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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 28.1929

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Fries, Heinrich de: Fünf Minuten Städtebau
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https://doi.org/10.11588/diglit.48541#0362
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292

FÜNF MINUTEN STÄDTEBAU!
Von Architekt Professor H. de FRIES, Düsseldorf

Darstellung des gegenwärtigen Zustandes einer werdenden
Großstadt kann nur im Ausschnitt gegeben werden,
damit Arbeitsrichtung und Arbeitsübersicht klar faßbar
bleiben. Gestern also war da ein stückweise und zugleich
schlecht bebauter Block, in seinem Mittelteile aufgeschlossen
durch viel zu viele, auch zu breite Straßen, durch allerhand
Kreuzungen, Versetzungen, Krümmungen, Unkosten also
insgesamt nicht zuletzt! Und man beachte z. B. rechts unten
die schlecht verschnittenen Blockenden mit den spitzwink-
ligen Ecken, die sehr ungünstige Wohnungen ergeben. Auch
oben links, also auf der Westseite, ist eine Straße zu be-
achten, die ebenso wie manche andere Straße des gegen-
wärtigen Zustandes und Vorentwurfes in die Hauptverkehrs-
straße einmündet und darum bereits inVorschlagl fortfällt,
da solche Bewegungsstraßen so wenig wie nur irgend möglich
von einlaufenden Straßen erfaßt werden sollen. Nicht nur
der Verkehrsschnelligkeit wegen, sondern vor allem wegen
der sonst unvermeidlich wachsenden Gefahr für die Fuhr-
werke, für die Autos, insbesondere aber für den Fußgänger.
Und nicht zuletzt für die Kinder! Die Blockmitte ist
durch wenige ruhige und möglichst eindeutige Straßen er-
schlossen, schon stößt keine mittlere nach Norden gerichtete
Straße mehr in die Hauptverkehrsstraße hinein, ebenso sind
im Südosten, also auf Vorschlag I rechts unten, schon zwei
überflüssige und teure Straßen verschwunden.
Vorschlag II zeigt, daß der Verfasser mit dieser Lösung
noch nicht zufrieden war. Warum? Die neuen Baublöcke
haben zwar eine volle Süd- und damit Sonnenlichtseite,
aber dafür eine ebenso lange Nordseite, die niemals Sonne
empfängt. So sind in Vorschlag II die Bautrakte schon zum
größeren Teile nord-südlich gestellt, die Wohnungen erhalten
also Ost- und Westsonne. Eine weitere Einmündung in die
Hauptverkehrsstraße ist kassiert. Aus zwölf Straßen des
vorhandenen Zustandes sind also nur mehr acht geworden!
Also vier gespart, gespart in Nutzfläche, Straßenbaukosten,
also letzthin Mietsbelastung! Und von den acht ver-
bleibenden Straßen sind die drei in der Mitte eigentlich
eine einzige Straße mit zwei kurz umgebogenen Enden.
Vorschlag III schließlich ist der beste! Vier weitere
Straßen sind gespart, statt zwölf Straßen des anfänglichen
Zustandes sind nur mehr vier notwendig. Fast alle neuen
Wohnungen liegen nach der Ost- und Westsonne, am nörd-
lichen Rande der unteren west-östlichen Straße deuten die
schraffierten Baukörper, die das Ganze zusammenfassen,

nur eingeschossige Läden und Gewerbebauten an, für die
beiderseitiges Sonnenlicht überflüssig ist. Der Plan ist nun
ganz einfach geworden, ganz ruhig! Rhythmische Ge-
staltungselementehaben diesesWunder vollbracht
zugunsten starker Verbilligung, vielfältig vermehrten Wohn-
wertes und vor allem erhöhter Wohnfreude. Sachlich selbst-
verständlich, aber weit mehr als nur das! Alles in allem:
Ein Stück aus dem täglichen Arbeitsleben des Städtebauers
Professor Dr.-Ing. h. c. Hermann Jansen von derTech-
nischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, der in diesen
Tagen seinen 60. Geburtstag feiern kann.
Echte Städtebauer haben es nicht leicht, denn sie er-
richten ja nicht die Schauwände, mit denen andere ihre
Publikationen anfüllen; sie tun ja nur das Wesent-
liche! Nur den wenigsten bekannt sein dürfte die Um-
legungsplanung Jansens für Nürnberg und Fürth, die durch
die zukünftige Führung des Main-Donau-Kanals bedingt
wurde und Nürnberg zu einem Hafenumschlagsplatz macht
auf der Strecke Nordsee—Schwarzes Meer. Etwa 400 Pläne
mußten erstellt werden, ungeheure Schwierigkeiten waren
zu lösen, die ganze Industrie muß umgelegt werden, und
die zentrale Spannung Nürnbergs wird durch die Zukunft
vollkommen gewandelt in eine exzentrische. Beweis hierfür
auch die notwendige, von Professor Jansen vorgesehene
Verlegung des Hauptbahnhofes, eines Kopf bahnhofes, aus dem
Herzen der Stadt hinaus an die Peripherie und seine Um-
gestaltung zu einem Durchgangsbahnhof. Daß dafür auf der
entgegengesetzten Seite der Stadt landschaftlich eigentlich
sehr schöne und von der Industrie verwüstete Gebiete für
Nürnberg als dauernder Naturwert der Zukunft wieder-
gewonnen werden, sei nur nebenbei erwähnt. Ebenso, daß
der alte Bayerische Ludwigs-Kanal nicht aufgefüllt wird,
sondern als eine tiefliegende Schnellverkehrsstraße kreu-
zungsfrei unter allen lokalen Wegen hindurchführt.
Aus diesen Nürnberger Planungen des Jahres 1925
seien an dieser Stelle nur noch zwei Vorschläge über die
gleiche Situation gezeigt, die eindringlicher wie viele Worte
erweisen mögen, daß Jansen im besten Sinne modern schafft,
ohne daß die bildwütige Umwelt viel davon erfährt. Vor-
schlag A zeigt am Ende eines sich staffelnden Grüngürtels
von anfangs etwa 30, am Ende etwa 50 m Breite eine Kirche
in betont axialer Stellung, deren Gegenkomponente eine
Geländekuppe von etwa 100 m Durchmesser darstellt. Von
besonderem Interesse sind die Zufahrtswege zu den Block-
 
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