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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 8.1909

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Nr. 6
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Die Erlöserkirche in Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.24105#0333
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6
U
□MODERNE BAUFORMEN
J MONATSHEFTE FÜR ARCHITEKTUR

DIE ERLÖSERKIRCHE IN STUTTGART

Bauwerke, die bestimmt sind, einem Stadtbilde
auf Jahrhunderte hinaus ihren Stempel aufzu-
drücken, sollten nicht ohne weiteres auf irgend
einen gerade vorhandenen Platz gestellt werden.
Denn es ist bei der Wahl des Baugeländes ja nicht
nur dessen Brauchbarkeit als solches zu bedenken,
sondern auch Rücksicht auf die bestehende und
auch zukünftige Umgebung zu nehmen. In solch
wichtigen Fällen dürfte von der Heranziehung eines
künstlerischen Beirates unter keinen Umständen
abgesehen werden, wenn nicht Fehler entstehen
sollen, unter denen auch die Stuttgarter Erlöser-
kirche leidet. Die glückliche Lösung, die Fischer
durch die geschlossene auf sich beruhende Platz-
wirkung dem spröden Ge-
lände abrang, ist heute
schon durch das Dutzend-
machwerk eines Unter-
nehmerhauses aufs emp-
findlichste beeinträchtigt.
V Um bei dem bergigen
Baugrund auch den oberen
Teil des Grundstückes ver-
werten zu können, wurde
die Auffahrtsrampe ange-
legt; soergabsichdurchdie
gegebene Ostrichtung des
Kirchenschiffes ein Drei-
eck als Platzform. Kirche,
Pfarrhaus mit Rampe und
Strassenmauer umgrenzen
den von einem alten Birn-
baum beschatteten Kies-
*
platz. Die Kirche selbst
fügt sich mit ihrem mit
dem Berg steigenden Um-
riss fest an das Gelände,
zudem alles in stumpfen
Formen gehalten ist, um
übermässige Gegensätze
mit den weichen Linien
der Stuttgarter Landschaft

zu vermeiden. Der Billigkeit halber wurde Kalk-
tuffstein genommen, dessen Struktur jedoch den
Vorzug kräftiger und charakteristischer Wirkung
hat und der schön alt wird, wie z. B. die aus dem-
selben Material erbauten Kirchen in Geislingen und
Urach zeigen. Zu dem Graugelb der Mauern kommen
als farbige Noten lediglich das matte Rot der Ziegel-
dächer und das lustige Grün des Turmhelmes.
V Im Inneren herrscht eine ehrlich-protestantische
Stimmung, die jeden Prunk vermeidet und auch in der
Raumwirkung den Charakter der Vorstadtkirche klar
zum Ausdruck bringt. Graue Wände, braune Holzdek-
ken, blaue Vorhänge, das Buntfarbige der Malereien
und Chorbehänge geben einen ernsten Zusammen-
klang, in dem das hell-
glänzende Metall an rich-
tiger Stelle das Auge fesselt.
V Prof. Fischer wurde bei
dem Bau durch Architekt
W. Stahl-Heilbronn unter-
stützt, der unter anderem
auch den Lüster über
dem Altar nach Fischers
Skizzen zusammen mit
dem Kupferschmiedmei-
ster Brenner ausgeführt
hat. Auch die kleinen deko-
rativen Malereien an den
Emporen stammen von
ihm, während die Bild-
malereien von Stuttgarter
Künstlern unter der dan-
kenswerten Leitung von
Prof. Hölzel ausgeführt
wurden. Die Bauführung
lag in den Händen von
Werkmeister Beck; die
Kosten beliefen sich auf
etwa 230000 Mark für die
Kirche samt der Platzge-
staltung und auf 38000 Mk.
für das Pfarrhaus. y


PROF. DR. THEODOR FISCHER-MÜNCHEN
Erlöserkirche in Stuttgart; Schnitt und Grundriss

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