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zieht er aus dem Geschauten, aus den durch Zeichnung und
Bild festgehaltenen Eindrücken die Ergebnisse.
Die Anforderungen an die Wohnbauten hinsichtlich der
Zweckdienlichkeit in der Raumbildung, Raumgliederung und
Raumfolge, die Möglichkeiten der Raumgestaltung und die
Sicherheit in der Beherrschung der Mittel wurden ihm in
geradezu umfassender Weise zu eigen. Das reiche so er-
worbene künstlerische Gut wurde aber für Professor Schultze-
Naumburg nicht zu einem selbstbefriedigenden und damit
in seinen Zielen abgeschlossenen geistigen Besitz. Er folgt —
man fühlt es aus seinen Schriften heraus — einem starken
inneren Drange, wenn er die Ergebnisse seiner kritischen

herein die wichtigsten Voraussetzungen: Er verfügte über
eine ausgesprochene, äußerst vielseitige künstlerische Be-
gabung, über ein hochentwickeltes Beobachtungsvermögen,
einen treffsicheren Blick für das Wesentliche der Erscheinungen
und über eine ausgezeichnete künstlerische Bildungsgrund-
lage, die er während seiner Karlsruher Studienzeit erhielt.
Dazu kam, was für eine baukünstlerische Betätigung besonders
wertvoll war, eine große Empfänglichkeit und ein feines
Empfinden für die Wirkungen des Raumes als solchem,
der Raumverhältnisse und Raumformen auf die allgemeinen
Lebensgefühle des menschlichen Organismus. In deren Ver-
bindung mit den stark ausgeprägten Grundgefühlen für


Professor Paul Schultze-Naumburg, Saaleck bei Kosen (Thüringen)
Ein Arzthaus in Reichenau in Sachsen

Arbeiten gesichtet, zusammengefaßt, wohlgeordnet und be-
gründet der Oeffentlichkeit übergibt, um sie ihr, zum Wohle
der Gesamtheit, nutzbar zu machen. Der Wirkung, die von
seinen Schriften ausgeht, kann sich niemand entziehen, der
tiefer in deren reichen Erkenntnis- und Gefühlsinhalt ein-
dringt.
Schultze-Naumburg ist aber nicht nur der fruchtbare, der
verdienstvolle Verfechter und Förderer einer gehobenen
Wohnungskultur in Wort, Bild und Schrift; sein künstlerischer
Gestaltungsdrang ringt auch nach Eigenbetätigung, nach
schöpferischer Mitwirkung an der Lösung neuzeitlicher Auf-
gaben einer verfeinerten Wohnungskunst. Ihn, den geborenen
Künstler, der sich frühzeitig dem Berufe der hohen Kunst
zuwandte, der von 1887 bis 1893 in der Karlsruher Kunst-
akademie, in den beiden letzten Jahren im Meister-Atelier
von Ferdinand Keller seine Einführung in den Geist, in die
Aufgaben, die Techniken und Ausdrucksmittel der freien
Malerei erhielt, und der bald bedeutsame Leistungen auf
deren Gebiet vollbrachte, — ihn drängte es zum Bauen.
Für eine erfolgreiche Tätigkeit als planender und aus-
führender Architekt erfüllte Schultze-Naumburg von vorn

Symmetrie, Rhythmus und Proportionalität schärfte sich der
Blick für die Schönheiten der Raumbildung, der Raum-
gestaltung, Raumordnung und Raumverteilung. Schultze-
Naumburg sah aber nicht nur das Räumliche an sich in
seiner unmittelbaren Zweckerfüllung. Er verfolgte mit
kritischem Auge auch die Art seiner Einfügung in die Um-
gebung, seiner Anordnung in die Siedelungen in Dorf und
Stadt, das wohlabgestimmte Zusammenklingen mit der
Landschaft.
Wenn solche Voraussetzungen zur Grundlage einer raum-
bildenden künstlerischen Betätigung werden; wenn sie sich
vereinigen in einer Persönlichkeit, die ganz auf dem Boden
neuzeitlicher Lebensauffassung steht und mit dem Zeitgeiste
und den modernen Ansprüchen an das Leben wohlvertraut
ist; wenn in dieser auch noch eine starke Schöpferkraft mächtig
ist, dann muß sich eine seltene Leichtigkeit des Schaffens
ergeben. Dieselbe muß um so mehr zur Erscheinung kommen
und umso fruchtbarer werden, sobald sie sich auf ein Arbeits-
feld begibt, das den Sonderneigungen entspricht, auf ein
Gebiet, das zuvor schon hinsichtlich aller derjenigen Ge-
sichtspunkte, die für die künstlerische Beurteilung in Be-
 
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