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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 16.1917

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Neuere Werke von Curjel & Moser
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https://doi.org/10.11588/diglit.50178#0017
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NEUERE WERKE VON CURJEL & MOSER

Mit dem Aufnahmegebäude des neuen badi-
schen Bahnhofs in Basel haben Curjel &
Moser, Karlsruhe bis jetzt ihre bedeutendste Ar-
beit auf dem Gebiet der modernen Bahnhofsarchi-
tektur ausgeführt. Der Bau ist als Abschluß einer
gewaltigen, der badischen Staatsbahn angehörigen
Verkehrsanlage im Jahr 1913 vollendet worden. Die
praktische Aufgabe war hier durch die besonderen
Bedürfnisse eines als Durchgangsstation angelegten
Grenzbahnhofs, dessen Einrichtung durch den
doppelten Apparat eines deutschen und schweize-
rischen Zollamtes vermehrt wird, des näheren be-
stimmt. Wenn damit die Grundrißbildung durch die
technische Aufgabe in der Hauptsache festgelegt
war, so ist dafür die architektonische Durchführung,
die Gruppierung und künstlerische Gestaltung der
Räume und die Entwicklung des äußeren Archi-
tekturbildes das selbständige Werk des Architekten.
Der gesamte Bau zerfällt in zwei Hauptflügel: den
deutschen und den schweizerischen, die im großen
und ganzen durch die zentrale Schalterhalle von
einander abgetrennt werden. Die Schalterhalle ist
als monumentaler Hauptraum von 25 Meter Tiefe
und 20 Meter Scheitelhöhe mit einem Eisenbeton-
gewölbe abgeschlossen. Sie tritt auch nach außen
als Mittelpunkt des Ganzen in die Erscheinung und
wird zugleich als Haupteingang betont, indem sie
als überragende Giebelhalle aus der Flucht hervor-
tritt und auch durch plastischen Schmuck (Statuen
von Bildhauer Oskar Kiefer in Ettlingen) bereichert
wird. Das Material der 230 Meter langen Fassade
ist gelber Keuper. Der Flügel links von der Schalter-
halle enthält die deutsche Abteilung mit den Warte-
und Restaurationsräumen. Dadurch daß der große
Speisesaal I. und II. Klasse nach der Straße zu im
Halbkreis abschließt, entsteht das zweite Haupt-
motiv für die Gliederung des Baukörpers: die vor-
springende Halbrotunde. Sie erhält ihr Gegen-
gewicht am entgegengesetzten Flügel — dem schwei-
zerischen Teil — durch den 30 Meter hohen Turm,
der praktisch als Uhrträger motiviert ist und da-
durch, daß er in die Achse der Hauptzugangsstraße
von der Stadt her gestellt ist, zugleich als weithin
sichtbarer Wegweiser zum Bahnhof dient. An den
deutschen Flügel, von der Straße zurückgelegt und
von ihr durch einen architektonischen Gartenhof

abgetrennt, schließt sich der fürstliche Empfangs-
raum mit seinen Nebenzimmern an. Indem sich so
die innere Gliederung des komplizierten Bauorga-
nismus in die äußere Erscheinung fortsetzt, ent-
stand bei aller sachlichen Einfachheit und monu-
mentalen Ruhe der Formen doch ein reiches und
rhythmisch belebtes Architekturbild. Im Innern ist
namentlich auf den Gegensatz zwischen den eigent-
lichen Verkehrsräumen, deren monumentaler Cha-
rakter vor allem durch die Schalterhalle bestimmt
ist und den für Erholung und Ruhe bestimmten
Abteilungen besondere Sorgfalt verlegt worden. In
der intimen und behaglichen Gestaltung der Warte-
und Speisesäle liegt ja ein Hauptfortschritt des
modernen Bahnhofsbaus gegen die schematische
Nüchternheit der älteren Bahnhöfe.
Etwa gleichzeitig mit dem Basler Bahnhof ist
auch die (1914 vollendete) Züricher Universität
entstanden. Das Gebäude steht, hoch die Stadt
überragend und dasStadtbild krönend,aufdem Hügel
neben dem von Semper erbauten Polytechnikum.
Im Gegensatz zu Sempers regelmäßigem Renais-
sancebau schufen Curjel & Moser einen Bau von
freier, unsymmetrischer Gruppierung. Der Grund
dafür war von vornherein in der unregelmäßigen
Beschaffenheit des Geländes gegeben. Danach teilt
sich der Gesamtbau in zwei etwa gleiche Teile, von
denen der eine — das biologische Institut — vor
den andern — das Kollegiengebäude — um einige
Meter vortritt. Jeder dieser beiden Teile bildet in
sich einen geschlossenen Organismus, dessen Räume
jeweils um einen Lichthof gruppiert sind, nach dem
zu auch die Zugänge zu den einzelnen Stockwerken
liegen. Für die äußere Erscheinung des Bauwerks
ist vor allem die Auflösung der Flächen in Fenster-
pfeiler und große Lichtöffnungen charakteristisch.
Indem diesmal der Forderung, daß die Hörsäle und
Uebungsräume viel Licht brauchen, in besonderem
Maße Rücksicht getragen worden ist, ergab sich so
eine typische Zweckform des modernen Hochschul-
gebäudes: es ist das erste Beispiel dieser Art in
der Schweiz. Die Formen zeigen im Aeusseren wie
im Inneren sachlichste Einfachheit; dafür wurde der
Schmuck auf wirkliche Kunstwerke (Bauplastik von
Hermann Haller u. a.) konzentriert. Das Problem, die
beiden verschiedenen Teile des Gesamtbaus in eine

MOD. BAUFORMEN 1917. I, 1.

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