; selbst dann
nicht, als Herr Anton Wichers nach einerWeile ein wenig humpelnd und
Rhadamant am Zügel führend zu ihr kam. Der Fremde schritt bereits in
der Ferne dem Walde zu.

Erst die Stimme des Cowboysiegers schreckte sie auf.

„Zu dumm!“ sagte er mit einem gezwungenen Lachen. „Der Mensch
da hat wahrhaftig geglaubt, dass ich den Gaul nicht mehr in der Gewalt
hätte. Stiess mich mit seiner ungeschlachten Faust einfach herunter.
Reiten kann er ja wohl ein Bischen, obwohl — uralter Cowboy-Tric das,
was er da am Wasser machte! Ich hatte genau dasselbe vor. Hab's ja
tausend mal ausgeführt. Aber — Herrgott, Gnädigste weinen? Aber
warum denn? Ich schwör's Ihnen zu, parole d'honneur, ich . . .“

Leo hörte ihn schon nicht mehr. Sie jagte hinter dem fremden
Menschen her. Am Saum des Waldes holte sie ihn ein.

„Und Sie stehlen sich fort?“ rief sie ihm voll zorniger Empörung zu.
„Und lassen sich nicht einmal danken?“

Er sah achselzuckend zu ihr auf.

„Wozu?“

Seine Ruhe brachte ihr Blut noch mehr in Wallung und trieb ihre
Thränen noch stärker hervor.

„Wozu? Weil ich an der ganzen Geschichte schuld bin; weil ich
ihn — na, uzen wollte für seine Prahlereien und deshalb Rhadamant eins
überhieb. Ich dachte ja nicht, dass er ein solcher Sonntagsreiter wäre!
Na, und nun bin ich in Ihrer Schuld, und ich will nicht darin bleiben!
Ich will’s nicht, zum Flenker!“

Jener machte ihr eine spöttische Verbeugung. [Fonsetiung toigt.]

nsere

ilder.


Art der Heiligenverehrung, wie sie der Römisch-Katholische Cultus
verlangt, ist für Andersgläubige schwer verständlich. Man thut sie
gemeinhin mit der einfachen Bezeichnung „Bilderdienst“ ab, vergleicht
sie mit dem rohen Fetischismus und findet sie unwürdig unseres wissensstarken
Jahrhunderts, das doch mit Spiritismus, Hypnotismus und Suggestion reichlich
zu thun hat. Der Gedanke, sich den Willen der Gottheit durch unablässiges
Gebet dienstbar zu machen, ist so alt wie die Welt und wird stets das A und O
einer jeden, auch der aufgeklärtesten Religion bilden. Das Verdienst der guten
Werke ist es, das schwer in die Waagschale fällt, und da hat sich denn die
römisch - katholische Kirche einen reichen Schatz in den guten Werken ihrer
Heiligen aufgespeichert, der den Lebenden zu gute kommt: Wer diesen Schatz
in Anspruch nehmen will, muss sich mit den sichtbaren Mittlern zwischen der
Gottheit und den Sterblichen in Verbindung setzen. Sie sind sichtbar im Bilde,
das, wenn auch von Menschenhand verfertigt, zum Träger der Segen bringenden,
Wunder wirkenden Kraft wird. Die hohe Kunst ist es sicher nicht, die den
Polenfürsten bei seinem „Besuch beim Heiligenmaler“ auf Kaczor Bato wski’s
Bilde in die Knie zwingt, es ist das Vorgefühl der Wunderkraft, die von dem
dargestellten Mittler ausgeht. Wie zum Gebet falten sich die Hände derFiirstin,
und das Gefolge blickt mit scheuer Ehrfurcht auf das eben enthtillte Bild.

Die jüdische Religion hat der sichtbaren Mittler nie bedurft, wer ihr durch
Abstammung angehörte, verkehrte direkt mit Jehova,
als dessen bevorzugter Liebling er sich fühlen diirfte.

„Es sei dir ein Zeichen auf deiner Iland und eine
Erinnerung zwischen deinen Augen, damit das Gesetz
Gottes in deinem Munde sei“, sagte Moses, und wenn
der strenggläubige Jude mit den Gebetriemen seinen
linken Arm und seine Stirn umwunden, dann fühlt er
sich als den berufensten Vertreter des Gesetzes. Das
„Dem Herrn sei Ehre.“ klingt aus seinem Munde

wie ein Machtwort, an dem ihm selbst sein wohl gemessen Theil gebiihrt. Sein
Glaube ist ein bindender Vertrag zwischen Schöpfer und Geschöpf. Fest stützen
sich seine Hände beim Gebet auf das Buch des Gesetzes. In der Gestalt des
betenden Juden, wie sie St. Groscholski geschaffen, verkörpert sich der ganze
Stolz des „auserwählten Volkes“, das sich seines Jehova sicher fühlt, und ihn, wenn
es sein muss, wie der Aeltervater Jacob, durch sein Gebet zu sich niederzwingt.

Und doch ruht des Menschen Schicksal zumeist in der eigenen Brust, un-
abhängig von göttlichen oder dämonischen Gewalten. Wenn der Wille, der starke
zielbewusste Wille zur rechten Zeit einsetzt, dann entscheidet sich’s. Zögernd
hält der junge Student auf O. Zewy’s Bilde „Der Abschied“ die Geige in der
Hand, ehe er sie in die Tiefen des Koffers zu den Büchern versenkt, von denen
sie ihn oft fortgelockt. Ob ihre sehnsüchtigen Töne dann wohl dem jungen
Mädchen galten, das mit Thränen kämpfend am Fenster steht? Durch die offene
Thür des Nebenzimmers sieht man die strickende Mutter, die eine Katastrophe
da drinnen weniger überraschen dürfte, als die Betheiligten glauben. Aber der Wille
muss einsetzen, der starke Wille zum Glück. Ehe der Ivoffer sich schliesst, fällt die
Entscheidung über die Zukunft zweier nach einander verlangender Menschenkinder.

Tiger auf dem Kriegspfad. Originalzeichnung von R. Friesc.
 
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