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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 11.1912

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Nr. 7
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Brinckmann, Albert E.: Neue Kruppsche Arbeitssiedlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.48361#0419
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NEUERE KRUPPSCHE ARBEITERSIEDLUNGEN
Von A. E. BRINCKMANN

Das Jahr 1912, in dem die Gusstahlfabrik Fried-
rich Krupp A.G. in Essen ihr hundertjähriges
Bestehen feiert, ist auch auf dem Gebiet der Woh-
nungsfürsorge für die Firma ein Jubiläumsjahr, mit
dem fünf Jahrzehnte ihrer Tätigkeit im Bau von
Arbeiterwohnungen abschliessen. Friedrich Krupp
begann das grosse Werk, das heute insgesamt
6591 Wohnungen umfasst, mit Kolonien, die trotz
ihrer schematischen Behandlung noch jetzt von
imposanter Wirkung sind. Friedrich Alfred Krupp,
der Sohn und letzte Träger des Namens, setzte es
in den neunziger Jahren fort. Der ältere Alfreds-
und Altenhof, der Friedrichshof und die Zeche
Hannover entstanden. In ihrer Erscheinung machte
sich ein starker Gegensatz zu der früheren Bau-
weise geltend. Man strebte nach Reichtum und
Individualisierung der einzelnen Häuschen, ohne
doch schon die Kraft zu haben, ihre Summe, die
ganze Kolonie, als einen einheitlichen Organismus
zu empfinden. Es ist die romantische Epoche oder
die Epoche der Motive im Kruppschen Kleinwoh-
nungswesen, je nachdem man ihre innerliche Ge-
fühlsgesinnung oder ihre äussere Formkraft bezeich-
nen will, und die wir ebenso in der grossen
Architektur wie im modernen Stadtbau erleben muss-
ten. Den Wendepunkt bezeichnet die Erbauung des
Margarethenhofs bei Düsseldorf 1903. Statt zu
individualisieren suchte man ohne zu schematisieren,
Gemeinsamkeiten in den einzelnen Häusern durch
Form und Material auszudrücken. So tritt der früher
bevorzugte abwechslungsreichere Fachwerkbau, der
wohl in der Gegend einheimisch aber schon deshalb
nicht mehr angebracht ist, weil altes Eichenholz zu
kostspielig ist und frisches Tannenholz an unge-
schützten Stellen bald reisst, zugunsten des Putz-
baus zurück, die Dächer werden schlichter, die
Hausmasse wird auf möglichst einfache Raumformen
gebracht. Manche Häuser des Margarethenhofs
erscheinen fast nüchtern in ihrer Blockigkeit, doch
diese Blöcke sind zurechtgeschnitten von architek-
tonischer Kraft, sind nicht nur Rentabilitäts-
kästen wie die Häuser der ersten Epoche. Man

wünschte eine ähnliche kubische Vorstellungskraft
recht vielen unserer Kleinwohnungsarchitekten.
Dieses beruhigte Einzelhaus bekommt nun eine
Aufgabe, man baut mit ihm eine Formation höherer
Ordnung, die Siedlung. Und hier muss hervor-
gehoben werden, wie es nie das malerische Bild
ist, von dem ausgegangen wird, sondern das Gefühl
für die Körperlichkeit der Häusergruppe, für das
Raumvolumen einer Strasse, eines Platzes. Nur als
Begleiterscheinung des Tektonischen tritt das Male-
rische auf. Gewiss soll zugegeben werden, dass die
Möglichkeit, auf ausgedehntem Gelände einen
grossen, einheitlichen Plan durchzuführen, ein
solches Arbeiten bedeutend erleichterte. V
V Die 1907 begonnenen Kolonien, der neue
Alfreds- und Alten ho f(für invalide Kruppsche
Arbeiter und deren Frauen), vor allem die beiden
schönen Zechendörfer Dahlhauser Heide bei
Bochum und Emscher-Lippe bei Reckling-
hausen in Westfalen, bis auf den Alfredshof in
steter Erweiterung, bringen die reife Entwicklung
der Gedanken, die im Margarethenhof zuerst sich
geltend machten. Die Einheitlichkeit ihrer Erschei-
nung, die Bindung des Ganzen wirken zwingend
bei aller Freiheit des Einzelnen, da sie wie ein
Organismus entwickelt sind, in dem das Einzelne
sich auf das Ganze bezieht, das Ganze jedes Ein-
zelne nützt. Die Zelle ist das Haus. In den Aussen-
kolonien besteht es einschliesslich Küche meist aus
vier Räumen von durchschnittlich 18 qm, kleinem
Stall, Kellerräumen und Dachboden. Das hier am
häufigsten verwendete Giebeldoppelhaus mitSchlepp-
dach zu den Ställen hinab,dessen Kosten 2x3800 M.
betragen, hat sich als einer der besten Typen er-
wiesen. Von den Essener Kolonien zeigt der neue
Altenhof durchweg Einzel- und Reihenhäuschen
von je drei Räumen, von denen zwei im Erd- und
einer im Dachgeschoss liegen, dazu kommen Pfründ-
häuser für alleinstehende Invaliden und Witwen.
1911 wurden weitere 35 mit einem Laubengang um
einen Hof gruppierte Witwenwohnungen erbaut, wie
die in den Pfründhäusern aus Wohnstube und kleiner

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