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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 12.1913

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Nr. 2
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Heilmeyer, Alexander: Die Architekten Otho Orlando Kurz und Ed. Herbert in München
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Die Architekten Otho Orlando Kurz und Ed. Herbert in München

Biedermeierei. So unpraktisch sich auch solche
Bier- und Bauernstubenromantik im modernen
architektonischen Schaffen erwiesen hat, so scheint
doch diese romantische Bauweise als „S e n t i m e n t“
oder Stimmungselement in der Kunst- und
Fremdenstadt unentbehrlich.
Modernes Bauschaffen tritt erst langsam
und allmählich wie eine werdende Welt in viel-
versprechenden Anfängen in Wohn- und Eigen-
häusern hervor. Diese neue „städtische Baukunst“
wird mit Energie und Talent durch die jüngere
Generation Münchener Architekten, zu der wir vor
allen O. O. Kurz zählen, angebahnt.
O.O. Kurz und E. Herbert haben in den
vornehmsten Stadtteilen Münchens Wohnhäuser
gebaut, welche alle Ansprüche erfüllen, die der
moderne Mensch an ein Wohnhaus in bezug auf
Hygiene und Komfort stellt. In den an der 0hm-
und Agnesstraße erbauten Wohnhäusern tritt uns
das vornehme, gediegene neue Münchener Wohn-
haus in charakteristischen modernen Bauformen
entgegen. Aber es ist damit nicht nur eine glück-
liche Lösung der Aufgabe Wohnhausbau zustande
gekommen, sondern es ist auch noch etwas mehr
geleistet worden. Die Architekten haben mit dem
alltäglich scheinenden VorwurfWohnhaus an Wohn-
haus zu reihen auch eine künstlerische Aufgabe
des modernen Städtebaus erfüllt. Indem sie die
Häuser zu reizvollen Gruppen vereinigten und durch
durchlaufende Linien zu einander in Beziehung
setzten, schufen sie auch noch ein einheitliches
Straßenbild von ruhig vornehmer Gesamtwirkung.
In bezug auf die Grundrisse ist zu sagen, daß
das moderne Wohnhaus Raumeinteilungen verlangt,
die sehr verschieden gearteten Wohnansprüchen
genügen sollen. Beim Villen- und Einfamilienhaus
machen sich mehr individuelle Ansprüche geltend.
Das Eigenhaus tritt als individuell gestaltetes Bau-
werk viel mehr hervor; es strebt nach Einzelheit
und Einheit in der Erscheinung; die örtliche
Situation gestattet häufig ein liebenswürdiges Hin-
einkomponieren in die Landschaft und die bisweilen
zur Verfügung stehende größere Bausumme eine
reichere Ausstattung: Vorzüge und Eigentümlich-
keiten, welche die hier abgebildeten Villen- und
Landhäuser in hohem Maße zeigen.

Was für die Wohnhausbauten von O. O. Kurz
und E. Herbert gilt, gilt im allgemeinen für alle
ihre Schöpfungen. Die Architekten gehen bei der Pro-
jektierung ihrer Arbeiten nie von einer bereits vor-
handenen oder überlieferten Form oder gar von
einem bestimmten historischen „Stil“ aus, sondern
die Lösung ergibt sich ihnen immer aus der ge-
stellten Aufgabe, der örtlichen Situation, der Idee,
dem Zweck oder auch aus den besonderen Forde-
rungen, des am Bau verwandten Materials. Gerade
bei der Ausführung von Wohnhausbauten spielt
der Preis des Baumaterials eine besondere Rolle
und beeinflußt daher die Art und Weise der Aus-
führung. Die hier dargestellten überaus reizvoll
gestalteten Betonportale verdanken ihre Entstehung
solchen Erwägungen. Der kluge Haushalter bringt
es sogar fertig an Wohnhausbauten „echte Plastik“
anzubringen. Wir betonen „echte Plastik“, d. h.
tektonische Plastik als Gegensatz zur soge-
nannten „Klebeplastik“.
Das außerordentlich feine Verständnis, das O. O.
Kurz für Plastik an den Tag legt, seine Kenntnis
all der Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen
Architektur und Plastik prädestinieren ihn geradezu
zur Lösung monumentaler Aufgaben: Denkmäler,
Brunnen, Grabmäler. Wenn er bis jetzt auch noch
keine großen öffentlichen Denkmäler ausgeführt hat,
so hat er doch durch zahlreiche Wettbewerbssiege
seine außerordentliche Befähigung dazu erwiesen.
Wir erinnern nur an seinen bedeutenden und mit
dem III. Preise ausgezeichneten Entwurf zum
Bismarck-Nationaldenkmal, an mehrere hier abge-
bildete kleinere Kriegerdenkmäler und an das klas-
sisch schöne Grabmal Allers in Bremen.
Von Monumentalbauten hat O. O. Kurz bisher
einige Kirchen ausgeführt und auch damit bewiesen,
daßerimGeistederTraditionNeues zu schaffen weiß.
Das reiche, mannigfaltige und zugleich von Er-
folg begleitete Bauschaffen der Architekten 0.0. Kurz
und E. Herbert läßt sich schon aus dieser kurzen
Uebersicht erkennen. Diese beiden Münchener
zeigen uns durch ihre fleißigen, durch Talent und
Können unterstützten Arbeiten, daß sie zu den
Architekten gehören, welche berufen sind, einmal
eine führende Stellung in der Münchener Archi-
tekturwelt einzunehmen.
 
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