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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 16.1917

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Baer, Casimir Hermann: Saarbrückener Schulhausbauten von Julius Ammer
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https://doi.org/10.11588/diglit.50178#0067
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SAARBRÜCKENER SCHULHAUSBAUTEN
VON JULIUS AMMER

In Deutschland werden für Schulhausbauten von Staaten
und Gemeinden stets mit besonderer Bereitwilligkeit größte
Aufwendungen gemacht, umso wichtiger ist es, daß die
in erster Linie praktische Aufgabe auch eine künstlerische
Lösung finde, dafj neben der Berücksichtigung aller schul-
technischen und hygienischen Gesichtspunkte auch eine har-
monische und bodenständige Gestaltung der Baumassen, eine
würdige und zweckentsprechende Raumausstattung bedacht
und verwirklicht werde. So wird das Schulhaus selbst zum
Anschauungsobjekt, das in seiner nützlichen Schönheit zu-
nächst den Kindern, dann aber auch der ganzen Gemeinde
zeigt, wie sie ihre eigene Umgebung zu sich reden lassen
sollen, wie sie ihr eigenes Heim sich ausgestalten müssen.
Vorbildliche Beispiele solch weitsichtiger Bestrebungen sind
die Schulhausbauten, die Julius Ammer jüngst für die Stadt
Saarbrücken entworfen und ausgeführt hat, ein Reform-
Realgymnasium und eine Doppelturnhalle.
Der Bauplatz für das Reform-Realgymnasium wird
vom Fischbach und der Ottostraße begrenzt, die mit ihrer
einen Front von häßlichen Mietshäusern im spitzen Winkel
über den Fischbach zieht und gegenüber dem Baugelände
eine andere Straße aufnimmt, die abermals spitzwinklig zu
ihr und etwa rechtwinklig zum Fischbach verläuft. Zur mög-
lichsten Ausnützung dieser für die Baugestaltung schwie-
rigen Verhältnisse, hat der Architekt sein Haus in lang-
gestrecktem Zuge zunäscht von der Ottostraße senkrecht zu
dieser zum Fischbach, darauf dem Bach folgend und dann
in stumpfem Winkel abbiegend der Ottostraße parallel hin-
ziehen lassen und schließlich gegenüber den Gebäudetrakten
am Fischbach entlang einer zukünftigen Straße einerseits mit
einer Wandelhalle zur Ottostraße zurückgeführt, andererseits
zum Anschluß eines späteren Erweiterungsbaues bestimmt.
Der Raum, den die Gebäude umschließen, dient als Schul-
hof ; die abgeschnittene Spitze des Bauplatzes an der Kreuzung
von Ottostraße und Fischbach ist wie das Bachufer zum
blumenbunten botanischen Garten ausgestaltet worden; in
zwei Terrassen steigt er zum Bach hinab, über den sich reiz-
voll die Bäume des gegenüberliegenden Parkes neigen.
Der langgestreckte Gebäudezug verlangte eine Gliede-
rungin Gruppen. So entstand an der Straße ein fester Bauteil
von herbem, in sich geschlossenem Charakter, der sich nach
dem Hofe mit der einladenden Vorhalle des Haupteingangs
öffnete und von einem Uhrturm mit einer Plattform für astro-
nomische Beobachtungen bekrönt wird. Er enthält im Erd-
geschoß alle Lehrerzimmer, im ersten Stock die Säle für
Physik, darüber jene für Chemie, im Dachgeschoß die Räume
für Biologie, einen großen Sammlungsraum und Hörsaal mit
ansteigenden Sitzen, sowie eine Terrasse für Pflanzen in Kästen
und ins Dach eingebaut ein Warmhaus.
In den Gebäudeflügel am Fischbach, dessen stumpfe
Ecken mit Rundtürmen betont, dessen Fassaden durch inter-
essante Gruppierung der Fenster glücklich belebt und ge-
gliedert sind, wurden alle Klassenzimmer verlegt mit dem
Ausblick in das ruhige Grün des Parks jenseits des Bachs,
während die Flurfenster nach dem Hofraum blicken. Eine
besondere städtebauliche Bedeutung erhält der schräg laufende
Klassenflügel noch dadurch, daß er den ruhigen Abschluß
der schräg und unvermittelt in der Ottostraße endigenden
Zugangsstraße bildet und so dem Auge des durch diese
Straße näher Kommenden einen abschließenden Halt gewährt.
Der der Ottostraße parallel laufende Gebäudeteil endigt
mit dem ruhig und monumental gestalteten Aulabau;

