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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 11.1912

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Nr. 12
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Widmer, Karl: Wohn- und Geschäftshäuser von Theodor Preckel in Pforzheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.48361#0761
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WOHN- UND GESCHÄFTSHÄUSER VON THEODOR PRECKEL
IN PFORZHEIM
Von Prof. KARL WIDMER, Karlsruhe

Die Stadt Pforzheim ist ein typisches Beispiel für
das architektonische Schicksal unserer rasch
aufwachsenden Industriezentren. Der wirtschaft-
liche Aufschwung, durch den die ehemalige Mark-
grafenstadt zu einem Hauptsitz der deutschen Gold-
warenfabrikation geworden ist, hat mit dem alten
Städtebild bis auf wenige Reste aufgeräumt. Dafür
hat sich die Fassadenarchitektur der letzten vierzig
Jahre in ihren schlimmsten Erscheinungsformen
an die Stelle gesetzt und bestimmt im grossen und
ganzen den architektonischen Charakter des heutigen
Pforzheim. Erst in der allerneuesten Zeit macht
sich ein besserer Geist der Bauweise auch in Pforz-
heim fühlbar. Es ist das zum Teil auf den Einfluss
der benachbarten Kunststadt Karlsruhe zurückzu-
führen; zum Teil sind es jüngere ansässige Archi-
tekten, die im guten modernen Sinne bestimmend
in die Entwicklung der Stadt eingreifen. Unterihnen
ist die Tätigkeit von Theodor Preckel in den
letzten Jahren besonders bedeutungsvoll in den
Vordergrund getreten. Namentlich seine beiden
neuesten Geschäftshausbauten, der Römische Kaiser
(Kaufhaus Berner) und das Markgraf Karl-Friedrich-
Haus gehören zu den wenigen Pforzheimer Neu-
bauten, die von einem durchaus künstlerischen
Formengeist durchdrungen sind. V
V In beiden Fällen handelt es sich um die Auf-
gabe, die Raumaufteilung und Fassadengliederung
eines modernen Kaufhauses mit der Ausbildung
der obereren Stockwerke zu Wohnungen zu ver-
binden. Bei dem Römischen Kaiser, dem älteren
von den beiden Bauten, hat die Lösung dieser Auf-
gabe eine besonders einheitliche und in ihrer Ein-
fachheit vornehme Wirkung ergeben. Dabei ist
durch eine glückliche Ausnützung der unregel-
mässigen Platzgliederung des Eckhauses zugleich
eine malerisch belebte Gruppierung erreicht wor-
den. Bemerkenswert für die Preckelsche Behand-
lung der Aussenarchitektur ist namentlich zweierlei:
einmal dass er die wagrechte und nicht die senk-
rechte Gliederung der Fassade betont; ohne Zweifel
wird dieser Form des modernen Geschäftshausstils
aus praktischen wie aus künstlerischen Gründen
überhaupt die Zukunft gehören. Und ferner: dass

er bei seinen Geschäftshäusern durch eine ent-
sprechende Verkleidung der Stützen den aufgelösten
Massen des Erdgeschosses stets eine massive Wir-
kung verleiht. Diese beiden Gesichtspunkte sind für
die geschlossene und statisch ausgeglichene Verbin-
dung derWohnungs- und Geschäftsetagen wesentlich.
V Das Markgraf Karl - Friedrich - Haus zeigt eine
reichere architektonische Gruppierung. Die Ab-
sicht des Künstlers war, seiner Formensprache nicht
den Charakter einer vergänglichen Modernität, son-
dern eines dauernden, auch durch den Zusammenhang
mit der ältern Tradition befestigten Kulturwerkes
zu geben. Die Aufgabe des modernen Wohn- und
Geschäftshauses sollte im Sinne patrizierhafter Be-
haglichkeit gelöst werden. In diesem Sinn finden
wir in der Aussenarchitektur, wie im Innern Motive
aus dem Grenzgebiet der romanisch-germanischen
Hausbaukunst, namentlich dem Oberitaliener, Süd-
schweizer und Engadiner Bürgerhaus ausgewertet.
Charakteristisch dafür sind u. a. am Aeussern die
Loggien, das Eingangsgässchen und im Innern vor
allem die opulente Ausbildung des Treppenhauses,
dem etwas Wohnlich-Komfortables gegeben wurde.
Diese künstlerische Wirkung ist auch durch prak-
tische Gründe motiviert. Die Treppe liegt im Par-
terre in einer Gebäudeecke, damit sie den Laden-
raum nicht zerschneidet. Jede Wohnetage enthält
dagegen zwei getrennte Wohnungen, von denen jede
für sich von der Treppe aus zugänglich sein soll.
Darum musste die Treppe im Entresol mehr in die
Mitte gerückt werden. Durch dieses Ueberspringen
der Treppen ergaben sich zugleich interessante,
dielenartige Raumwirkungen mit schönen Durch-
blicken usw. V
V Die architektonische Plastik — Figurenschmuck
wie Ornamentik — der Fassaden ist von Julius
Seidler in München entworfen. Seidler ist einer
unserer besten Bauplastiker und sein ornamentales
Stilgefühl zeigt sich auch hier in seinem ganzen
Reichtum und seiner ganzen Feinheit. Den Höhe-
punkt des plastischen Schmuck bildet an jedem der
beiden Gebäude eine hauswappenartige Komposition,
die nach alter künstlerischer Sitte zugleich den
Namen des Hauses verkündet. V

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