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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 26.1927

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Nr. VII
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Zu den Arbeiten des Baudirektors Clemens Simon, Lautawerk (Lausitz)
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241

ZU DEN ARBEITEN
DES BAUDIREKTORS CLEMENS SIMON, LAUTAWERK (LAUSITZ)

Im Jahre 1918, dem bewegtesten unserer Zeitrech-
nung, wird die Siedlung Lautawerk in Angriff
genommen. In den drei folgenden Jahren bis 1921
entsteht diese Stadtplanung unter dem Druck der
Wohnungsnot in raschem Wachstum als eine der
größten Anlagen jener Zeit, die dem Siedlungs-
wesen in Deutschland Entfaltung und Richtung gibt.
In diesen Jahren wird inmitten der allgemeinen
Unklarheit über die Entwicklungsziele
unserer staatlichen Form und der wirt-
schaftlichen Zukunft Deutschlands der
Siedlungsgedanke an wenigen Stellen
großzügig und tatkräftig ergriffen und
der Grund gelegt zu der Herausstellung
des Siedlungsbauens als des Kernpro-
blems alles zeitgenössischen Bauens.
Das Gelände der Lautawerksiedlung
war bis zum Gründungsjahre völlig un-
erschlossenes Brachland, ein Wiesen-
undWaldgebiet am Rande des Industrie-
bezirks Lautawerk. Diesen Rand des
Fabrikareals nahm der erste Bauteil,
der kaum mit den späteren Ausmaßen
rechnen durfte, zur Basis, um mit weit-
räumigen Wohnblöcken das neue Ge-
biet aufzuschließen. Der heutige Lage-
plan umfaßt eine mehrfach größere
Fläche. Geschickt wurde dasVorhandene
aufgenommen und zu einem übersicht-
lichen Gerippe aus zwei sich kreuzenden
Hauptachsen zusammengefaßt. In nord-
südlich er Richtung alsVerkehrs-und Aus-
fallstraße die Straße nach Tätzschwitz;
in weicher Krümmung senkrecht diese
schneidend dierepräsentativeWest-Ost-
Allee mit Volkshauskomplex, Markt-
platz und Schulanlagen. Die öffentlichen
Bauten und die Kirchen der beiden
Bekenntnisse geben einzelnen Vierteln
Halt und Gepräge. — Die Wohnungen sind zum Teil
in eineinhalb- oder zweigeschossigen Reihen, zum
Teil in freistehenden Doppelhäusern untergebracht.
Jeder Wohnung sind rund zwei Ar Gartenland zu-
geteilt. Überall sind geräumige und besonnte Garten-
flächen geschaffen.
Es ist reizvoll zu sehen, wie das in sich immer ähn-
lich bleibende Raumprogramm der kleinenWohnung

in dieser fortlaufend weiter wachsenden Stadt im
Wechsel der Jahre und der Anschauungen wechseln-
der Erscheinungsformen sich bedient hat. Zunächst
herrscht vor das Reihenhaus mit langem Satteldach,
das frontale Quergiebel oder Aufbauten im Wechsel
unterbrechen. Beim Doppelhause zeigt sich vorwie-
gend der zweigeschossige Haustyp mit einfachem,
wenig unterbrochenem,gewalmtem Doppeldach. Alle
Einzelheiten sind mit liebevoller Sorg-
falt und aufs sparsamste durchgebildet,
überall ist die konstruktive Form in ihrer
einfachsten, handwerklichen Durchbil-
dung der einzige Schmuck des Hauses.
Die Dachkehlen sind mit alter Hand-
werkskunstweich ausgedeckt. EinWohn-
hof, wie der in Bildern gezeigte, mit den
knappen Gesimslinien der fünf Giebel,
der ruhigen Verteilung von Fenstern
und Türen und mit diesem erfrischen-
den Mangel aller unnötigen Zutaten
ist an anmutiger Schlichtheit schwer zu
übertreffen.
Höheren Reiz vermögen auch die rei-
cheren ganz oder teilweise gestaffelten
Giebel nicht zu erreichen. Doch auch in
ihren Formen wirkt eine aufs Sparsame
und Straffe zielbewußt hinarbeitende
sichere Hand, die auch in den neuesten
Versuchen einer dachlosen, ganz ku-
bischen Gestaltung sparsam mit ausge-
suchten Mitteln haushält und der Ge-
fahr, am kleinen Objekte zu gewichtig
zu werden, behutsam aus dem Wege
geht. Klarheit und Wille zur Sachlich-
keit, aber zu jener echten Sachlichkeit,
die selbstverständlich und ungewollt
wirkt, spricht aus den Grundrissen der
beiden Ledigenheime, wie auch aus ihren
äußeren Erscheinungen. Volkstümlich
und kräftig stellt sich das Arbeiterheim dar, während
das Angestelltenhaus mit einfachen, disziplinierten
Mitteln, ebenso wie es auch bei der hellen und sau-
beren protestantischen Kirche geschieht, in mehr ins
Städtische gewendeter Haltung dem Geist des deut-
schen Biedermeier nahetritt, jener Zeit, deren vor-
nehme Bescheidenheit und sichere Haltung uns Heu-
tigen nicht ganz verloren gehen sollte. H. V.


Maßstab 1:120

Baudirektor Clemens Simon
Lautawerk
Uhrturm mit Transfor-
matorenstation - Lautawerk

MOD. BAUFORMEN 1927. VII. 1.
 
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