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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Lenbach, Ernst: Der Glücksmops
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0328

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MODERNE KUNST.

237

«j. 111 ^- rsatz für den schönen Schinken einige Eier, die sich glücklicher

e' Se noch vorgefunden hatten.

nUnd er ist doch unser Glücksmops!“ riet Benedict ein paar Tage

er triumphirend und reichte seiner erstaunten Gattin die Zeitung.
Ua

Vch

stand

es,

schwarz auf weiss: grosse Trichinenepidemie, entstanden

^ Genuss von rohem Schinken aus der Metzgerei von Leberecht
^ 'Hler, — Alles traf bis auf's Datum zu. ,,Der Glücksmops hat uns vor
n scheusslichen Haarthierchen bewahrt, — nun hat er sie,“ rief Benedict.
nOb er nun auch krank wird?“ meinte Frau Clara.
nKeine Angst,“ erwiderte der Gatte, „dieser Philosoph lässt sich clurch
e solche Kleinigkeiten stören.“

Uiese Behauptung schien leider durch die Thatsachen bald widerlegt

"'erden. Mochte es nun die Nachwirkung des gestohlenen Fleisches

eine Folge des inzwischen eingetretenen nasskalten Novemberwetters
;ein

0der

Schl;

’ — der alte Mops wurde von Tag zu Tag hinfälliger und vermochte

'esslich nur mühsam noch einige Schritte weit in den Garten hinaus
1 tvackeln. Schmerzergriffen stand seine Freundin, Fräulein Triller, vor
^ ern Lager, Thränen in den Aeuglein und ein Stück weiches Zucker-
^ ^ in der Hand, von dem sie abwechselnd mit ihren zwei Zähnen ein
uckchen für sich abbiss und ein Stückchen dem Leidenden in’s Maul steckte.

die Mitte des Novembers erfocht die Sonne einen

^°ch einmal

llE

f 2en Sieg. Es gab einige fast sommerlich warme Tage, welche selbst auf

Urck,

Spj,

tr,

s einen belebenden Einfluss iibten. Leidlich zufrieden lag er neben


Uem Herrn, der nachdenklich auf der obersten Stufe der hohen Frei-
ePpe vor dem Gartenhause stand. Ein armer Hausirer in fettigem

ö,

lgem Rock wagte es, sich die Treppe herauf zu winden und dem
J' :tor seine Waare anzubieten: „Kaufen Se Kämme, Seife, Manschetten-
Loos von die neie Geldlotterie zum Besten der

. ^^Pf, kaufen Se

>tih,

j ' eren Mission unter de Israeliten, können Se gewinnen mit jedem
„°° s ä 3 Mark der Hauptgewinn von 40000 Mark netto comptant, kaufen

51s

^nigstens ä Kämmche for de schaine gnädige Frau!“ Unfreundlicher,

es sonst in seiner Art lag, wies Benedict den Ueberlästigen ab, Murcks
v that einen wüthenden Ausfall, dass der Händler der Länge nach die

5ber

^ ePpe hinunterschlug und unten liegen blieb. Erschrocken sprang
nedict ihm zur Hülfe, da richtete sich der Gestürzte flink wieder aui
^ sagte mit holdem Lächeln: „Nu wo mich der grausame Hund hat
° rfen herunter, werden Se mer doch was abkaufen von meine Waar'!“

D:

5$


führte den Doctor, er griff mit dem alten Leichtsinn in den Beutel
kaufte dem Schmunzelnden ein Loos ab. „Wenn’s den Hauptgewinn

bringt, sollen Sie zehn Mark extra kriegen,“ fügte er lachend hinzu. Der
Händler dankte feierlich und empfahl sich.

„Sieh so, Murcks,“ bemerkte Benedict zu seinem vierfüssigen Schützling,
„ein Loos habe ich für Dich hingegeben, nun hast Du mir zu einem
andern verholfen. Aber mit Deinem Lebensloose, Du armer Schlingel,
scheint es zu Ende zu gehen.“ Und er hatte wahr gesprochen. Eine
Woche darauf lag Murcks neben ihm an derselben Stelle, auf einer warmen
Decke — sein Herr hatte ihn hinaustragen müssen, es litt sie beide nicht
drinnen im Hause, dem Hunde bangte es dunkel vor dem Tode, dem
Menschen begann es vor dem Leben zu bangen, denn er hielt einen
grossen Brief in der Hand, den er eben erhalten, und dieser Brief hatte
ihm unter freigebiger Anerkennung seiner bisherigen Leistungen die amt-
liche Gewissheit gebracht, dass die von ihm bekleidete Stelle durch
Magistratsbeschluss vom Beginne des nächsten Rechnungsjahres an auf-
gehoben sei. „Es ist hart, Murcks,“ murmelte der Doctor, „gerade heute
— aber was wissen die hohen Herren davon, wie es einem werdenden
Familienvater ohne Geld und Verdienst zu Muth ist!“ Er lachte hart aul',
dann schüttelte er, wie sich selbst verweisend, den Kopf und blickte zum
Himmel auf: „Aber nein, es ist thöricht zu verzagen — wem Er Kinder
giebt, dem giebt Er auch Brod!“ Eben begann es in leisen feinen
Flocken niederzurieseln — der erste Schnee. Murcks stöhnte mächtig —
„der Himmel fängt an, Dein Grabtuch zu weben, armer Kerl,“ sagte der
Doctor und wickelte ihn mitleidig fester in die Decke ein. Da kam ein
Mann eilfertig die Treppe herauf, „ein Telegramm an Herrn Doctor
Sutorius,“ rief er. Eine Minute darauf zog der Mann wieder vergnügt ab,
das letzte Fünfzigpfennigstück des Doctors in der Faust. Dieser aber
starrte auf das Papier nieder und las einmal über das andere:

