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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 26.1927

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Wiener Siedlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.48543#0240
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Architekt Franz Schuster, Wien
Gartenecke und Häuserg-ruppe in der Siedlung- „Neustraßacker“

WIENER SIEDLUNGEN

Das Wohnbauprogramm der Gemeinde Wien richtet
sich in der Hauptsache auf innerstädtische Massen-
wohnhäuser, deren Wohnungen bereits das 25. Tausend
überschritten haben. Demgegenüber erscheinen die Fami-
lienhäuser der Außensiedlungen schon zahlenmäßig arg
im Nachteil, hier ist noch nicht einmal das vierte Tausend
voll geworden. Das Mißverhältnis wird eklatant, wenn man
den materiellen Anteil der Kommune an dieser und jener
Bauart genauer abwägt. Bei den Volkswohnhäusern ist
die Gemeinde Bauherr und Besitzer. Die Siedlungen aber
werden in den meisten Fällen von privaten Genossen-
schaften unternommen, deren Mitglieder 15 Prozent der
Baukosten oder der Bauarbeit zu leisten haben, die Stadt
gewährt ihnen nur — sofern sie überhaupt teilnimmt —
gegen einen Zins das Baurecht auf ihren Liegenschaften
und den Rest der Bausumme als Darlehen.
Bei einer solchen Sachlage befindet sich unser Siedlungs-
wesen in einem eigenartigen zwiespältigen Zustand. Zwar
ist sein modernes soziales Recht, auch von kommunaler
Seite, grundsätzlich anerkannt; denn schon vor Jahren
hat die neue demokratische Stadtverwaltung für die
Organisation der Siedlungen ein eigenes Amt ins Leben
gerufen und mit einem selbständigen Wirkungskreis ver-
sehen. Auch hat die gültige öffentliche Meinung dieses
von der Behörde sanktionierte Recht zum Vorrecht er-
hoben : als auf dem internationalen Kongreß für Städte-
bau im Herbst 1926 die Alternative: Groß- oder Kleinbau
zur Diskussion gestellt wurde, entschied die erdrückende
Mehrheit für den Kleinbau in der Gartenstadt. Doch trotz
dieser unbestrittenen und unbestreitbaren besseren Ein-

sicht aller maßgebenden Stellen ist es tatsächlich beim
Alten geblieben, — man hält die Siedlung für die zeit-
gemäße Form einer wahrhaft volkstümlichen Wohnkultur,
aber man baut unentwegt neue Kasernen. Als Behau-
sungen für angesammelte und disziplinierte Mietermassen
mögen sie ja politisch vorteilhafter sein, als Konkurrenten
des landnahen geselligen Eigenheimes bedeuten sie ganz
gewiß einen Rückschritt innerhalb der sozialen Entwick-
lung.
Die Baugenossenschaften sind nun wirtschaftlich zu
schwach, um auf eigene Faust ihren Weg zu gehen. Aber
sie haben auch in Hinblick auf die Bauform mit den größten
Schwierigkeiten zu kämpfen. Denn die moderne Siedlung
verlangt, um ihren freien kollektiven Sinn zu verwirk-
lichen, den variablen Typ des Reihenhauses, während die
bei uns bodenständige Eigenbrötelei um jeden Preis indi-
viduelle Formen will. Wir haben schon bei Josef Frank
bemerken können, wie diese tief wurzelnde Selbstgefällig-
keit der Siedler das Zustandekommen einer einheitlichen
Anlage zuerst gestört und dann verhindert hat. Man wird
diese Einwirkung der Bauherren, denen sich der Bau-
meister, will er nicht verzichten, zumindest einigermaßen
fügen muß, noch deutlicher den Siedlungen der beiden sehr
begabten Architekten Franz Kaym und Alfons Hetmanek
entnehmen. Es braucht ein gründlich anderes Statut des
Unternehmens, um hier zu einem geschlossenen Ganzen
zu kommen.
Das ist durch die „Gesiba“ ermöglicht worden.
Die unter Beteiligung der Stadt, des Staates und des
Siedlungsverbandes begründete Gemeinwirtschaftliche
(Fortsetzung- S. 196)
 
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