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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 26.1927

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Nr. IX
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Hilberseimer, Ludwig: Internationale Neue Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.48543#0409
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325


Die Weißenhofsiedlung bei Stuttgart. Gesamtansicht von Nordosten.

INTERNATIONALE NEUE BAUKUNST
Unsern Abonnenten glauben wir damit zu dienen, daß wir ihnen die „Neue Baukunst“ in einer Auswahl
dessen vor Augen führen, was der Deutsche Werkbund zur Zeit in Stuttgart auf seiner „Internationalen
Plan- und Modellausstellung“ zeigt. Wir erteilen dazu seinem Beauftragten, dem Berliner Architekten Ludwig
Hilberseimer, das Wort. Denn es soll das, was in der Baukunst fast aller Länder mit zunehmendem Erfolg
um Anerkennung ringt, aus dem Geist eines Mitschaffenden heraus betrachtet werden. Die folgenden
Hefte der „Modernen Bauformen“ werden wieder gewohnteren Charakter zeigen und vor allem auch zeit-
gemäßes Mobiliar und Wohnräume verschiedenster Gestaltung bringen. Auf eine im Rahmen der „Baubücher“
in kurzem erscheinende gründliche Untersuchung des Problems „Großstadt-Architektur“ desselben Ver-
fassers verweisen wir unsere Leser schon heute nachdrücklich. Die Schriftleitung.
Die Voraussetzungen und Grundlagen der neuen Baukunst sind verschiedenster Art. Die je-
weiligen Benutzungsansprüche bestimmen den Zweckcharakter des Bauwerks. Material und
Konstruktion sind die materiellen Mittel seines Aufbaues. Daneben üben Herstellungstechnik
und Betriebsführung, wirtschaftliche und soziologische Momente einen erheblichen Einfluß aus.
Uber allem aber steht herrschend der schöpferische Wille des Architekten. Er bestimmt das Maß
des Anteils der einzelnen Elemente. Bildet aus dem Nebeneinander die gestaltete Einheit des
Bauwerks.
Die Art des Gestaltungsvorgangs bestimmt den Charakter der neuen Baukunst. Sie ist nicht
auf äußerliche Dekorativität gestellt, sondern Ausdruck der geistigen Durchdringung aller Ele-
mente. Das ästhetische Element ist daher nicht mehr übergeordnet, Selbstzweck, wie bei der den
Bauorganismus ignorierenden Fassadenarchitektur, sondern ist gleich allen andern Elementen
eingeordnet in das Ganze. Erhält erst im Zusammenhang mit diesem Ganzen seinen Wert, seine
Bedeutung.
Überordnung eines Elements hat immer Störungen zur Folge. Daher erstrebt die neue Bau-
kunst Gleichgewicht aller Elemente, Harmonie. Diese ist aber keine äußerliche, schematische,
sondern eine für jede Aufgabe neue. Ihr liegt kein Stilschema zugrunde, sondern sie ist der je-
weilige Ausdruck der gegenseitigen Durchdringung aller Elemente unter der Herrschaft eines
gestaltenden Willens. Der neuen Baukunst liegen daher keine Stilprobleme, sondern Baupro-
bleme zugrunde.

MOD. BAUFORMEN 1927. IX, 1
 
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