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Markusplatzes nannte, so könnte man den neuen
Bahnhofturm als den accent grave im Stuttgarter
Stadtbild ansprechen. Aber seine Schwere hat
nichts Schwerfälliges; die wuchtende Masse ist ver-
anschaulicht zugleich und überwunden durch die
Verteilung und Abmessung der Fenster, die starre
Linie des Umrisses malerisch lebendig gemacht
durch die ungleich vortretenden Rustikaquadern.—
Das Innere des Turmes enthält kubisch höchst
interessante und wirkungsvolle Räume: im Erd-
geschoss eine durch die bedeutende Deckenhöhe
und die hohen Fenster monumental wirkende, für
Repräsentation geeignete Halle, darüber einen für
Beratungen bestimmten Saal, dann einen besonders
originellen Raum, der drei Stockwerke in der Weise
zusammenfaßt, daß die trennenden Decken kreis-
förmig durchbrochen sind und als runde Galerien
originelle Durchblicke und Überschneidungen er-
geben; zuoberst endlich, von den hohen schmalen
Fenstern des abschließenden Stockwerkes erhellt,
einen Saal, der ein elegantes Kaffee aufnehmen soll.
Besonders beachtenswert aber ist der Grundriß all
dieser Turmgemächer: indem in die vier Ecken des
Turms zwei Wendeltreppen und zwei Aufzüge einge-
baut sind, ergab sich als Grundriß immer ein griechi-
sches Kreuz, und es war damit aus einem rein
praktischen Bedürfnis heraus ein überaus dankbares,
bei aller Einfachheit stark und lebendig wirkendes
Raummotiv gefunden, für dessen künstlerische Er-
giebigkeit der „Entwurf zu einer Gedächtnishalle“
(s. Tafel 6) ein gutes Beispiel bietet. — Und wenn
für diese Gedächtnishalle eine flachgespannte, in
sich jedoch reich gegliederte Beton-Decke gedacht
ist, so diene das als Hinweis, mit welchem Nach-
druck der Architekt die Mittel und Möglichkeiten,
die ihm die moderne Technik an die Hand gibt,
in künstlerische, raumbildende Ideen umgestaltet.
Hier ist es der Betonbau, der sich ja nicht nur für
Wölbungen von früher nicht geahnter Spannweite,
sondern auch für flache, stützenlose Decken von be-
liebigem Flächeninhalt benutzen läßt. Es ist aber
klar (und mag durch ein historisches Beispiel, den

Goldnen Saal im Augsburger Rathaus, der Schöpfung
Elias Holls, wohl des einzigen ganz monumental,
nicht kunstgewerblich gesinnten Architekten der
deutschen Renaissance, unterstrichen werden), daß
der rein horizontale Deckenabschluß eines großen
Raumes dessen Monumentalität bedeutend zu stei-
gern vermag, indem er das Kubische zum vollen Aus-
druck bringt. Ein andrer, nicht ausgeführter Entwurf,
der Saalbau der für Stettin projektierten Stadthalle,
wird auch in der flüchtigen Skizze die eigenartige
Größe solcher Raumwirkung veranschaulichen. Im
Bahnhofneubau selbst verdient die Eingangshalle
mit dem plastischen Schmuck, den J. Brüllmann
ausführt, und der sehr originell bemalten flachen
Decke, als ein Raum von ebenso klarer Gliederung,
wie imposanter Größe noch ausdrücklich hervor-
gehoben zu werden.
Endlich sei noch auf die Denkmalsentwürfe kurz
hingewiesen: auf das gewaltige, torartige Mal, das
eine weite Ebene zu beherrschen bestimmt scheint,
und das als Krönung einer Höhe breit hingelagerte,
kreuzgangartig einen kriegerischen campo santo
umschließende, als besonders glückliche Konzep-
tionen, die wieder einmal erweisen, daß die groß-
zügige, streng sachliche Lösung praktischer Auf-
gaben — und sei es ein Getreidesilo — den Zug
zum Monumentalen nicht unterdrückt, sondern
fördert und vertieft. Und neben diesen Entwürfen,
in denen die Monumentalität Selbstzweck ist, die
bescheiden sich nahe der Erde haltenden, in ihrer
Einfachheit ohne alle stimmungfördernden Mittel
doch so anheimelnden Kleinhäuser für die Zeppelin-
Werft Friedrichshafen, an denen F. E. Schöler
besonderen Anteil hat: sie stellen uns nicht nur
in die unmittelbare Gegenwart mit ihren sozialen
Aufgaben hinein, sondern weisen auch auf die
nächste Zukunft hin, in der solchen Siedelungen
eine besonders wichtige Rolle zugedacht scheint
und für die jene sachliche Einfachheit, die sich
hier von aller Nüchternheit so glücklich frei hält,
eine von der Not geforderte architektonische Kar-
dinaltugend sein wird. G. K.
 
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