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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 13.1914

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Januar
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Levetus, A. S.: Das Stoclethaus zu Brüssel: von Architekt Professor Josef Hoffmann, Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.48542#0018

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die Größe seiner Arbeit inspirierte, wie sehr an
ihr seine Künstlerschaft wuchs und erstarkte. Das
Äußere und das Innere, die Dekorationen, die Möbel
und die gesamte Einrichtung des Hauses und seiner
vierzig Zimmer bilden ein organisches Ganzes von
so vollkommener Harmonie, wie sie nur noch bei an-
tiken Architekturen oder bei vollkommenen mensch-
lichen Körpern gefunden wird. Daß unkünstleri-
schen, stark materiell veranlagten Menschen ein
solches Werk zum Gegenstände trivialer Bemer-
kungen werden kann, spricht nur für die Tatsache,
daß ein Kunstwerk selten seinen Weg zu der Menge
findet, ganz besonders selten in unserer Zeit des
Materialismus und der unaufhörlichen Suche nach
immer neuen Aufregungen und Sensationen — die
einzigen Genüsse, deren der ermüdete Arbeits-
mensch fähig ist. Bei diesem Bau, der Ruhe und
Ruhsamkeit atmet, darf man allerdings Derartiges
nicht suchen; aber er bietet Freuden schönerer
und edlerer Art und wer Gefühl für echte archi-
tektonische Schönheit besitzt, wird dankbar dafür
sein, daß auch in unserer Zeit ein solches Haus
entstehen konnte.
Die äußere Umgebung des Stoclethauses ent-
behrt allerdings jeder Harmonie, denn in der Avenue
de Tervueren, Woluwe St. Pierre, in der es steht,
wurden die Häuser in solcher Eile gebaut, daß sie
vollkommen bar jeder architektonischen Schönheit
sind, im grellen Gegensatz zu der Lieblichkeit der
Felder und der Baumgruppen der Umgebung. Unter
diesen Häusern erglänzt das Palais Stoclet wie ein
kostbares Juwel von auserlesener Schönheit unter
minderwertigen Steinen. Entsprechend den Prin-
zipien, deren eifrigster Vertreter Professor Josef
Hoffmann ist, liegt die Hauptschönheit des Baus,
in der Harmonie der Verhältnisse, in der Voll-
kommenheit der Materialien, aus denen es erbaut
und mit denen es ausgestattet ist, sowie in der her-
vorragenden Handwerksarbeit. Künstler und Hand-
werker waren hier gewissermaßen eins; der Künstler
besaß Liebe und Verständnis für das Gewerbe, in
dem sein Entwurf Form und Gestalt bekommen
sollte und der Handwerker hatte eingehendes Ver-
ständnis für das Material, in dem er arbeitete; er
war beseelt von dem Streben nach möglichster Voll-
endung seiner Arbeit, was ihn befähigte, den künst-
lerischen Entwurf richtig zu erfassen und ihm ge-
recht zu werden.
Das Haus wurde in außergewöhnlich schönem,
weißem Marmor von Turili in Norwegen erbaut,
eine Marmorart, die in Norwegen viel Verwendung
findet, weit mehr als in anderen Ländern, in denen
meist italienischer Marmor vorgezogen wird. Der
Turilimarmor ist aber haltbarer und stärker als der
italienische und überdies reiner im Ton. Die lang-
gestreckte Fassade ist von bewundernswerter Schön-

heit in den Proportionen, ihre ruhige Fläche wird
durch den wohl gelungenen Eingang, den großen
Erker und Fenster wirksam unterbrochen. Ge-
schmückt ist sie mit einem breiten, geschwärzten
Kupferband, mit eingehämmerten, vergoldeten Or-
namenten. Dies Band unterstreicht und erhöht die
Schönheit der Textur des weißen Marmors, die
außerdem noch durch das umgebende Grün präch-
tiger Bäume und durch das Spiel der Lichter, die
durch das Grün auf den Marmor fallen, aufs wir-
kungsvollste gehoben wird. Der ebenfalls mit Mar-
mor verkleidete, terrassenförmig aufgebaute Turm
ist von vier, von Professor Metzner gebildeten, in
Kupfer getriebenen Monumentalfiguren bekrönt.
Die Terrassen befinden sich sämtlich auf der Rück-
seite des Hauses, wo sie einen entzückenden Garten
und große Strecken flachen Landes mit niedrigen
Hügeln im Hintergründe übersehen. Hier ist man
von der Welt, ihrem Tumult und ihrem unaufhör-
lichen Arbeitsgetriebe völlig abgeschlossen.
Betritt man das Haus, so gelangt man zuerst in
das Vestibül, einen eindrucksvollen Raum, der dem
Besucher sofort über die Art des ganzen Hauses
Aufklärung gibt. Die Wände sind aus vert antique,
der Fussboden aus abwechselnd schwarzen und
weißen Marmorplatten zusammengesetzt. In den
Wandnischen aus weißem Turilimarmor stehen Vasen
aus vergoldetem Kupfer, von Professor Hoffmann
entworfen. Der Stuckplafond ist gewölbt und
mit schmalen goldenen Streifen und einem von
Leopold Forstner entworfenen und ausgeführten
Mosaik geschmückt. Rechts vom Vestibül befinden
sich die Garderobe und die Toiletteräume für Be-
sucher, alle mit bestem Geschmacke eingerichtet;
jedes einzelne Detail ist harmonisch und zugleich
zweckentsprechend. Links gelangt man in die ge-
räumige, hohe Halle, einem Raum von erhabener
Schönheit, vornehm in jeder Linie und in jedem
Gedanken. Hier begreift man die wirkliche Größe
der Kunst Hoffmanns, die dort, wo ihr freier Spiel-
raum gelassen wird, in kühnem Aufschwung das
Höchste zu erreichen vermag.
Die Wände der Halle sind mit italienischem
Marmor von schönem tief gelbbraunen Ton und
mit prachtvoller Äderung verkleidet, die Säulen,
die durch beide Stockwerke emporragen, mit dem
gleichen Material sowie mit belgischem grauem, ins
tiefe Schwarz poliertem Marmor. Zwischen den
Stützen stehen niedrige Sockel, mit antiken, byzan-
tinischen, griechischen und französischen Skulp-
turwerken, während die Marmorwände mit alten
chinesischen, japanischen und persischen Bildern,
sowie mit Werken primitiver Kunst aus Siena,
Toskana, Florenz, Deutschland und Flandern be-
hängt sind. Mehrere Vitrinen enthalten alte chi-
nesische Bronzen. Eine kleine Alabasterfigur von
 
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