zwischen ihm und dem Klassenflügel ist das etwas reicher
ausgestaltete Aulatreppenhaus eingebaut, mit einer offenen
Halle und einem Wandbrunnen im Erdgeschoß. Im Aulabau
sind außer der Aula, die im ersten Obergeschoß liegt, im
Erdgeschoß und Dachstock zwei geräumige Turnhallen, außer-
dem Gesangssäle und ein großer heller Zeichensaal unter-
gebracht. Eine Terrasse vor der oberen Turnhalle kann für
Turnübungen im Freien benutzt werden.
Ueber die formale Ausbildung der Fassaden, auf die
größte Sorgfalt verwendet worden ist, geben die folgenden Ab-
bildungen alle wünschenswerten Erklärungen. Hier sei nur
noch erwähnt, daß der möglichst rauhe Wandputz eine grüne
Färbung erhielt, die ohne farblos zu werden, die Schwärzung
durch den Industrierauch vertragen kann und sich mit dem
fränkischen Muschelkalk der Architekturglieder, dem Kupfer
der Dächer und Rinnen, wie den hellen, durch einzelne
dunklere Platten interessant belebten Schiefer-Dachflächen
zu einer fein abgestimmten farbigen Gesamtwirkung vereint.
Farbenfreudiger Kratzputz betont einzelne Gebäudeteile, wie
die Brunnennische und die offenen Vorhallen, ohne die Ein-
heitlichkeit der Gesamterscheinung zu stören.
Die innere Einteilung des weiträumigen Hauses, die
als äußerst zweckmäßig und mustergültig von allen Schulprak-
tikern anerkannt wird und alle erdenklichen Einrichtungen
für einen neuzeitlichen Schulbetrieb, so Handfertigkeitsräume
und Milchküche mit Kantine im Untergeschoß und zwei zweck-
mäßig angelegte Wohnungen für den Schuldiener und Heizer
umschließt, erhielt ein äußerst wirksames Farbengewand, das
unter den Abbildungen der einzelnen Räume jeweils nach Mög-
lichkeit genau angegeben worden ist. Aus der hellen, frisch-
freudigen Stimmung der Gänge gelangt man in die ruhig und
gesammelt wirkenden Schulsäle, in das freundliche Elternsprech-
zimmer, in die ernsten vornehmen Lehrerzimmer und in das als
Repräsentationsraum reicher ausgestattete Direktorzimmer. Die
Aulavorräume bereiten in steigender Farbigkeit auf den Festraum
des Hauses, die Aula, vor, deren an und für sich starke Farben
durch das gedämpfte Licht der gleichfalls vom Architekten ent-
worfenen farbigen Fensterverglasungen zu feierlicher Wirkung
weich verschmolzen werden. Auch bei künstlicher Beleuch-
tung ist die Stimmung voll Eindruck, am schönsten aber,
wenn die Sonne mit gebrochenen Strahlen in den Saal scheint.
So ist durch eine sorgfältig abgestimmte Farbenzusammen-
stellung, bei der sich Malermeister Schmelzer als verständ-
nisvoller Mitarbeiter betätigte, ein frischer, freudiger, in ein-
zelnen Räumen auch prächtiger Eindruck erzielt worden, der
selbst Feinde moderner Farbengebung gefangen nimmt.
Die Doppelturnhalle auf dem Weyersberg zu
Saarbrücken ist langgestreckt an den Rand eines vom Markt
Bürbach aufsteigenden Hügels gestellt worden und begrenzt
den Blick, der früher leer ins Weite irrte, zwischen der
Kirche und dem alten Schulhaus, an das sie sich anlehnt.
Sie enthält zwei Turnsäle, zum Teil ins Dach eingebaut,
da das Haus in Rücksicht auf die Kirche nieder gehalten
werden mußte, die Ankleideräume, zwei Zeichensäle, ein
Lehrer- und ein Rektorzimmer, alles in derselben wohl ab-
gestimmten Farbenfreudigkeit ausgestattet, die schon beim
Reform-Realgymnasium hervorgehoben wurde und hier nur
zweckentsprechende Vereinfachung erfuhr.
So erscheinen die Schulhausbauten von Julius Ammer
als Werke aus einem Guß, harmonisch durchgeschafft bis in
die kleinste Einzelheit und doch von einer großen sachlichen
Liebe zusammengehalten. C. H. Baer.

MOD. BAUFORMEN 1917. II, 1.

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