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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 11.1912

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Nr. 7
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Widmer, Karl: Die von Curjel und Moser erbaute Arbeiterkolonie der Eisen- und Stahlwerke vormals Georg Fischer in Schaffhausen
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https://doi.org/10.11588/diglit.48361#0459
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DIE VON CURJEL UND MOSER ERBAUTE ARBEITERKOLONIE DER EISEN-
UND STAHLWERKE VORMALS GEORG FISCHER IN SCHAFFHAUSEN.
Von KARL WIDMER, Karlsruhe.

An der Entwicklung der modernen Arbeiter-
wohnung haben die von Georg Fischer begrün-
deten Eisen- und Stahlwerke in Schaffhausen von
jeher einen besonders tätigen Anteil genommen.
Ihre neueste Schöpfung auf diesem Gebiete ist die
Gründung einer Arbeiterkolonie auf den Grund-
stücken des ehemaligen Schwarzadlergutes bei
Schaffhausen, für welche die Architekten Curjel
und Moser in Karlsruhe den Bebauungsplan ent-
worfen haben. Auf dem ganzen Gelände können
im Lauf der Zeit etwa 300 Wohnungen erbaut wer-
den; davon sind 10 Häuser mit 36 Wohnungen (dar-
unter 23 Dreizimmerwohnungen, 10 Vierzimmer-
wohnungen und 3 Fünfzimmerwohnungen) im Lauf
der beiden vergangenen Jahre ausgeführt worden. V
V Ein besonderer Vorzug dieses Projektes liegt
darin, dass die Bauherrn mit weitem Blick den
Auftrag zu einer einheitlichen Aufteilung des Ge-
ländes gegeben haben. Viele derartige Anlagen,
so wie sie in den letzten Jahrzehnten entstanden
sind, leiden an dem Fehler, dass ihnen nicht von
vornherein ein einheitlicher Bauplan zugrunde
gelegt worden ist, was in den meisten Fällen mit
der Zeit zu einer praktisch und ästhetisch gleich
unvorteilhaften Regellosigkeit der Bebauung führen
musste. Im Gegensatz dazu ist für die Kolonie
auf dem Schwarzadlergut die Durchführung eines
einheitlichen Gedankens vorgesehen. Das Modell
zeigt ein geschlossenes Bild, wie sich die Kolonie
nach ihrer Vollendung darstellen wird: im Sinne
einer „kleinen, freundlichen, sonnigen und sauberen
Arbeiterstadt“. V
V Für die Anlage der Arbeiterkolonien überwiegt
bis jetzt das zerstreute System; sie bestehen aus
getrennten Einzelhäusern, die mit mehr oder weniger

Ordnung und Absichtlichkeit auf das Baugelände
verteilt sind. Bei der Bescheidenheit der Ver-
hältnisse, die für Arbeiterhäuser massgebend sein
müssen, hat dieses System aber mancherlei Nach-
teile. Es entstehen Zwischenräume, die zu klein
sind, um praktisch ausgenützt werden zu können.
Die Nachbarn sehen sich in die Fenster. Die
kleinen Häuser, die an 3 bis 4 Wänden Wind und
Wetter ausgesetzt sind, sind im Winter schwer zu
heizen. Auch die künstlerische Einheitlichkeit der
Ausführung lässt sich bei diesem System schwer
festhalten, namentlich dann, wenn die Fortsetzung
des Ausbaus im Lauf der Zeit in verschiedene
Hände kommt. Deshalb wurde für die Schaffhau-
sener Kolonie das Reihensystem mit geschlossenen
Strassen durchgeführt. Bei diesem System fallen
alle die oben genannten Nachteile von selbst weg,
zumal, wenn dafür gesorgt ist, dass die Häuser,
wenn sie sich auch zu einem einheitlichen Gesamt-
bild zusammenschliessen, doch im einzelnen indi-
viduell durchgebildet sind. V
V Was die Anlage der Häuser selbst betrifft, so
bekommt jedes Haus grundsätzlich nur ein Stockwerk
über dem Erdgeschoss; jede einzelne Wohnung er-
hält ihren besonderen Hausflur. In allen Häusern
ist das System der Wohnküchen durchgeführt, das
sich für die Lebensverhältnisse der Arbeiterfamilie
als die weitaus billigste und praktischste Art der
Raumeinteilung bewährt hat. Der Küchenraum be-
steht in einer Nische, welche Herd und Wasser-
stein enthält und die für sich gelüftet und beleuchtet
werden kann. Die Küchennische ist mit Platten
belegt, der Wohnteil bekommt einen Holzboden
und enthält einen gemütlichen Sitzwinkel mit dem
Esstisch. Die Wände der Wohnküche sind mit

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