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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 9.1910

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Nr. 11
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Ehrenberg, Kurt: Richard Riemerschmid: Innenausstattung der Bayrischen Vereinsbank zu München
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https://doi.org/10.11588/diglit.24106#0694

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549

RICHARD RIEMERSCHMID

INNENAUSSTATTUNG DER BAYRISCHEN VEREINSBANK ZU MÜNCHEN

VON DR. ING. KURT EHRENBERG-CASSEL

Wie schnell schreiten Entwicklung und Gewöh-
nung nicht nur in der Technik, auch in der
Kultur unserer Tage: Richard Riemerschmid, den
wir zu den ersten Pfadfindern zum neuen Kunst-
gewerbe zählen, ist ein Mann von eben 42 Jahren!
V Seit er zurZeit der Maienblüte des Jugendstiles
das Innere des Münchner Schauspielhauses schuf,
— sich dabei von den Extravaganzen anderer so fern
haltend, dass sein Werk auch vor dem so schnell
geänderten Geschmacke in Ehren besteht —, ist die
Innengestaltung der bayrischen Vereinsbank zu
München wohl die nächste monumentale Aufgabe,
die ihm gestellt wurde; monumental freilich nur in
sehr bedingter Weise, denn es handelte sich hier um
einen im Rohbau fertig gestellten Um- und Neubau,
dessen nicht immer glücklichen Dispositionen sich
nicht nur die vielfach im voraus ungenügend ge-
klärten praktischen Forderungen, sondern auch die
künstlerischen Ideen fügen mussten. V

V Der Architekt will und soll heute in ganz beson-
derem Masse Raumkünstler sein, Riemerschmid
aber fand hier fast die fertigen Räume vor, so vor
allem den Kassenhof, der sich mit einem Verbindungs-
teil an den vorhandenen anschliesst. Eiserne Säulen,
Unterzüge und Oberlicht waren festgelegt! Der
Künstler hat es verstanden, in dem, was er schuf,
uns diese Fesseln fast völlig verborgen zu halten,
ja vielfach ist, wie so oft an Menschenwerk, die
Not zur Tugend geworden! V

V In unserer Zeit der Schlagworte wird jeder nach
Möglichkeit klassifiziert. So hat man meist Riemer-
schmid zum Künstler des gutbürgerlichen Wohn-
hauses gemacht, vielleicht weil er auf diesem Gebiet
am meisten Gelegenheit hatte, sich zu betätigen und
weil seine grosse Begabung im Erkennen des Not-
wendigen und Zweckmässigen ihn alle Aufgaben so
durchdenken lässt, dass etwas typisch Erscheinendes
entsteht. Dies Bestreben, den Forderungen des
Gegenstandes gerecht zu werden, sehen wir aber im
selben Grade wie etwa bei einer Villa auch bei der
Fabrik der „Deutschen Werkstätten für Handwerks-
kunst“ in Hellerau mit all den Schwierigkeiten des
mannigfach gegliederten Maschinen- und Hand-
betriebes und nicht minder nun bei der Vereinsbank,
in der so viele sachliche und persönliche Forderungen
befriedigt werden wollten. Mit dergleichen Sorgfalt
und Sachlichkeit sind die Zimmer der Direktoren
wie die der Unterbeamten und die für den vorüber-
gehenden Aufenthalt des Publikums bestimmten
Räume behandelt. Auch die letzteren — Kassenhof,
Warteräume vor den Direktorzimmern und vor den
Tresors und die damit verbundenen Arbeitskabinen —
sind warm und wohnlich gehalten. Wir fühlen
das harmonische Zusammenstimmen aller Raum-
bestandteile nach ästhetischer Qualität, Form und
Farbe, ohne dass sich jene Ausstellungsatmosphäre
einstellt, die in manchen modernen Räumen den
Bewohner und Benutzer als störend oder doch

mindestens als notwendiges Uebel erscheinen lässt.

V Wir finden heute vielfach, dass eine reiche
repräsentative Wirkung durch eine Steigerung in
der Kostbarkeit und Bearbeitung des Materials er-
strebt wird. Bei Riemerschmid dagegen geht der
Reichtum im Material parallel mit reicherer formaler
Ausgestaltung, und wie vorher das liebevolle Ein-
gehen auf den Zweck, so bemerken wir hier das
feine Verständnis für die Art des Materials und die
Weise, wie es in der Ornamentation zu behandeln
ist. Einen unerschöpflichen Reichtum an eigenartigen
Motiven bietet ihm seine Phantasie, und es ist ein
Genuss, zu sehen, wie sich ihm dieselbe Formidee
wandelt, je nachdem es sich um eine Tapete, einen
Stoff, ein geschnitztes, geschmiedetes, gegossenes,
in Stuck abgeformtes oder frei angetragenes, scha-
bloniertes oder frei gemaltes Ornament handelt.

V Unsere Abbildungen zeigen hierfür Beispiele in
Menge: Den Kassenhof, in dem der graue Granit
der Säulen mit dem Grau und Schwarz des Teppichs,
dem grünlichgrauen Rüsternholz und dem Messing
der Schalterornamente und Kapitäle gestimmt ist.
In eigenartiger Weise ist hier bei den Kapitalen
der dekorative Charakter des Schmiedewerks ge-
wahrt, das eine Funktion andeutet, ohne doch die
Prätension zu erheben, selbst mitzutragen. V

V Die Tresorvorräume sind in dunklem Eichenholz

gehalten, den Boden deckt ein dunkelrot und braun
gemustertes Linoleum. V

V Sehr interessant sind die beiden Warteräume, in

denen dieselbe Idee durch die farbige Behandlung
zu zwei entgegengesetzten Wirkungen entwickelt ist.
Einmal das Holz rot gestrichen, mit leichter weisser
Ornamentik, die Pfeiler mit dunkelgrünen Plättchen
bekleidet, obere Wand und Decke weiss, nur die
Tiefen der Stuckornamente leicht getönt, das andere
Mal über dem weiss lackierten Holzwerk Wand und
Decke in stumpfem Graubraun. V

V Eine Fülle von Ideen finden wir in den Direktor-

zimmern, in denen durchweg die Holztäfelung reich-
liche Wandschränke birgt. Erwähnt sei das Zimmer
mit der dunkelgehaltenen Decke. Täfelung, Kon-
solenfries und Deckenleisten sind in Mahagoni. Die
Putzornamente in den Deckenfeldern — braun mit
einzelnen farbigen Pointen — halten die ganze Decke
einheitlich zusammen. An der weissen Wandfläche
würden wohl einige Bilder besser Platz finden, als
an der niedrigen Vertäfelung. V

V Hinweisen möchte ich auch auf die Art, wie in

einem anderen Raum der dünne Rabitzbogen durch
Form und Ornament charakterisiert ist. Die klas-
sisch vornehme Tür des Präsidentenzimmers be-
darf ebensowenig des Kommentars, wie die
mannigfachen elektrischen Beleuchtungskörper, die
vielleicht am besten veranschaulichen, wie der
Künstler aus derselben Zweckidee immer neue
Lösungen zu ziehen weiss, deren jede logisch und
organisch ist. V
 
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