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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 12.1913

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Nr. 1
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Wagenführ, Max: Moderne Berliner Landhausbauten, 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.48360#0043
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25

MODERNE BERLINER LANDHAUSBAUTEN I.
Von MAX WAGENFÜHR, Berlin-Charlottenburg.

Mit dem heutigen Heft beginnt eine zwanglose
Folge von Veröffentlichungen Berliner Wohn-
hausbauten, die als Eigenheime errichtet sind. Sie
sollen einen Ueberblick über die Wohnkultur und
das baukünstlerische Schaffen der Reichshauptstadt
vermitteln, erheben jedoch nicht den Anspruch, das
Thema völlig zu erschöpfen. Im wesentlichen müs-
sen wir uns auf bisher unveröffentlichte Arbeiten
beschränken, die in der letzten Zeit entstanden sind.
Deshalb wird manches fehlen, das zu einer gerunde-
ten systematischen Gliederung notwendig wäre. In
der Hauptsache sollen die Bauwerke für sich selber
sprechen, nur einige Hinweise werden das Verständ-
nis erleichtern. Eine spätere zusammenfassende
Betrachtung wird Gelegenheit geben, allgemeinere
Gesichtspunkte darzulegen und über gemeinsame
Entwickelungsrichtungen zu sprechen.
In unserem Begleittext soll mehr der Künstler
und sein Schaffen gewürdigt werden, als das beson-
dere Werk, das wir nur zur Erläuterung seines
Wollens heranziehen. Die Reihenfolge bedeutet
keine Wertgruppierung, sie ist ganz zufällig durch
den Eingang des Materials und durch technische
Gründe bedingt.
In der heutigen Nummer sind zunächst drei
Bauten von Prof.Schultze-Naumburg dargestellt.
Er ist nicht eigentlich Berliner Architekt, aber das
ist gerade das Charakteristische der Weltstadt, daß
sie kein eigentliches Lokalkolorit bewahren kann.
In ihr laufen alle Einflüsse der Gesamtkultur des
Volkes, ja der Weltkultur zusammen. Künstler aus
allen Teilen des Reiches und auch Ausländer neh-
men hier ihren dauernden Wohnsitz. Und wenn
sie auch hier bauen, so werden sie gerade als
ernsthafte Künstler ihr Werk in dem Mage der
Umgebung, dem Ortscharakter anpassen, daß sie
für einen zusammenstellenden Ueberblick gleich-
berechtigt neben die einheimischen Architekten
treten müssen. Auf Schultze-Naumburgs Einflug auf
die moderne Entwickelung der Werkkunst braucht
in diesen Blättern nicht erst hingewiesen zu werden.
Er hat als einer der ersten die Anpassung an das
Ortsbild gefordert und weiter die stilistische An-
knüpfung an die gute Tradition vor der Zeit der
letzten Stilrekapitulation empfohlen. In seinen
Berliner Bauten zeichnet sich beides deutlich ab.
Sie folgen der Formgebung des Berlin im Anfang
des 19. Jahrhunderts und der Mendelssohnsche Bau
hat die Haltung des historischen Potsdam. Die
liebevolle Detailkunst der Saalecker Werkstätten,

die Gärten, Bäume, Zäune, alles Drum und Dran
mit umfasst, leuchtet auch hier klar auf.
In gewissem Sinne nahe steht ihm Dr. Schulze-
Kolbitz. Ein gleiches künstlerisches Wollen leitet
auch ihn. Die dem Gelände und den Grenzen des
Bauplatzes angepagte Gruppierung seines Wohn-
hauses in Steglitz wendet die Hauptfront von der
Strage ab, ohne aber dort ein unfreundliches Ge-
sicht zu zeigen. Die sorgsame Rücksicht auf das
Stragenbild, die Beachtung der natürlichen Wir-
kungen des Baumbestandes zeigt sich in dem reiz-
vollen Bild der Terrassen mit der Mauer und dem
schön abgestimmten Pavillon. Auch das Detail des
Einganges an der Strage zeugt von feinsinnigem
Kompositionstalent.
Prof. Bruno Möhrings Artist anders gestimmt.
Aus seinen Werken spricht zuerst seine besondere
starke Künstlerindividualität. Ihn reizt vor allem
das Formenproblem an sich, die Meisterung durch
seine Kunst. Er trittnicht hinter sein Werk, sondern
davor. Eine eigenartige Aufgabe war ihm hier ge-
stellt: ein Wohnhaus mit einer kleinen Weinstube, die
der Besitzer aus Liebhaberei betreiben wollte. Trotz
vortrefflicher symmetrischer Grundriglösung behält
man doch das Gefühl, als ob den Künstler am
meisten das Formenspiel der Rundbauten mit der
starken Horizontalen und dem strengen Dreiecks-
aufbau und die daraus resultierenden Schatten-
wirkungen beschäftigten. Ob der Architekt selbst
mit seinem Experiment zufrieden ist, lassen wir
offen. Uns mug diese Art zu komponieren an sich
fesseln, wir gehen mit dem Künstler, arbeiten mit
ihm an dem Problem der Form herum und müssen,
gewig für manchen eine Ueberraschung, erkennen,
dag schon das rein formalistische Prinzip die Bau-
kunst befähigt, ästhetische Wirkungen auszulösen,
dag also auch für sie ein l’art pour l’art-Stand-
punkt möglich ist. Die Architektur ist eben auch
augerhalb des Monumentalen nicht immer die reine
Zweckkunst, als die sie so oft hingestellt wird.
Ganz der liebenswürdige Künstler ist William
Müller in seinen dargestellten beiden Landhäusern.
Es sind Wohnbauten im besten Sinne des Wortes.
Man fühlt geradezu das Eingehen auf die Wünsche
des Bauherrn aus dem Vortrag heraus. Alles gibt
sich natürlich, als wäre es mit den Bäumen und
Schlingpflanzen aus dem Erdboden herausgewachsen.
Die breiten Dachüberstände mit ihrem warmen
Schatten, das vertraute Holzgeländer, die behaglichen
Fensterläden hier, die Guckfenster dort, verbreiten
 
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