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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 12.1913

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Nr. 5
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Haenel, Erich: Arbeiten der Architekten Stephan&Möbius, Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.48360#0351

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249

ARBEITEN DER
ARCHITEKTEN STEPHAN & MÖBIUS, DRESDEN

Das künstlerische Antlitz der sächsischen Haupt-
stadt hat seine charakteristischen Züge durch
die Bauten des achtzehnten Jahrhunderts erhalten.
Zwar fand die deutsche Renaissance durch die Fürsten
des ausgehenden Zeitalters der Reformation an der
Elbe willige Aufnahme, und der große Schloßhof
mit seinen kraftvoll gegliederten Treppentürmen
kann als ein stolzes Beispiel deutscher Monumental-
baukunst jener Epoche gelten. Aber erst die nach
den höchsten Zielen strebende Baugesinnung
August des Starken fand für die kulturellen Ein-
heiten des kleinstaatlichen Absolutismus den archi-
tektonischen Ausdruck, der in Werken wie dem
Zwinger auch heute noch mit unversiegbarer
Frische und einem nie ermüdenden Pathos zu
uns spricht.
Die stolze Last dieser Tradition mit Würde zu
tragen, ist dem Dresdendesneunzehntenjahrhunderts
nicht eben leicht gefallen. Und es war für die weitere
Entwicklung vielleicht ein Glück, daß die erste
schöpferisch bedeutende Persönlichkeit, welche
diesen Boden im Zeichen einer neuen Kulturphase
betrat, ihre Ideale auf völlig anderen Wegen suchte.
Wenn die Bauten Gottfried Sempers in der kühlen
Gemessenheit ihre Formen doch nicht als ein
Fremdes im Rahmen der älteren, so lebenslustig
wie warm behaglichen Welt der Barock- und
Rokoko-Schöpfungen stehen, so liegt das einigende
Band in der Echtheit und Unbeirrbarkeit des
künstlerischen Wollens, das hier wie dort mit in-
stinktiver Kraft geprägte Form entwickelt hat. Die
unfruchtbare Verwirrung der Stilbegriffe, wie sie
das Kennzeichen der nachsemperschen Zeit ist,
hat glücklicherweise das im Laufe der Jahrhunderte
geschaffene Bild nicht nachhaltig stören können.
Freilich hat der Parvenugeschmack der acht-
ziger und neunziger Jahre mit einer Reihe von
Geschäftsstraßen der City auch hier seine Opfer
gefordert. Freilich war auch hier die hohle Auf-
dringlichkeit des staatlich privilegierten Akademis-
mus selbst nicht von den schönsten Punkten des
Stadtbildes ganz fern zu halten. Aber solch aesthe-
tischer Schutt war doch mit verhältnismäßig geringer

Mühe beiseite zu schieben, als die künstlerische
Sebstbesinnung unserer Zeit sich anschickte, nach
den Quellen einer echten und wahrhaft lebendigen
Schönheit älterer Tage zu graben.
Es ist zu verstehen, daß die von vielen Seiten
mit Emphase verkündete Parole, man müsse Dres-
den zu einer modernen Stadt machen, von den
Einsichtigen nicht ohne Lächeln vernommen werden
konnte. Sicherlich ist der eisengepanzerte Fuß des
zwanzigsten Jahrhunderts auch an der Stadt, die
man vor hundertfünfzig Jahren um der Feinheit
ihrer geselligen Kultur willen vor anderen rühmte,
nicht spurlos vorübergegangen. Der wachsenden wirt-
schaftlichen Bedeutung, die Dresden heute auch zur
ersten Industriestadt des Landes macht, dem groß-
städtischen Verkehr und den repräsentativen
Pflichten als Sitz des Hofes und der staatlichen
Behörden hat Dresden gern und manchmal groß-
zügig seinen Tribut gezollt. Bei alledem indessen
erkannte gerade die jüngere Generation unserer
Architekten früh, daß es darauf ankommen müsse,
von der warmen und harmonischen Note, die wir
in den Schöpfungen unserer ebenso höfisch-ari-
stokratischen wie bürgerlichen Vergangenheit be-
wundern und lieben, etwas in die rußgeschwärzte
Gegenwarthinüberzu retten. Trotzdes süddeutschen
Einschlages, den eine Anzahl besonders kommu-
naler Bauten der letzten Jahre aufweisen, ist das
Verantwortlichkeitsgefühl für unserer Väter Erbe
in erfreulicher Weise im Wachsen begriffen. Auch
die Arbeiten der Architekten Stephan und Möbius
dürfen wir als bemerkenswerte Zeugen dieser
künstlerischen Denkart ansprechen. Das Hotel
Reichspost, das im Jahre der Hygiene-Ausstellung
in denkbar kürzester Frist erbaut worden ist, trägt
sowohl in der ausgezeichnet proportionierten und
stattlichen Schauseite wie in den inneren Räumen
das Gepräge vertrauenerweckender Gediegenheit.
Die Erscheinung der Halle, der Lese- und Schreib-
zimmer ist durch die ausgedehnte Verwendung von
Holzverkleidungen bestimmt, der Speisesaal wirkt
in dem sparsamen Reichtum seiner barocken Details
außerordentlich vornehm. Die Vorzüge, die wir hier
 
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