„Hauptgewinn erhalten, amtliche Liste. Werden Se doch geben statt
zehn Mark zwanzig Provision! Heymann.“

„O, Murcks,“ rief Doctor Benedict Sutorius, zu dem Hunde hinknieend,
„0, Murcks, mein Glücksmops!“ Und hielt ihm das inhaltschwere Papier
hin. Da ging ein schweres röchelndes Stöhnen durch den zitternden Leib
des Hundes, noch einmal blickte er mit den dunklen Augen zu dem Herrn
auf, leckte nach ihm und zappelte ein wenig in vergeblichem Bemühen,
ganz nahe an ihn zu kriechen, dann streckte er sich krampfhaft und war
mausetodt. Der Schneefall wurde immer dichter, schon blieben einzelne
Flocken auf der Decke haften. Aus dem Hause aber kam eilenden Laufes
ein Dienstmädchen gerannt, „Herr Doctor,“ rief sie lachend und weinend
zugleich, „Herr Doctor, ich gratulire! Es ist ein Junge!“

nsere

an hat unserer Zeit oft den Vorwurf des Byzantinismus gemacht, der
iK' Wahllosen Verehrung der Macht und des Erfolges. Das ist ein ungerechter
Tadel, der sich an einen Begriff klammert, ohne seinen Inhalt zu berück-
'§ en- Auch die Griechen hatten ihren Heroencultus, aber er berulite auf

Htf

'«r A

nrierkennung der Förderung des Gemeinwohls. Der moderne Heroencultus
V6r|' Vesentlich andere Formen angenommen, ohne darum von seiner Berechtigung zu
* eren. Einem Manne wie Bismarck hätte man Hunderte von Statuen errichtet

ltb

Alt

^Ün ^ nzal rl der Bismarckpörtraits ist Legion geworden, aber, wo ein echter

erthum, heute macht man ihn zum Ehrenbürger und ehrt dadurch sich selbst.

l,|;ke 6r Slch bethätigt, da sucht er nicht zu idealisiren und in das Uebermensch-
211 überhöhen, er begnügt sich damit, den grossen Mann in seiner Eigenart
assen, ihn uns menschlich näher zu bringen. Der Erfolg der zahlreichen
F. von Lenbachs beruht in der restlosen Wiedergabe

um uiis 11

der stranzlerbildnisse

Üer ^ achtvollen Persönlichkeit, in der Erschöpfung der Bedeutung eines Mannes,
Mi0l' eitlen Grund hat, mit seinem Ich zurückzuhalten. Man braucht nur eine
vi^^T^Phische Aufnahme, wie die aut der ersten Seite unserer Nummer, mit
s°l chen Lenbachbilde zu vergleichen, um zu erkennen, wie wenig der
% St' 6r se>nem Urbilde hinzuzuthun braucht, um seiner Wirkung sicher zu sein.
iHv 1* Kürass oder im schlichten Gehrock, des Altreichskanzlers gewaltige
Uahtät macht sich geltend durch das ihr innewohnende Schwergewicht.
'ütin. 6r nioderne Heroencultus hat aber noch ein anderes Kennzeichen, er ist
altf jj § eworden, er sucht seinen Gegenstand in der Alltäglichkeit des Lebens
Phie 1 1Srnarck am Frühstückstisch die Zeitung hesend, wie ihn Ewald
^5$ ... ^ arstellt, Bismarck als Gutsherr, wie ihn GustavMarx wiedergiebt,
lrn Bild erfasste Momente, die uns daran erinnern, dass der Mann zu

ilder.

uns gehört mit seiner urdeutschen Anhänglichkeit an die Scholle, mit seinem
ausgesprochenen Sinn fiir Gemüthlichkeit und Bequemlichkeit. Jede Ovation,
die ihm von der als nüchtern verrufenen Bewohnerschaft der Reichshauptstadt
dargebracht wurde, seine Begrüssung auf dem Anhalter Bahnhof während
der Durchreise, jede Huldigung in Friedrichsruh, trägt den Charakter der
freiwilligen Verehrung, gemischt mit dem stolzen Bewusstsein, dass er demselben
Stamme angehört und seiner Kraft bestes Theil aus deutscher Eigenart geschöpft.

w •X’

In das einsame Hochgebirge führt uns die Landschaft O. Kamecke's, in
das Ortlergebiet mit seinen gewaltigen Gletscherbiidungen und Schneefeldern,
aus denen die Spitze des Cristallo aufragt, um sich dann mit den rebenbedeckten
Abhängen des Veltlin bis zu den in südlicher Vegetation prangenden Ufern des
Comer See’s hinabzusenken. Wirkt hier die Natur durch ihre einsame Grösse,
so belebt P. Stachiewicz seinen schmalen Felspfad mit einem seltsamen Zuge.
Dornengestrüpp bedeckt das spitze Gestein, über das mit blutendem Fusse die
Gestalt einer jugendlichen Heiligen mit gefälteten Händen dahinschreitet. In
unabsehbarem Zuge folgt ihr die Schaar der Büsserinnen und Büsser auf dem
Leidenswege, hinabschwankend zum dunklen Thale des Todes und doch der
Gewissheit des ewigen Lebens voll. Verkörpert sich in diesem Bilde der ent-
sagungsvolle Grundgedanke des Christenthums, so tritt uns in dem Pompeja-
nischen Feste von Diana Cooman die Genussfreudigkeit des Römischen Alter-
thums entgegen. Man feiert das Fest der Saturnalien, der Fastnacht der Römer.
Unten zieht jubelnd der Maskenzug vorüber und von oben überschütten lachende
Mädchengestalten die im Festjubel Dahintaumelnden mit duftigen Blüthen.

15. IV.
 
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