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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 12.1913

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Nr. 3
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Taut, Bruno: Zu den Arbeiten der Architekten Bruno Taut und Hoffmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.48360#0169
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ZU DEN ARBEITEN
DER ARCHITEKTEN BRUNO TAUT UND HOFFMANN

Die hier dargestellten Arbeiten sind aus dem folgenden
architektonischen Grundsatz heraus entstanden: Es ist
die erste Pflicht des Architekten, an jede Aufgabe ohne Vor-
eingenommenheit, ohne vorgefaßte Formel und bereits fertige
Formidee heranzutreten, zunächst die Aufgabe selbst ihrem
ganzen Umfange nach in allen Voraussetzungen und Beding-
ungen klar zu entwickeln und dann aus den sich dabei
ergebenden praktischen und Gefühlsmomenten die passende
und organisch erscheinende Form entstehen zu lassen. So
mögen die nachfolgenden Erläuterungen dazu dienen, die
Kenntnis dieser Voraussetzungen zu vermitteln und somit die
zur Kritik architektonischer Arbeiten notwendigen Unter-
lagen zu bieten; denn jeder Bau kann erst auf Grund seiner
Vorbedingungen (des vom Bauherrn gegebenen Programms,
der örtlichen Lage wie der Umgebung, der zur Verfügung
stehenden Mittel, des heimischen Materials usw.) bewertet
werden.
Das Turbinenhaus der Firma Peter Harkort & Sohn
in Wetter a. d. Ruhr, das im Jahre 1908 erbaut wurde, stellt
eine große Halle dar, die in ihrem Inneren die Krafterzeuger
für das dahinterliegende bedeutende Stahlwalzwerk birgt,
und zwar in Form von vier Turbinen und einer Reserve-
turbine, durch die die Hauptwassermasse der Ruhr hindurch-
geleitet wird. Es ist ein langer neuer Kanal gegraben
worden, der direkt auf dieses Gebäude hinführt und den
das Gebäude selbst nach der Seite des Oberwassers hin ab-
schließt. An der einen Seite des Turbinenhauses wurde ein
sog. Freilauf offen gehalten, um mit Hilfe einer Schleuse
bei niedrigem Wasserstand die nötige Betriebskraft auf-
zuspeichern, während bei Hochwasserstand die überflüssige
Wassermenge über eine betonierte Terrasse hinwegläuft. Der
Unterbau des Gebäudes ist aus dem gleichen Material,
aus Beton, hergestellt worden, während sein Aufbau aus
dem in jener Gegend gewonnenen Ruhrkohlensandstein
errichtet wurde, der sich durch seine bräunliche Farbe aus-
zeichnet und einen besonders starken Härtegrad besitzt.
Daher sind alle Einzelheiten in ganz schlichten Formen ge-
halten. Als weitere Grundlage für den Entwurf kam hinzu,
daß fast sämtliche Maße des Gebäudes, seine Länge von
51 m, seine Höhe von etwa 10 m, die Hauptachsenmaße,
die Höhe der Traufe und des Firstes durch die vom In-
genieur vorgesehenen maschinellen Einbauten vollständig
festgelegt waren. So mußte im knappsten Anschluß an die
rein praktischen Erfordernisse mit einfachsten Mitteln eine
Lösung gefunden werden, die der schönen landschaftlichen
Lage im grünen Ruhrtal, sowie dem Wunsche des Fabrik-
herrn nach einer würdigen und zweckentsprechenden Re-
präsentation Rechnung trägt. Das Dach ist mit schwarzen
holländischen Pfannen unter Verwendung von Schiefer-
einfassungen eingedeckt, wie es in jener Gegend üblich ist.
Der mit einem Preis ausgezeichnete Wettbewerbsentwurf

für das Warenhaus Wertheim entstammt einer Kon-
kurrenz, die die Firma A. Wertheim im Jahre 1910 für die
Erweiterung ihres Geschäftshauses in der Leipziger Strasse
ausschrieb. Es handelte sich dabei im wesentlichen um die
Frage, ob es vorzuziehen sei, das von Messel geschaffene
schöne System des bestehenden Warenhauses in der gleichen
Form weiterzuführen oder etwas Neues an dessen Stelle zu
setzen. Die Verfasser des vorliegenden Entwurfs zogen es vor,
die von Messel erbauten Fassaden unter Einhaltung des für
einen Wertheimbau charakteristischen Vertikalprinzips in
Form und Farbe zu variieren, da es nicht angängig er-
schien , das alte System in beliebiger Länge fortzuführen.
Mit Rücksicht auf die relativ enge Straße hielten die Archi-
tekten es auch nicht für angebracht, das Dach als ein archi-
tektonisch wirksames Moment mitzubenützen und haben
deshalb von seiner Ausgestaltung und damit von einer Be-
tonung des Hauptgesimses abgesehen. Es wurde vielmehr
versucht, das Prinzip der Straßenwand in möglichst klarer
Weise zum Ausdruck zu bringen und diese Wand selbst in
sich lebendig wirken zu lassen. Die nach oben zurück-
tretenden Geschosse mit den stärker werdenden Schlag-
schatten sollten das wesentlichste Mittel dazu bilden. Im
übrigen ist durch die Wahl einer neuen Konstruktion, Eisen-
beton unter Verwendung von Einlagen aus Terrakotten zur
Verstärkung des vertikalen Eindrucks, die Variation gegenüber
dem bisherigen Bau noch nachdrücklicher betont worden. Der
Grundriß enthält die Idee einer ineinander und übereinander
greifenden Raumgruppe von vier Sälen, die sich in der nach
außen betonten Hauptachse zwischen den beiden Treppen-
türmen befindet und die im Innern der Eigenart des Waren-
hauses besonders entsprechen sollte.
Das Miets- und Geschäftshaus Kottbuser Damm 90
stellt einen Baublock dar, der, um zwei Straßenecken herum-
gehend, mit einer Hauptlänge von etwa 90 m, zwei Grund-
stücke umfaßt. Die Grundrisse sind entsprechend den For-
derungen der Berliner Bauordnung für Wohnungen von
zwei bis fünf Zimmer ausgenutzt und enthalten im Erd-
geschoß Läden und ein von dem Architekten eingerichtetes
Restaurant. Das Haus steht im Süden von Berlin und
mußte in seiner Erscheinung dem dortigen Milieu der arbeit-
samen Großstadt Rechnung tragen. Daher wurde für seine
architektonische Ausbildung eine einfache Lösung unter Ver-
wendung von großen Linien und klaren Gegensätzen ge-
wählt. Besondere Schwierigkeiten macht dem Berliner Archi-
tekten jeweils die Rücksichtnahme auf die Baupolizeibestim-
mung, die l/3 der Frontlänge durch vorgekragte Erker be-
sonders auszunutzen gestattet. Diese Bestimmung bildet für
den Erbauenden einen wesentlichen wirtschaftlichen Faktor
und muß vom Architekten berücksichtigt werden, so unan-
genehm sie im künstlerischen Sinne ist. Daraus ergab
sich die Art der Fassadenkompositionen, die zum Ziel hatte,

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